Weihnachten ist die Feier der Menschwerdung. Ein in Windeln gewickeltes Kind ist auch Johanna und Gerrit Spallek anvertraut. Sie blicken zurück auf Schwangerschaft, Geburt und das erste Jahr mit ihrer Tochter.
Advent: ein Kind wird erwartet
Die ersten Wochen unserer Schwangerschaft waren geprägt von Ungewissheit, Hoffnung und Geheimhaltung. Wir hofften, dass wir wirklich schwanger waren. Wir sorgten uns, dass irgendwas mit dem Kind nicht stimmen könnte.
Jedes Lebenszeichen war täglich neu Grund zur Erleichterung.
Die Gewissheit stieg, dass das Wesen im Bauch stetig wächst. Es (wir haben uns bis zur Geburt vom Geschlecht überraschen lassen) reagierte auf Bewegungen und war ein aktiver Bauchzwerg. Als angehender Vater musste ich mir zuerst von den Bewegungen des Kindes im Bauch erzählen lassen. Später konnte ich die Tritte und Faustschläge von außen selber spüren. Irgendwann konnte ich mit dem aufgelegten Ohr sogar die Herztöne hören. Jedes gespürte Lebenszeichen war täglich neu Grund zur Erleichterung – und Anlass großer Vorfreude.
In der Schwangerschaft wird Schöpfung spürbar.
In der Schwangerschaft wird Schöpfung spürbar im Bauch. Als Mutter wurde mir immer deutlicher, dass ich dieses Wesen über alles liebe. Karfreitag heißt es „er gab sein Leben für sie“. Das fand ich vorher schwer greifbar, war das doch alles schon weit vor meinem Leben und dem Entstehen meiner Persönlichkeit passiert.
In dieser Karwoche wurde diese Liebe Gottes plötzlich greifbar. Für mich als Mutter war klar, im Fall der Fälle würde ich für das Leben meines ungeborenen Kindes aus Liebe alles geben. Also wenn Ihr eine Wahl treffen müsst, rettet um jeden Preis das Baby! Für mein Kind verstand ich im Kleinen, aus welcher mütterlichen Liebe Gott für uns im Großen gehandelt hat.
Geburt und Kennenlernen als Familie
Ein Kind zu bekommen, ist mit Verletzbarkeit verbunden. Bei der Geburt erfährt die Mutter diese Verletzbarkeit ganz konkret. Es wird wenig darüber gesprochen, aber Mütter erleiden bei der Geburt schwere Verwundungen. Viele müssen im Anschluss genäht, mitunter operiert werden. Auf alle warten anschließend Reha-Maßnahmen wie das Wochenbett und Kurse zur Rückbildung des Körpers, insbesondere des Beckenbodens. Die körperliche Verletzbarkeit wird aber auch nach der Geburt deutlich spürbar. Durch das Stillen sind Brüste und Milchkanäle fortan anfällig für schmerzhafte Milchstaus bis hin zu Entzündungen.
Die koptische Kirche verehrt Salome, die Hebamme von Maria. Wer eine gute Hebamme hatte, kann diese Verehrung nachvollziehen.
Bei der Vorbereitung, Nachbereitung und der Geburt selber werden Schwangere von Hebammen beraten und betreut. Der großflächige Mangel an Hebammen ist gesellschaftlich alarmierend. Die koptische Kirche verehrt Salome, die Hebamme von Maria und apokryphes Mitglied der Heiligen Familie. Wer das Glück hatte, eine gute Hebamme zu haben, kann diese Verehrung nachvollziehen.
Die Geburt war unvergesslich und rückblickend erstaunlich schön. Wir wissen, es kann auch anders laufen. Der Moment, als wir unserem Kind zum ersten Mal in die Augen schauten und unsere Tochter mit ihrem eigenen Namen ansprechen durften, ist ein bleibender Augenblick erfüllten Glücks.
Die ersten Tage nach der Geburt waren geprägt vom Genießen der Kuschelzeit und einem gegenseitigen Kennenlernen. Zu dritt entdeckten wir uns als frische Familie und ließen uns von den Bedürfnissen und vom Rhythmus unserer Tochter bestimmen. Die Sorge um Schlaf, Wachstum und Gesundheit wurden ergänzt durch Schwierigkeiten mit dem Stillen. Besonders beim kuscheligen Tragen der Kleinen im Tragetuch wurde spürbar, dass wir eine immense Verantwortung für unsere Tochter tragen.
Mit einem Baby unterwegs in der Öffentlichkeit
Mit einem Baby in der Öffentlichkeit unterwegs zu sein, ist häufig mit einem eigenen Zauber verbunden. Fremde Menschen öffnen auf einmal ihr Herz, machen Grimassen für das Kind, strahlen über beide Ohren oder verharren kurz in andächtiger Stille. Der Anblick eines Babys kann Menschen verzaubern. Ihre Reaktionen machen deutlich, welch ein Wunder hinter jeder Menschwerdung steckt. Von einem kleinen Kind scheint eine Vitalität auszugehen, die Menschen aus Trott und Trübsal herausreißen kann.
Der Anblick eines Babys kann Menschen verzaubern.
Solche Schritte in die Öffentlichkeit sind aber auch mit vielerlei Verunsicherungen und mit ebenso großen Vorbereitungen verbunden. Der Rucksack ist prallgefüllt, für viele Eventualitäten gepackt. Im Kopf werden vorab mögliche Schutzräume zum Wickeln oder Stillen durchgegangen.
Erstere werden in Städten durch Drogeriemärkte oder Restauranttoiletten zur Verfügung gestellt. Geeignete Stillräume gibt es hingegen viel zu selten. Interessanterweise waren es häufig Kirchen, wo wir uns ausreichend wohl und sicher fühlten, um unsere Tochter zu versorgen. In solchen Momenten kann religiöse Beheimatung auf seltsame Weise konkret werden.
Orte der Stille als Orte des Stillens.
Obwohl wir die Kirchenräume in gewisser Weise zweckentfremdeten, wussten wir paradoxer Weise, wie wir uns hier zu verhalten hatten. Zudem waren sie verlässlich geöffnet und – Säkularisierung sei Dank – meist relativ leer. Wir freuten uns über diese öffentlichen Orte der Stille als Orte des Stillens: Orte, wo die Dürstenden ihre Milch auch ohne Bezahlung bekommen können (vgl. Jes 55,1). Auch das ist Citypastoral.
Gefüllte und erfüllte Zeit
Es beschäftigen einen viele neue Fragen, wenn ein Kind da ist. Ein Paar wird zu Eltern. Ein Zweierteam wird zur Familie. Der Fokus hat sich geändert. Wir reden häufig über unsere Tochter und unseren Umgang mit ihr. Auch mussten wir als Eltern klären, wie wir die Elternzeit und die Kinderbetreuung organisieren. Dass wirklich beide Partner den Balanceakt zwischen Familie und Beruf geschlechtergerecht und gleichermaßen verantworten, ist eine bleibende Herausforderung.
Seit der Geburt ist unser Leben gefüllter, aber auch erfüllter.
Wer ein Kind bekommt, die und der hat einen Orientierungspunkt in das eigene Leben gelassen, von dem aus alles Übrige im Leben fortan gestaltet, relativiert, auf den Kopf gestellt, gleichzeitig aber auch bereichert und mit anderen Augen gesehen wird. Das bedeutet einen Verlust an Freiheit und Freizeit. Das bedeutet einen Zugewinn an Sorgen.
Unser Leben fühlt sich seit unserer Familiengründung jedoch nicht nur gefüllter, sondern insbesondere auch erfüllter an. Seitdem unsere Tochter in unserem Leben ist, haben wir etwas hinzugewonnen, von dem wir vorher nicht gewusst hatten, dass es uns gefehlt hat. Wir zählen gar nicht mehr, wie häufig uns bereits Tränen vor Glück gekommen sind.
Aktuell freuen wir uns täglich, mit unserer Tochter mithilfe von Gesten und ersten Worten zu kommunizieren. Wir staunen über ihre Lebensfreude, wie sie mit einem lautstarken Lachen alles Mögliche entdecken, erklettern und durcheinanderbringen mag.
Sorgen, Anstrengungen und die unglaubliche Freude über ein menschgewordenes Wunder.
Unzählige Menschen sind bereits vor uns Eltern geworden. Trotzdem sieht sich jedes werdende Elternpaar neuen und eigenen Herausforderungen und Anstrengungen gegenübergestellt.
Die Sorgen der heutigen Zeit zu Geburt und Elterndasein sind mit Sicherheit anders als zu der Zeit als Quirinius Statthalter von Syrien war. Und sie hören auch nicht bei der Geburt auf, ganz gleich ob das Kind in einem Stall oder einem Krankenhaus geboren wird. Neben den Sorgen und Anstrengungen ist aber vor allem eins da: die unglaubliche Freude über das menschgewordene Wunder.
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Johanna und Gerrit Spallek sind Eltern. Beide promovieren und sind in der Wissenschaft tätig. Sie ist Ingenieurin. Er ist Theologe und Redaktionsmitglied von feinschwarz.net.
Bild: Matthew Henry / BURST