Was erwartet uns im beginnenden neuen Jahr? Lisa Kötter über die aktuelle Lage ihrer Erwartungen an die katholische Kirche.
Was in diesem Wort alles schwingt! Da steigt die fast kindliche Vor-Freude: Erwartung baldiger Wonne. Da wiegt sich Hoffnung in Erwartung des Lichtes nach der Dunkelheit, – nie ohne, dass der kleine oder große Bruder Zweifel den Kopf mitwiegt: Wird es gut ausgehen? Und da marschieren Strenge und Ernst heran: Man erwartet eine Entschuldigung, einen Rücktritt, ein angemessenes Verhalten!
Jede freudige Erwartung ist einer großen Skepsis gewichen
Gegenüber der römischen Kirche ist bei mir persönlich jede freudige Erwartung einer großen Skepsis gewichen, zwischen Zweifel und Strenge. Denn freudige oder hoffnungsvolle Erwartung setzen Vertrauen voraus. Dazu geben vergangene und gegenwärtige Ereignisse in Köln, Rom und aller Welt jedoch wenig Anlass. Hohe Ämter und saubere Fassaden sind und waren den römischen Herren, wie sich zeigt, schon lange wichtiger, als das diesseitige Heil der Menschen. Der Menschen, die hofften und glaubten, diese Kirche möge Gottes* Liebe und Erbarmen auf Erden verkörpern. Möge immer wieder neu Gott* zur Welt bringen.
Jesusfreund*innen, die erschüttert sind und tätig lieben
Es gibt tatsächlich Menschen in dieser Kirche, die das tun. Glaubhaft, tätig, laut oder leise, mutig, geschwisterlich. Für viele sind diese Menschen der letzte Grund, zu bleiben. Diese Menschen handeln jedoch, wie sie handeln, nicht wegen, sondern trotz der römischen Kirche. Es sind die, die die Hoffnung nicht aufgeben. Es sind Jesusfreund*innen, die Ihn erwarten, wann immer ein Mensch an ihre Tür klopft. Die nicht hinter prächtigen Mauern leben, sich und ihr Gewissen nicht verbergen hinter Kirchen-Herren-Recht und-Lehre und Gehorsam oder dem breiten Rücken von Papst XY. Sie stehen nicht in römischen Gewändern hinter Altären, sondern sitzen mit denen am Tisch, die ihre Nächsten sind. Und teilen. Und brechen. Und heilen. Gemeinsam. Es sind die, die sprachlos sind und erschüttert. Und mit-weinen. Die tätig lieben. Die, die unter den Menschen sind. Nicht über ihnen.
Dass die Paläste sich füllten mit den Heimatlosen
Unter den Menschen sein – das wäre meine Erwartung an eine Kirche, die von sich sagt, Jesus von Nazareth habe sie gewollt. Das wäre meine Erwartung, dass diese Kirche sich dem Wandel, den sie gerne im Munde führt, endlich hingäbe. Dass sie das Gottvertrauen hätte, das sie immerzu predigt und darum das Menschenvertrauen. Dass sie darum Gehorsamsforderung und Kontrolle fahren ließe, ihren Reichtum weggäbe und dann endlich mit den Verletzten und Entsetzten am Grunde ihrer Erschöpfung läge. Dass die Paläste sich füllten mit den Heimatlosen, die endlich warm duschen und sicher schlafen könnten. Dass alle satt würden an Körper und Geist und willkommen wären im heiligen Leben der Gemeinschaft, im allumfassenden Segen. Alle. Auch die halben und gespaltenen und übermütig sich verschwendenden. Auch die Spötter und die Ungläubigen. Das wäre meine Erwartung an eine jesuanische Kirche, dass sie das römische Gewandt ablegt und weint über all das Unrecht, das sie beging in diesem prächtigen Kleid. Dass sie endlich frei würde. Und damit des Bruders würdig, dessen Namen sie im Munde führt. Und der doch mit uns ist, in dieser Zeit. In jeder Zeit. An jedem Ort.
Nicht mehr hören von: Delegation des eigenen Gewissens an nächsthöhere Instanzen
Das wäre meine Erwartung, müsste ich nicht hören und lesen und sehen. Von gerichtfesten Gutachten und rechtlichen Winkelzügen. Von Delegation des eigenen Gewissens an nächsthöhere Instanzen. Von anachronistischen Zirkeln und mächtigen Kirchenherren, die alles, was an ihre Macht rührt oder ihre Glorie anzweifelt, als teuflischen Zeitgeist verleumdet. Von erstarrter Tradition, die selbstverliebt und narzisstisch angehimmelt wird. So sehr, dass da kein Platz mehr bleibt für Wandel. Kein Hinhören auf neue Erkenntnisse und Emanzipation, auf Demokratie und Menschenrechte.
Ich erwarte, dass die Mächtigen vom Thron steigen
Meine Erwartung der römisch-kirchlichen Macht gegenüber ist die strenge Erwartung der Reue. Nicht in Worten oder Rücktritten. Die interessieren mich nicht. Die sind wohlfeil oder werden mit Versorgungspöstchen in südlichen Regionen abgefedert. Ich erwarte, dass die Mächtigen vom Thron steigen. Ich erwarte Erlösung: Das göttliche Geheimnis entäußert sich aller Gewalt. Wird ein hilfloses Menschlein. Nichts löst mehr Liebe aus. Ich erwarte die Wirkmächtigkeit der Ohnmacht.
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Lisa Kötter ist freischaffende Künstlerin und Mitgründerin von „Maria 2.0“.
Bild: Ralf Baumgarten (c) bene! Verlag, Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG.