Über Endlichkeit im Leben und die Endlichkeit des Lebens, des eigenen und das von anderen. Nachdenkliches von Silvia Strahm.
Das Wort klingt nach Abgeklärtheit, nach langem Nachdenken und abschliessender Einwilligung. Es klingt nach lebenskluger Gelassenheit – so ist das Leben eben, betrachtet man es realistisch, nüchtern, erwachsen. Es hat einen Anfang, es hat ein Ende. Man rät uns, dies nicht zu vergessen.
Die Zeit ist knapp, für unsereins ist sie knapp, sie reicht nicht ewig. Das sollten wir bedenken bei allem, was wir tun, was wir planen, was wir wünschen und wozu wir „später“ sagen. Irgendwann. Nicht jetzt. Wir vergessen es meist trotzdem. Wir spannen den Horizont weit. In alle Richtungen.
Die Zeit ist knapp, für unsereins ist sie knapp, sie reicht nicht ewig.
Doch man rät uns auch, im Moment zu leben, wirklich da zu sein, anwesend, jetzt, und nicht immer schon weiter und woanders. Hier und jetzt leben und zugleich das Ende im Blick? Ob das zusammengeht?
Wenn es geht, dann ist es grosse Kunst. Die meisten von uns sind keine KünstlerInnen. Die meisten von uns dilettieren, sind Laiendarsteller auf der grossen Bühne, auf der es keine Hauptprobe gibt, nur die Premiere. Dass der Vorhang sich schliesst, wissen wir alle und spielen trotzdem weiter und weiter als würde uns das nichts angehen.
Ab und zu stehen wir vor dem Ausgang, der letzten Tür, durch die jemand gegangen ist und immer jemand geht, und wir wissen, auch wir werden sie öffnen. Und wir wissen nicht, ob es nur ein Ausgang ist oder auch ein Eingang.
Wir sind Laiendarsteller auf der grossen Bühne, auf der es keine Hauptprobe gibt, nur die Premiere.
Dass einmal alles vorbei sein wird, zu Ende geht, nichts ohne ein Ende bleibt – es ist beängstigend, unausweichlich, schockierend, unannehmbar, unglaublich. Es ist aber auch erleichternd, erlösend und tröstlich. Weil alles endet, was unerträglich ist und schmerzt, was quälend ist und hoffnungslos.
Mehrdeutig, vielschichtig, subjektiv, situationsbezogen bleibt, was dazu zu sagen ist.
Ob man es gelassen sagt, ob man dabei erschrickt, ob man die Vorstellung begrüsst, als die einzig mögliche betrachtet – man beschreibt damit seine eigene Welt und was in ihr Gültigkeit besitzt. Mehr nicht. Und wie immer man „endlich“ sagt, man muss dafür hinstehen können vor all jene, denen in dieser Welt ein vorzeitiges, ungerechtes, grausames, unannehmbares Ende bereitet wurde.
Dass am Ende alles zu Ende ist, dies gelassen zu sagen ist eine beinahe luxuriöse Sicht jener, die reich beschenkt mit Glück und Gelingen des Lebens satt die Welt verlassen.
Wie immer man „endlich“ sagt, man muss dafür hinstehen können vor all jene, denen in dieser Welt ein vorzeitiges, ungerechtes, grausames, unannehmbares Ende bereitet wurde.
Endlich ist das, was wir kennen. Uns einen Ausgang zu denken und eine Tür, ist bereits vermessen. Türen sind Durchgänge. Immer. Und hinter einem Durchgang, da ist etwas. Etwas anderes. Ein Anfang eben. Von etwas anderem.
Mutig sei, wer die Türe streiche. Die Endlichkeit akzeptiere. Das Ende ohne Anfang. Einfach ein Schnitt und dann…eben nichts. Auch wenn es schwer fällt, „nichts“ zu denken. Wer eine Türe für möglich hält, ist feige, naiv, arrogant und egozentrisch. Denn vermessen sei es, entgegen aller Plausibilitäten, wissenschaftlicher zumal, sich über das Gegebene hinaus zu verlängern. Sich als etwas Besonderes zu sehen und Ausnahmeregelungen in Anspruch zu nehmen. Oder geht auch die Fliege durch die Tür und das ausgerupfte Gras?
Mutig ist aber auch, wer, ohne Gewähr, ohne Anhaltspunkte, ohne irgendeine Gewissheit, die Türe sieht und sie Eingang nennt. Zu etwas, das kein Ende kennt. Das etwas ganz anderes ist als alles, was man sich je hat vorstellen können.
(Silvia Strahm)