Familienstreit in der katholischen Kirche. Die Weltöffentlichkeit schaut zu – gespannt, frustriert, erwartungsvoll, ängstlich, hämisch. Perspektiven für die Familiensynode sind noch kaum absehbar. (Arnd Bünker)
Der Theologe und Soziologe Michael Brinkschröder hat es dennoch gewagt, Szenarien zu formulieren, die zumindest eine Eskalation des katholischen Familienstreits über den Umgang mit Homosexualität verhindern könnten.
Brinkschröder liefert eine therapeutische Hilfestellung für die vor der Zerrüttung stehende katholische Grossfamilie. In Rom beginnt in diesen Tagen die dringende Aussprache.
Für die widersprüchlichen Tendenzen bezüglich des Umgangs mit Homosexualität macht Brinkschröder kulturell und kontextuell unterschiedliche Menschenbilder aus. Auch wenn sich alle zur Homosexualität äussern, heisst dies nicht, dass alle das Gleiche meinen. Eine Einigung auf solcher Grundlage scheint aussichtslos.
Vier Szenarien für Kompromisse im Familienstreit
1. Regionalisierung der Pastoral
Wenn man keine gemeinsame Lösung hinbekommt, könnte ein Ausweg in der Zulassung regional unterschiedlicher Umgangsweisen mit Homosexuellen bestehen. Nationale und regionale Bischofskonferenzen würden aufgefordert, jeweils für ihren Bereich angemessene Lösungen zu suchen. Damit würde zumindest die pastorale Blockade auf Ebene der Weltkirche beendet. Zugleich wäre klar, dass die Suche nach weltweiten Antworten fortgesetzt werden müsste.
2. Ethisches Minimum
Dass schon der heutige Katechismus manchen katholischen Kirchenführern zu weit geht hinsichtlich der Forderung eines menschenwürdigen Umgangs mit Homosexuellen, hat die Synode 2014 sichtbar gemacht. Daher dürften grosse Erwartungen hinsichtlich einer Öffnung der Kirche für Homosexuelle und ihre Lebenssituationen unrealistisch sein. Denkbar wäre aber die Verständigung auf Mindeststandards, auf den Respekt vor der Würde der Person und die Ächtung schlimmster Formen der Diskriminierung.
3. Familienzusammenhänge wahrnehmen und würdigen
Homosexualität ist nicht nur die Prägung einer Person, sondern oft auch eine Herausforderung der Familie, der sie entstammt. Eine zustimmende Äusserung der Synode zur Notwendigkeit von seelsorglichen Angeboten für Familien mit homosexuellen Mitgliedern wäre zumindest ein erster Schritt, um die Wahrnehmung und vorsichtige Anerkennung der Betroffenen zu ermöglichen.
4. Freimütig das Gespräch suchen
Auf Dauer kommt die Kirche nicht an der Präsenz ihrer homosexuellen Mitglieder vorbei. Ein langfristig und weltweit angelegter Gesprächsprozess mit Homosexuellen könnte von der Synode angestossen werden. Ein solcher Gesprächsprozess, Brinkschröder spricht von einer „Dekade des Dialogs“, könnte sich mit Antworten Zeit lassen. So liesse sich Druck aus der überhitzten Debatte ablassen. Zugleich könnte die Praxis der Parrhesia, der freimütigen Rede, des offenen Gespräches, das trotz deutlicher Worte die Beziehung nicht abbrechen lässt, in der Kirche eingeübt werden.
Michael Brinkschröder hat den Stein der Weisen nicht gefunden. Kompromisse sind Kompromisse. Aber was bleibt der zerstrittenen Familie übrig, wenn sie eine Scheidung vermeiden will?
nachlesen: Michael Brinkschröder: Neue Offenheit oder alte Ängste? Homosexualität und gleichgeschlechtliche Partnerschaften als Thema der Familiensynode, in: Stephan Goertz (Hg.): „Wer bin ich, ihn zu verurteilen?“ Homosexualität und katholische Kirche, Freiburg 2015, 413 – 444.
nachlesen: Rezension des Buches bei feinschwarz.net