Erstmalig besucht ein Papst die Arabische Halbinsel. Der Besuch birgt viel Positives. Dennoch müssen Mahnung und Solidarität von Papst und Kirche transreligiöser werden, kommentiert Florian Jäckel.
„Historisch“ wird der Besuch von Papst Franziskus auf der Arabischen Halbinsel genannt. Auch für die vielen Christinnen und Christen in den Vereinigten Arabischen Emiraten, aber auch in weiteren Ländern wie Saudi Arabien, Qatar oder Bahrain, wo sie in den allermeisten Fällen als Arbeitsmigrant*innen leben, ist der Besuch sicherlich eine wichtige Ermutigung.
Es gibt viel Positives zu berichten und zu kommentieren im Zuge dieser päpstlichen Reise. So hat Franziskus angemahnt, dass Christ*innen im Nahen Osten volle Bürgerrechte zuerkannt werden sollen. Der Muslim Council of Elders, der eine interreligiöse Konferenz, den eigentlichen Anlass der Reise organisiert hat, spricht sich für ein friedliches Miteinander der Religionen aus. Vorsitzender und Gallionsfigur des Council ist Ahmad Mohammad al-Tayyeb, Großscheich der Azhar-Universität in Kairo, die oft als Sprachrohr der sunnitischen (und damit islamischen) Welt wahrgenommen wird.
Der Zuspruch des Papstes war vor allem an Christ*innen adressiert.
Trotz der nun positiven Resümees der Begegnungen sollten aber auch kritische Fragen gestellt werden: Wie weit ist es überhaupt her mit den „vollen Bürgerrechten“ im Nahen Osten, ganz unabhängig davon, welcher Religion die Bürger*innen angehören? Auch ökonomische und rassistische Ausgrenzung betreffen viele Arbeitsmigrant*innen am Golf, egal welcher Religion. Ebenso betrifft die patriarchale Unterdrückung von Frauen sowohl Christinnen als auch Musliminnen.
Sprechen wir, spricht der Papst stellvertretend für uns als Kirche allen Betroffenen explizit unsere Solidarität zu? Der Zuspruch des Papstes war vor allem an Christ*innen adressiert. Eher verhalten war die Ermutigung, was die Aspekte jenseits der Religion betraf. Seine Kritik bezog sich andererseits vor allem auf die eingeschränkte Religionsfreiheit und die militärischen Auseinandersetzungen in der Region, wobei sich auch die Gastgebenden angesprochen fühlen durften – immerhin!
Wertet der Papstbesuch die überwiegend autokratischen Staaten der Nahost-Region durch seinen Besuch politisch auf?
Außerdem ist zu fragen, ob der Papstbesuch die überwiegend autokratischen Staaten der Nahost-Region durch seinen Besuch politisch aufwertet, während diese weiterhin die angemahnten Bürgerrechte verwehren und die genannten Machtstrukturen stützen. In dieser Hinsicht ist außen- wie innenpolitisch im Nahen Osten in letzter Zeit ein bestimmtes Muster zu erkennen: Die Bekämpfung von Extremismus dient dazu, Kritikerinnen und Kritiker als „Unruhestifter“ einzuordnen und dadurch mit islamistischen Gewalttätern gleichzustellen. Sie werden damit vom Diskurs ausgeschlossen, auch mit Gewalt. Diversität und Pluralismus werden zwar bejaht, aber innerhalb festgesteckter Grenzen.
Das post-revolutionäre Ägypten unter Sisi beispielsweise geht härter denn je gegen Kritiker*innen vor. Großscheich al-Tayyeb (wie übrigens auch der koptische Papst) tritt allgemein für gesellschaftlichen und dabei auch für interreligiösen Frieden ein. Wie leicht die Einbindung dieser – grundsätzlich zu begrüßenden – Position in den Diskurs des autokratischen Regimes möglich ist, eröffnet sich leicht. (Und zwar nicht nur denjenigen, die um die fortschreitende Eingliederung der Azhar in die Politik des modernen Nationalstaats Ägypten wissen – was, nebenbei bemerkt, geignet ist, die Wahrnehmung der Institution als Sprachrohr der gesamten islamischen Welt etwas einzutrüben…)
Die wiederkehrende Mahnung von Franziskus, an die Ränder zu gehen, muss in ihrer Solidarität transreligiöser werden.
Kurzum: Der Besuch des Papstes am Golf birgt viel Positives – gerade für die christlichen Arbeitsmigrant*innen vor Ort, von denen einige übrigens auch aus arabischen Ländern stammen. Dennoch muss die wiederkehrende Mahnung von Franziskus, an die Ränder zu gehen, in ihrer Solidarität transreligiöser werden. Die berechtigte Forderung nach Religionsfreiheit für die eigene Kirche und Christ*innen insgesamt darf auch die Religionsfreiheit der Andersgläubigen mitmeinen – oder wer glaubt ernsthaft, Muslim*innen könnten ihren Glauben in einer Autokratie frei leben? Die Freiheit der Religion wiederum muss unbedingt zusammen mit weiteren Bedingungen für ein menschenwürdiges Leben eingefordert werden.
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Florian Jäckel ist katholischer Theologe und Islamwissenschaftler.
Bild: Günther Simmermacher / pixabay.com
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