Der Klimagipfel ist noch in Gange – dazu passend rezensiert Franziska Loretan-Saladin (Luzern) ein Buch, das sich mit Fragen der Klimagerechtigkeit auseinandersetzt.
Während des UNO-Klimagipfels in Paris stellt sich die Frage, was jede und jeder ganz konkret zur Verringerung der Klimaerwärmung tun kann. Medien wie das Schweizer Fernsehen geben Tipps für den Alltag: Weniger Autofahren, auf Fleisch verzichten, weniger heizen.[1]
In dieses Umfeld passt das Buch mit dem dramatischen Titel „Rette uns, wer kann!“ von Anton Rotzetter, Annette Forster und Eva Opitz. Mit Blick auf die vorösterliche Fastenzeit entstanden, behält es seine Aktualität auch im Advent.
„Fasten für Klimagerechtigkeit“ – in diesem Untertitel klingt eine neue Dimension des alten und in vielen Religionen und Kulturen beheimateten Fastens an. Fasten hat neben der persönlichen und spirituellen Bedeutung eine konkrete Wirkung auf unser Klima, vor allem der Verzicht auf Fleisch schlägt dabei deutlich ins Gewicht.
Sosehr das Essen Geniessen sein soll, braucht es auch ethische Standards.
Sosehr das Essen Geniessen sein soll, braucht es auch ethische Standards, in der häuslichen Küche wie in der Gastronomie. Das Buch zeigt auf, dass es für weniger Fleischkonsum viele gute Gründe gibt:
- Solidarität mit den Armen: Land für Getreideanbau nicht zur Viehzucht enteignen;
- an ökonomischen Interessen orientierte Tierhaltung in Tierfabriken sowie quälerische Tiertransporte und Schlachtungen;
- philosophische und theologische Aspekte der Verbundenheit zwischen Mensch und Tier;
- ökologische Fakten: ein Menü ohne Fleisch belastet gemäss WWF die Umwelt zwei Mal weniger (vgl. S. 32).
Zu einer „Kultur des Brotes“ (Pier Paolo Pasolini, vgl. S. 10) anstelle von blindem Konsumismus ist daher das Motiv des ersten Teils des Buches. Positiv gewendet geht es um lebensfördernde Beziehungen unter den Menschen und zwischen Mensch und Schöpfung. Eine „Spiritualität der Schöpfung“ (S. 45ff) eröffnet einen Raum von Beziehungen zu allem, was lebt, in der Haltung des Franz von Assisi, dem die Schöpfung Bruder und Schwester war.
Der zweite Teil des Buches war für mich sehr informativ. Dokumentiert sind verschiedene Initiativen und Erklärungen von christlichen und kirchlichen Organisationen zum Klimawandel. Neben den Erklärungen des „Europäischen Christlichen Umwelt-Netzwerkes“ (ECEN), dem Aufruf der „Aktion Kirche und Tiere“ (AKUT), der Empfehlung des Lutherischen Weltbundes, wird unter anderem die Rede des Chefdelegierten der philippinischen Regierung am UNO-Umweltgipfel vom November 2013 in Warschau, Naderev M. Sano, abgedruckt. Seine Rede war geprägt von der schrecklichen Katastrophe, die der Taifun Haiyan kurz vor dem Gipfel über sein Land gebracht hatte. Die Rede ist so aktuell ist wie damals.
Ausführlich wird die Aktion der „Chrétiens unis pour la terre“ mit dem Aufruf „40 Tage ohne Fleisch und Fisch“ vorgestellt. Nicht nur die Aktion selbst, sondern auch deren Würdigung durch Vertreter_innen verschiedener christlicher Kirchen und Gemeinschaften in Frankreich und auch von einer Philosophin finden sich im Buch. Konkret wird es in den Grundregeln für gesundes vegetarisches Essen inklusive attraktiven Menüvorschlägen (S. 137-143) wie z.B. „Chili sin carne“ oder Polenta-Tomaten-Pizza.
Auf diese Aktion der „Chrétiens unis pour la terre“ nimmt auch die AKUT-Charta zur Fastenzeit 2014 Bezug, welche den dritten und letzten Teil mit spirituellen Impulsen zur Fastenzeit beschliesst. In der Fastenzeit 2014 verfasste Eva Opitz 40 Impulse, die jeden Tag auf der facebook-Seite von AKUT aufgeschaltet wurden und die nun im Buch abgedruckt sind.
Im Leiden Jesu kommt auf diesem Kreuzweg auch das von Menschen verursachte Leiden der Schöpfung entgegen.
Das erste Kapitel von Teil 3 enthält einen von Anton Rotzetter verfassten „Kreuzweg der Schöpfung“. Im Leiden Jesu kommt auf diesem Kreuzweg auch das von Menschen verursachte Leiden der Schöpfung entgegen. So spricht Jesus, der Kreuzträger, an den einzelnen Stationen zu den Menschen und lädt ein, nicht nur sein Leiden, sondern das Leiden der ganzen Schöpfung zu betrachten.
Zum Beispiel an der 4. Station unter dem Titel „Leidende Mutter“ (S. 222f):
Wie weh tut es mir,
meiner Mutter zu begegnen.
Sie leidet,
weil ich leide.
Mensch,
was tut ihr den Müttern an,
wenn ihr ihnen ihre Kinder nehmt,
wenn ihr sie einsperrt und foltert,
wenn ihr sie in die Armut treibt?
Mensch,
was tut ihr den Kühen und Schweinen an,
wenn ihr ihnen die Kälber und Ferkel stehlt,
wenn ihr sie mästet und tötet,
hört ihr nicht ihren Schrei?
Mensch,
was tut ihr Mutter Erde an,
wenn ihr ausbeutet, was sie hervorbringt,
wenn ihr ausrottet, was auf ihr lebt,
wenn sich Sonne und Mond verfinstern?
Hört den Schrei der Mutter
Hört ihn mit mir!
Im Zentrum des Kapitels mit spirituellen Impulsen für die Fastenzeit stehen 40 Impulse aus der Bibel, auf die jeweils ein Gedicht zur Meditation folgt.
Zum Beispiel „Lamm, nicht Wolf“ (S. 268f):
Geht! Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe (Lk 10,3)
Gehen.
Aufstehen und gehen.
Alle reissende Gier hinter sich lassen:
Die Sucht zu haben, heilen.
Nichts anderes begehren als das Leben,
das eigene und das der anderen.
Ein Lamm sein,
ohne Argwohn,
ein Schaf,
das niemand verletzt,
nur eines im Sinn:
Frieden.
Und so zu den Wölfen gehen
mit dem Risiko, gerissen zu werden.
Aber dennoch voll Hoffnung,
dass der Wolf das Reissen vergisst.
Warum soll denn der Mensch
Dem anderen Wolf bleiben wollen?
Warum soll nicht eine neue Weisheit entstehen?
Der Mensch ist dem Menschen ein Lamm!
Hier klingt für mich Adventliches an. Fasten für Klimagerechtigkeit in einem „Advent der Schöpfung“. Das Buch enthält Hintergründe und Material auch dafür und unterstützt entsprechende Aktionen in Pfarreien und Gemeinschaften.
Besprechung des Buches: Anton Rotzetter, Annette Forster, Eva Opitz, Rette uns, wer kann! Fasten für Klimagerechtigkeit, Freiburg Schweiz (Paulusverlag) 2015.
[1] Vgl. die Sendung „Kassensturz“ vom 1.12.2015: http://www.srf.ch/konsum/themen/umwelt-und-verkehr/konsum-und-klima-kleine-massnahmen-mit-grosser-wirkung