Bischof Wilmer (Hildesheim) wirft der Theologie Oberflächlichkeit und mangelnde existenzielle Tiefe vor. Zu Beginn der synodalen Prozesse in Deutschland und der Schweiz legt Daniel Bogner eine Analyse der Kirchenkrise vor, die das Gegenteil nahelegt. Der Churer Pastoraltheologe Manfred Belok stellt das Buch für Feinschwarz vor.
Schon der Titel «Ihr macht uns die Kirche kaputt…» lässt aufhorchen. Ist die Kirche Jesu Christi, die, von ihm gegründet und auf sicherem Felsen errichtet (Mt 16,18) und immerhin über 2000 Jahre hinweg alle möglichen Stürme überstanden hat, wirklich kaputt zu kriegen? Wer sind die, die das tun? Wer jene, die sich im Aufschrei «Wir lassen das nicht zu» vehement dagegen stemmen?
Daniel Bogner, Professor für Allgemeine Moraltheologie und Theologische Ethik an der Universität Freiburg i. Ue., benennt sie. Auf der einen Seite sind es Bischöfe, die lange Zeit den Missbrauch von Macht (den sexuellen wie den Macht- und Gewissensmissbrauch durch Priester, Diakone und vorwiegend männliche Ordensmitglieder) in ihren Diözesen erst verdrängt, dann vertuscht und erst spät – in manchen Ortskirchen dazu recht zögerlich und nur halbherzig – mit der Aufarbeitung begonnen haben.
Es ist das Entsetzen und die Trauer, die gerade jene erfasst hat, die in der römisch-katholischen Kirche tief verwurzelt und beheimatet sind.
Auf der anderen Seite stehen die Kirchenmitglieder, die fassungslos und ungläubig staunen über das, was im Zuge der aufgedeckten Missbrauchsfälle bisher alles zutage kam an Verhalten, das Menschen im Vertrauensraum der seelsorglichen Begegnung tief verletzt und bei nicht wenigen gar Seelen zerstört hat. Es ist das Entsetzen und die Trauer, die gerade jene erfasst hat, die in der römisch-katholischen Kirche tief verwurzelt und beheimatet sind.
Bogner gibt diesem Entsetzen – seinem eigenen und dem vieler Mit-Christinnen und Mit-Christen – über den immensen Vertrauensverlust Ausdruck. Wütend fragen sie sich, wie dies alles passieren konnte. Ausgerechnet in ihrer Kirche, deren Amtsträger sich als von Gott selbst berufen sehen, die zudem für sich beanspruchen, aufgrund ihres Weiheamtes allein legitimiert zu sein, Christus repräsentieren und in persona Christi handeln zu können. Nicht zuletzt versteht sich das kirchliche Leitungs-, Lehr- und Hirtenamt dazu als moralische Instanz, befugt, den Mitgliedern der Glaubensgemeinschaft hinsichtlich ihrer Lebensführung, z.B. angesichts der vielfältigen Beziehungsformen heute (von nach zivilrechtlicher Scheidung Wiederverheirateten bis zur zivilrechtlichen «Ehe für alle»), verbindlich Weisungen zu geben.
«Wer ist schuld daran, dass sich die Kirche für viele so ‚vergiftet‘ anfühlt?»[1]
Das Grundvertrauen vieler in der römisch-katholischen Kirche jedenfalls ist – seit der ersten Aufdeckung 2010 von sexuellen Missbrauchsfällen an Minderjährigen und Schutzbefohlenen in den deutschsprachigen Bistümern – massiv erschüttert, bei manchen gar zerbrochen, da die Institution Kirche, und darin das kirchliche Leitungs-, Lehr- und Hirtenamt, ihre wichtigste Ressource, die Glaubwürdigkeit, verspielt hat. Denn nicht, wie eine Organisation sich selbst sieht, sich theologisch definiert und sich auf der jeweiligen Bistumshomepage präsentiert, sondern wie sie von außen wahrgenommen wird, ist entscheidend für ihr Ansehen, ihre Reputation[2].
Gerade die in ihrer Kirche verwurzelten und engagierten Christinnen und Christen sind es daher, die sich dagegen wehren, das ihnen «dieses einzigartige Projekt ‚Kirche‘ weggenommen wird, [sie als] Gläubige enteignet und heimatlos werden»[3]. Selbst die, für die die Kirche inzwischen zur «fremden Heimat» geworden ist. Pastoral sensibel stellt Bogner fest: «Die noch verbliebenen Kirchenmitglieder, aber ebenso die vielen, die aus der Institution Kirche ausgewandert sind, deren Sehnsucht nach kirchlicher Heimat aber geblieben ist, sie alle finden sich verlassen wieder, bar der metaphysischen und spirituellen Gehhilfen einer Glaubensgemeinschaft und ohne den Resonanzraum, den die Kirche bietet und der so nötig ist, um den eigenen Glauben in Zeit und Gesellschaft leben und weitertragen zu können»[4].
Für Daniel Bogner sind die Missbrauchsfälle in der römisch-katholischen Kirche der Auslöser, nach den tiefer liegenden Zusammenhängen des immensen Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust der Institution Kirche zu fragen. Denn offenbar erst jetzt fragen viele Kirchenmitglieder erschrocken: Was ist das für ein System, das «System römisch-katholische Kirche», das solch eklatante Risikofaktoren wie Macht- und Autoritätsmissbrauch geradezu begünstigt? Einigen dämmerte es bereits bei der Causa Bischof Franz-Peter Tebartz van Elst im Bistum Limburg in den Jahren 2008 – 2014.
Die entscheidende Frage: die Systemfrage
Entscheidend, so die Grundthese des Buches von Bogner, ist es, den Rahmen der römisch-katholischen Kirche, ihre Verfassungsstruktur und Rechtsordnung in den Blick zu nehmen. Diese Verfassungsstruktur stammt, im Vergleich zum freiheitlich demokratischen Rechtsstaat unserer Tage, aus Spätantike und Mittelalter, also aus «vorrevolutionärer Zeit»[5], und deren innere Logik ist grundverschieden von der des modernen Verfassungsstaates. Zum anderen schaut der Autor auf die Mentalitäten, auf «die Denk – und Handlungsweisen, die der verfassungsmäßigen Grundordnung folgen und [die] von den Akteuren oft blind verinnerlicht sind»[6], ja, aus Kirchenmitgliedern «obrigkeitsorientierte Befehlsempfänger»[7] werden ließ.
Zu Recht stellt Bogner daher fest: «Als katholisches Kirchenmitglied ist man Teil einer Gemeinschaft, die in den wichtigsten Punkten einer absolutistischen Monarchie gleicht. Die Ausübung von Herrschaft unterliegt keiner verbindlichen Kontrolle, die Kirchenleitung legitimiert sich nicht von denen her, die sie leiten soll, und sie kennt keine von dieser Leitung wirklich unabhängige Rechtsprechung»[8]. Die römisch-katholische Kirche kennt keine Gewaltenteilung, die die notwendige Ausübung von Macht auf unterschiedliche, strukturell voneinander getrennte Rollen verteilt und kontrolliert, um Willkür und Machtmissbrauch unterbinden und gegebenenfalls ahnden zu können. Sie ist damit völlig konträr zum Prinzip der politischen Ordnung, dem Credo des modernen Rechtsstaates, strukturiert. «Der Unterschied zur Kirche», so Bogner nüchtern, «ist frappierend.
Nicht Gewaltenteilung, sondern Gewaltenanhäufung ist Prinzip der Kirchenstruktur.
In der Person des Bischofs, der eine bestimmte Ortskirche leitet, vereinen sich die im staatlichen Bereich dreifach ausdifferenzierten Gewalten in einer einzigen Person. Der Bischof ist sowohl Regent seines Bistums, er erlässt (,promulgiert‘) kirchliche Gesetze und ist auch noch oberster Richter der kirchlichen Rechtsprechung. Anstelle von drei Gewalten, die sich gegenseitig begrenzen und kontrollieren, gibt es in der Kirche nur eine einzige Gewalt, personifiziert im Bischofsamt.»[9] Und weil die Amtsinhaber aufgrund ihrer Weihe nach theologischer Lehre direkten Anteil an der «heiligen Gewalt», der «potestas sacra» Christi, haben, kommt ihnen nach behaupteter «göttlicher Ordnung» monarchische, absolute Autorität zu, die sie – obwohl fehlbare Menschen – (fast) jeder Kontrolle entzieht.
Zwar findet auch in demokratisch verfassten Gesellschaften Macht- und sexueller Missbrauch statt – erinnert sei an US-Präsident Bill Clinton und seine sexuelle Beziehung mit der ihm untergebenen Praktikantin Monika Lewinsky Ende der 1990er Jahre. Dennoch belegt das durch das amerikanische Repräsentantenhaus eingeleitete (wenn auch erfolglos gebliebene) Amtsenthebungsverfahren – allein die Möglichkeit hierzu – die Evidenz einer auf Gewaltenteilung basierten Verfassung zum Schutz der Menschenwürde der Person.
Wein predigen, Wasser ausschenken. Über die Menschenwürde in der Kirche.
Gerade das Thema Missbrauch, so Bogner, «offenbart die verhängnisvolle Inkonsequenz, durch welche die Kirche in ihre gegenwärtige Krise geraten ist. In ihr ist zwar von der gleichen Würde aller Menschen vor Gott die Rede, diese gepredigte Würde ist aber nicht – wie das beim neuzeitlichen Verfassungsstaat der Fall ist – als Kriterium einer gleichen Freiheit aller Kirchenmitglieder zum bindenden Rechtsmaßstab erhoben worden.»[10] Den entscheidenden Grund für den immensen Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust der Institution Kirche, die sich zurzeit «toxisch» anfühlt, sieht Daniel Bogner in den «verknöcherte[n] Strukturen, deren dynamische Fortentwicklung von einem kleingeistigen, ideologischen Denken blockiert wird»[11].
Die kirchliche Verfassungsstruktur und Rechtsordnung – eine permanente Anleitung zur Schizophrenie
Die kirchlichen Strukturen konterkarieren die Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils, die von der Kirche als dem «Volk Gottes» spricht, von der Kirche als gleichberechtigter Gemeinschaft von Priestern und Laien, als Gemeinschaft von Gleichgesinnten und Gleichgestellten in der Nachfolge Jesu. Ebenso von der Eigenständigkeit der Ortskirchen in Gemeinschaft mit der Weltkirche. Stattdessen werden, so die innerkirchliche Wahrnehmung, die kirchlichen Strukturen von der Kirchenleitung (orts- und weltkirchlich) trotz aller Rede von der Kirche als einer «ecclesia semper reformanda» sakralisiert und als sakrosankt behandelt. «Für unsere politische Existenz», so Daniel Bogner, «würden wir niemals akzeptieren. was im kirchlichen Gemeinwesen noch Standard ist, die beinahe vollständige Abhängigkeit der Kirchenmitglieder von Entscheidungen, die andere Personen in Ämtern treffen, zu denen viele per se – etwa kraft ,falschen‘ Geschlechts – keinen Zugang haben und deren Handeln wir in keiner Weise verbindlich kontrollieren oder mitbestimmen können»[12].
Glaube und Strukturfragen gehören zusammen, sind eine Ellipse mit zwei Brennpunkten
Sich für Erneuerung und Vertiefung des Glaubens – wie im Mission Manifest angezielt[13] – einzusetzen, ist gut. Aber: Strukturfragen bewusst ausklammern, oder gar Glaube und Strukturfragen gegeneinander ausspielen zu wollen, wäre verhängnisvoll. Denn «es kann keine wirkliche Erneuerung des Christentums geben, wenn die kirchlichen Strukturen, also die institutionelle Präsenz des Glaubens in Welt und Gesellschaft, von innen angegriffen sind und ihre Funktion nicht mehr richtig erfüllen können. Geist und Struktur dürfen nicht auseinanderdividiert werden, denn sie bedingen sich wechselseitig»[14].
Die im «Wort der deutschen Bischöfe an die Gemeinden»[15] 2011 bereits enthaltene Aufforderung, angesichts der sexuellen Missbrauchsfälle «den Ruf zur Umkehr ernst zu nehmen und vertieft nach dem Willen Gottes zu fragen», darf nicht nur privatisiert auf jede/n Einzelnen in der Kirche verkürzt werden, sondern gilt auch der Kirche als Ganzes. Ist sie doch beides: «eine einzige komplexe Wirklichkeit» (Lumen gentium I,8), lebendiger Organismus, Leib Christi, und lernende Organisation, die sich zur Erfüllung ihre Auftrags immer wieder verändern muss: ecclesia semper reformanda.
Die schwärende Wunde der Kirchenkrise: die Ungleichheit der Geschlechter.
Den Mut zur Veränderung, den Mut, den immer wieder neu beschworenen Aufbruch endlich zu wagen, braucht es angesichts der fundamentalen Erschütterung des Vertrauens in die Glaubwürdigkeit der Kirche besonders in Hinsicht auf einen offenen «Dialog auf Augenhöhe» über Macht- und Kommunikationsstrukturen, über die Beteiligung aller Gläubigen an der gemeinsamen Verantwortung und auch den gleichberechtigten Zugang von Frauen und Männern zum kirchlichen Amt. Denn geweiht werden Personen aufgrund ihrer Berufung, nicht aufgrund ihres Geschlechts. «In ethisch-moralischer Hinsicht», so Bogner, «ist die sogenannte ,Frauenfrage‘ die schwärende Wunde der gegenwärtigen Kirchenkrise»[16].
Daniel Bogner wendet sich mit seiner Streitschrift nicht primär an die theologische Fachwelt. Diese hat die Gravamina der römisch-katholischen Kirche (fehlendes neuzeitliches Verfassungsrecht, ständiger Wechsel zwischen pastoral gestimmten Texten, die eine geschwisterliche, partizipative Kirche anzielen [Gaudium et spes], und dem Rekurrieren auf das Kirchenrecht, dem Codex Iuris Canonici, das dogmatische Vorgaben, die nicht hinterfragt werden sollen, schlicht zu einem angeblich «Göttlichen Recht» erklärt) immer wieder, wenn auch leider resonanzlos, thematisiert. Erinnert sei hier nur an die wegweisenden Arbeiten der Dogmatiker Hans Küng («Strukturen der Kirche», 1962) und Karl Rahner («Strukturwandel der Kirche als Aufgabe und Chance», 1972) sowie der Religions- und Kirchensoziologen Franz-Xaver Kaufmann («Kirche begreifen», 1979) und Michael N. Ebertz («Erosion der Gnadenanstalt?», 1998).
Ein Grundproblem: die Konkurrenz normativer Ordnungen in der Kirche.
Daniel Bogner richtet sich mit seiner Publikation vor allem an die vielen engagierten Christinnen und Christen, an das seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil so oft beschworene «Volk Gottes». Dieses ist sich der Diskrepanz zwischen der theologischen Rede von Kirche als dem «Volk Gottes» und der im römisch-katholischen Kirchenrecht, dem CIC/1983, definierten monarchischen Verfassungsstruktur der Institution Kirche, in der es «kein verbindlich wirksames System von check and balances [gibt], also Kontrollinstanzen, welche die kirchliche Herrschaftsausübung, die sich auf Argumente der Tradition beruft, begrenzen könnte»[19], weitgehend nicht bewusst.
Es scheint so, «als hätte die katholische Kirche eine im 19. Jahrhundert vorherrschende Interpretation der mittelalterlichen Theologie zu ihrem normativen Leitbild erkoren und käme jetzt nicht mehr davon los»[20]. So ist die römisch-katholische Kirche «eine von neuscholastischer Dogmatik und kanonischem Recht durchformte Organisation. Die Theologie hat sich freilich weiterentwickelt, sodass heute der berechtigte Eindruck entsteht, es gebe höchst unterschiedliche normative Ordnungen – ,alte‘ Theologie, ,neuere‘ Theologie, streng angewandtes Kirchenrecht, frei interpretiertes Kirchenrecht. […] Während die meisten engagierten Gläubigen und auch viele Hauptamtlichen in der Kirche meinen, eigentlich zähle doch das theologisch aktuelle Selbstverständnis der Kirche, funkt das nach einer viel älteren Logik getaktete Recht der Kirche immer wieder dazwischen»[21].
Der doppelbödige Begriff Synodalität: Synode oder nur «Prinzip der Synodalität»?
Die Rufe nach mehr Synodalität in der Kirche ist ein mit hohen Erwartungen beladenes Schlüssel-wort. Es verheißt eine «Alternative zu autoritär-zentralistischer Kirchenherrschaft von oben nach unten», einen zur Lösung anstehender Fragen gemeinsamen Such- und Entscheidungsprozess. «Man belebt ein altkirchlich überliefertes Strukturprinzip kirchlicher Entscheidungsfindung und hat damit», so Bogner, «ein Ersatzinstrument für die in kirchlichen Ohren so schrecklich dissonant klingende ,Demokratie‘ in den Händen – das aber zu ähnlichen Resultaten führen soll: mehr Beteiligung, mehr Gemeinschaftlichkeit zwischen Entscheidenden und Kirchenvolk, ein besseres Verständnis für die wechselseitigen Nöte und Bedürfnisse»[22]. Für Bogner ist Synodalität ein Containerbegriff, da unverbindlich, wie ja etwa der sogenannte Dialog- bzw. Gesprächsprozess der Deutschen Bischofskonferenz 2011 bis 2015 gezeigt hat. Dort wurde zwar über Partizipation geredet und vieles an symbolischer Synodalität inszeniert, aber strukturell nicht erfahrbar. Daher verpuffte er folgenlos.[23] Es braucht vielmehr «verbindlich zugesagte Möglichkeiten einer Partizipation nach dem Maßstab von Freiheit und Gleichheit»[24], die es bisher in der römisch-katholischen Kirche aber nicht gibt.
Schritte, die möglich und nötig sind
- Die Bischöfe sollten einen breit angelegten kirchlichen Verfassungsprozess einleiten, mit dem Ziel, «Defizite innerhalb der Kirchenverfassung zu beheben und zu diskutieren, wie man mit den unterschiedlichen, miteinander konkurrierenden [und oft einander widersprechenden] ,normativen Ordnungen‘ innerhalb der Kirche umgehen soll: Kirchenrecht, Konzilstexte, die lehramtliche Verkündigung»[25].
- Die katholischen Laien, wie sie z.B. im «Zentralkomitee der deutschen Katholiken» (ZdK) organisiert sind, sollten «das ZdK institutionell zu reformieren» suchen, finanziell vom Etat der Deutschen Bischofskonferenz unabhängig werden und überlegen, wie es «zu einem echten ,Kirchenparlament‘ umgestaltet» werden kann, in dem die Breite der deutschen Kirchenmitglieder nach einem «fairen und sinnvollen Schlüssel repräsentiert ist» und in dem auch die Kirchenleitungen – die Bischöfe – vertreten und ihm rechenschaftspflichtig»[26] wären.
- Die staatliche Politik, die die Religionsfreihit und das Selbstorganisationsrecht der Kirchen garantiert, sollte zur notwendigen Einmischung in die Kirche bereit sein. «Vorbild einer solchen ,einmischenden‘ Handlung der Politik könnte die Karriere der Menschenrechte in Bezug auf die zwischenstaatlichen Beziehungen sein.» Denn «es hat sich durchgesetzt, dass eine menschenrechtlich begründete Kritik der inneren Verhältnisse in einem anderen Staat nicht mehr als illegitime ,Einmischung‘ angesehen wird, sondern dass man das sogar als eine Verpflichtung betrachtet, die sich aus dem Ethos der Menschenrechte heraus ergibt»[27].
Im Hinblick auf den Beschluss der Deutschen Bischofskonferenz auf ihrer Frühjahrs-Vollversammlung im März 2019 in Lingen, «einen verbindlichen Synodalen Weg als Kirche in Deutschland» gehen zu wollen, «der eine strukturierte Debatte ermöglicht und in einem verabredeten Zeitraum stattfindet und zwar gemeinsam mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken»[28], ist zum einen zu wünschen, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dieser strukturierten Debatte die Streitschrift von Daniel Bogner als Vorablektüre zur inhaltlichen Einstimmung erhalten.
Und zum anderen, damit die Ernsthaftigkeit zu einem «verbindlichen Synodalen Weg als Kirche in Deutschland» nicht, wie der sogenannte Dialog- bzw. Gesprächsprozess 2011-2015, folgenlos bleibt und sich Enttäuschung und Resignationsgefühle verdoppeln, mögen alle Kirchenmitglieder sowohl das Wort von Max Weber beherzigen, der 1919 schrieb: «Die Politik bedeutet ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich»[29] als auch Bischof Stephan Ackermann, Trier, beim Wort nehmen, der auf dem 2. Ökumenischen Kirchentag 2010 in München sagte: «Was wir Bischöfe jetzt brauchen, ist die richtige Mischung aus Vertrauen und Druck von unten».
[1] Daniel Bogner: «Ihr macht uns die Kirche kaputt… doch wir lassen das nicht zu!» Freiburg i. Br. 2019, 12.
[2] Vgl. Urs Winter-Pfändler: Kirchenreputation. Forschungsergebnisse zum Ansehen der Kirchen in der Schweiz und Impulse zum Reputationsmanagement. St. Gallen 2015.
[3] Bogner, 158.
[4] Ebd. 134. Siehe auch: Manfred Belok: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Oder: Weil ich auch weiterhin Christ in der katholischen Kirche sein möchte. In: Judith Könemann/Thomas Schüller (Hg.): Das Memorandum. Die Positionen im Für und Wider, Freiburg i. Br. 2011, 83-103.
[5] Bogner, 20.
[6] Ebd. 14.
[7] Ebd. 64.
[8] Ebd. 20.
[9] Ebd. 22.
[10] Ebd. 28.
[11] Ebd.
[12] Ebd. 33.
[13] Vgl. https://www.google.com/search?client=firefox-b-d&q=mission+manifest+thesen (03.08.2019).
[14] Bogner, 138.
[15] Vgl. Im Heute glauben. Wort der deutschen Bischöfe an die Gemeinden v. 17.03.2011, hrsg. v. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 2011.
[16] Bogner, 71.
[17] Zollitsch, Was braucht die Kirche in Deutschland? In: Welt online v.20.02.2011: http://www.welt.de/politik/deutschland/article12591702/Was-braucht-die-Kirche-in-Deutschland.html (03.08.2019).
[18] Ebd.
[19] Bogner, 55.
[20] Ebd. 57.
[21] Ebd. 79f.
[22] Ebd. 97.
[23] Vgl. Manfred Belok: Wird der Aufbruch gelingen? Zum Gesprächsprozess der Deutschen Bischofskonferenz. In: Joachim Wiemeyer (Hg.): Dialogprozesse in der Katholischen Kirche. Begründungen-Voraussetzungen-Formen, Paderborn 2013, 113-132.
[24] Bogner, 68.
[25] Ebd. 144.
[26] Ebd. 146.
[27] Ebd. 148.
[28] https://dbk.de/themen/der-synodale-weg/ (03.08.2019).
[29] Max Weber: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund, München und Leipzig 1919, 66.
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Manfred Belok ist Professor für Pastoraltheologie und Homiletik an der Theologischen Hochschule in Chur.
Bild: S. Hofschlaeger – pixelio.de