Der heutige Weltfrauentag lädt zu einem Blick in die eigenen Reihen ein. An der Frage der Frauen in kirchlichen Ämtern scheiden sich die Geister. Umso mehr gilt es, die Diskussion aufrecht zu halten, Reformbemühungen zu unterstützen und für Gerechtigkeit zu kämpfen. So auch auf dem ökumenischen Kongress „Frauen in kirchlichen Ämtern“ im Dezember 2017 in Osnabrück geschehen. Der Tagungsband erscheint noch; Margit Eckholt gibt uns schon jetzt einen Einblick in die Debatten.
Die im Vorfeld des Gedenkjahres der Reformation veröffentlichten Dokumente – auf internationaler Ebene „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“ (2013) und im deutschen Kontext „Erinnerung heilen – Jesus Christus bezeugen“ (2016) – haben deutlich gemacht, „dass bei allen ökumenischen Annäherungen bis heute grundlegende Fragen des Kirchen- und des Amtsverständnisses nicht gemeinsam beantwortet sind“. Wer aber auf der institutionellen Ebene nicht mehr nach einem Ausgleich der ämtertheologischen Positionen sucht, riskiert den Eindruck, überhaupt nicht mehr an ökumenischer Einheit interessiert zu sein. Und diese Herausforderung wird noch komplexer, wenn die Frage nach Frauen in kirchlichen Ämtern gestellt wird. In den Kirchen der Reformation und der altkatholischen Kirche ist die Ordination von Frauen seit Mitte des 20. Jahrhunderts möglich. Allerdings wurde auch diese erkämpft und der „Not“ der Gemeinden in der Kriegs- und Nachkriegszeit geschuldet.
Wer aber auf der institutionellen Ebene nicht mehr nach einem Ausgleich der ämtertheologischen Positionen sucht, riskiert den Eindruck, überhaupt nicht mehr an ökumenischer Einheit interessiert zu sein.
Die orthodoxen Patriarchate von Alexandrien und von Jerusalem haben im Jahr 2017 die Diakoninnenweihe wieder eingeführt, und auch in der armenisch-apostolischen Kathedrale in Teheran wurde am 25. September 2017 die 24-jährige Anästhesistin Ani-Kristi Manvelian zur Diakonin geweiht. In der katholischen Kirche hat die lehramtliche Position, wie sie Johannes Paul II. 1994 – unter Rückbezug auf Paul VI. – in „Ordinatio sacerdotalis“ (1994) formuliert hat, dass die Kirche nicht die Vollmacht habe, Frauen zu weihen, hohe Verbindlichkeit.
Die in der katholischen Kirche vertretene exklusive geschlechtsspezifische Repräsentationsvorstellung brüskiert die Kirchen der Reformation.
Die exklusive geschlechtsspezifische Repräsentationsvorstellung wird aber durch die verantwortliche Mitarbeit von Frauen in den frühchristlichen Gemeinden und ihre charismatische Gleichberechtigung durch die Gaben des Heiligen Geistes infrage gestellt, und sie brüskiert die Kirchen der Reformation, in denen Frauen in allen Dienstbereichen wirken und im Segen handeln. Ist die Frauenordination darum Motor oder Hindernis für die „sichtbare Einheit“ der christlichen Kirchen? Und ist die Zeit nicht reif, dass weitergehende Reformbewegungen in allen christlichen Kirchen angestoßen werden im Blick auf eine stärkere Sichtbarkeit von Frauen in Führungspositionen der Kirchen und auch in kirchlichen Ämtern?
„Frauen in kirchlichen Ämtern. Reformbewegungen in der Ökumene“ (Kongress, Dezember 2017 in Osnabrück)
Das war Ausgangspunkt für die Durchführung des Ökumenischen Kongresses[1] zur Frage nach „Frauen in kirchlichen Ämtern. Reformbewegungen in der Ökumene“, den die katholischen Theologinnen Margit Eckholt, Institut für katholische Theologie/Universität Osnabrück, und Dorothea Sattler, katholisch-theologische Fakultät/Universität Münster zusammen mit den evangelischen Theologinnen Ulrike Link-Wieczorek und Andrea Strübind, beide Institut für evangelische Theologie/Universität Oldenburg, vom 6. bis 9. Dezember 2017 an der Universität Osnabrück durchgeführt haben. Auf dem Kongress, an dem ca. 200 Personen aus dem ganzen Bundesgebiet teilgenommen haben, darunter viele Studierende der katholischen und evangelischen Theologie der Universität Osnabrück, wurden aus wissenschaftlicher Perspektive die Argumente geprüft, die lange nach dem Beginn der Reformation in der protestantischen, anglikanischen und altkatholischen Kirche zu einer Öffnung im Hinblick auf die Teilhabe von Frauen an allen kirchlichen Ämtern und Diensten geführt haben.
Die Osnabrücker Thesen wurden verabschiedet.
Eröffnet wurde der Kongress durch die Vorträge des Bischofs von Osnabrück, Dr. Franz-Josef Bode, Vorsitzender der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz und der Unterkommission für Frauen, zum Thema „´Und sie bewegt sich doch´. Schritte und Bewegungen im Miteinander von Frauen und Männern in der Katholischen Kirche“, und von Prof. Dr. Eva-Maria Faber von der Kirchlichen Hochschule in Chur/Schweiz zum Thema „Tradition, Traditionskritik und Innovation. Auf dem Weg zu geschlechtergerechten Amtsstrukturen in der römisch-katholischen Kirche“. Es gab immer wieder Innovationen in der Geschichte der Kirche, gleichzeitig sind gute Traditionen abgebrochen. Diakoninnen wurden im ersten Jahrtausend unter Gebet und Handauflegung ordiniert.
Es gab immer wieder Innovationen in der Geschichte der Kirche, gleichzeitig sind gute Traditionen abgebrochen – das ist begründungspflichtig!
Die Veränderung dieser Praxis, die zum Ausschluss von Frauen aus den kirchlichen Diensten führte, ist begründungspflichtig. Im Sinne der in den Schrifttexten grundgelegten gleichen Würde von Frau und Mann gilt es, so eines der zentralen Ergebnisse des Kongresses, Traditionskritik zu üben und die Rezeption der wissenschaftlichen Diskurse auch auf lehramtlicher Ebene einzufordern. Das gilt für die biblischen, historischen, systematisch-theologischen und kirchenrechtlichen Studien. Das Apostelamt, ein Argument, das in lehramtlichen Texten immer wieder herangezogen wird, ist nicht, wie die exegetischen Beiträge des Kongresses deutlich machten (Prof. Dr. Michael Theobald, Tübingen, und Prof. Dr. Christine Gerber, Hamburg), den Männern vorbehalten. Apostel ist, wer glaubt, wer in der Nachfolge Christi steht und aus der empfangenen Sendung zum Zeugen bzw. zur Zeugin des Evangeliums wird und darin Jesus Christus repräsentiert. Apostolizität ist so eine im österlichen Christus-Geschehen begründete Berufung (so auch Prof. Dr. Dorothea Sattler in ihrem Vortrag).
Die Text des II. Vatikanischen Konzils betonen die Würde der Frau – ihre Umsetzung zeigt noch Potenzial.
Die in der Taufe begründete Zugehörigkeit zu Jesus Christus überwindet die sozial oder religiös begründeten Grenzen zwischen Juden und Griechen, Sklaven und Freien, Mann und Frau (vgl. Gal 3.28). Darauf bezieht sich in der katholischen Kirche das 2. Vatikanische Konzil, die Betonung der gleichen Würde von Mann und Frau ist einer der Leitsätze des Konzils. Die in den Konzilstexten grundgelegten ekklesiologischen Aufbrüche und neuen Perspektiven für das Kirchen- und Amtsverständnis führen in eine neue Weite und sind auch von ökumenischer Relevanz, theologisch erschöpfend behandelt sind diese neuen Perspektiven jedoch nicht (so der Vortrag von Prof. Dr. Margit Eckholt). In der deutschsprachigen und vor allem internationalen feministischen Theologie sind seit den 1970er Jahren Debatten um das kirchliche Amt für Frauen geführt worden, die fundierten wissenschaftlichen Argumente – wie sie z.B. von Elisabeth Gössmann oder Ida Raming vorgelegt worden sind – sind bislang nicht entsprechend rezipiert worden.
Ausübung kirchlicher Ämter als Prüfstein der Glaubwürdigkeit der Verkündigung des Evangeliums
Darum war es auf dem Kongress von Bedeutung, über gendertheoretisch orientierte Beiträge diese feministisch-kritischen und befreiungstheologischen Ansätze weiter zu entfalten, die Geschlechterpolarität aufzubrechen und Geschlechtergerechtigkeit bei der Übernahme und der Ausübung kirchlicher Ämter als Prüfstein der Glaubwürdigkeit der Verkündigung des Evangeliums zu sehen. In den Vorträgen von Prof. Dr. Isolde Karle (Universität Bochum), Prof. Dr. Christine Gerber (Universität Hamburg) und Prof. Dr. Saskia Wendel (Universität Köln) wurden diese prospektiven Gender-Perspektiven für das Amtsverständnis vorgelegt und neue ökumenische Synergien entdeckt. Frauen kommt in anthropologischer Hinsicht die volle Gottebenbildlichkeit zu, in christologischer Hinsicht die volle Christus-Repräsentanz, es geht um Inklusion, nicht Exklusion, um je neue Grenzüberschreitungen, so wie es Jesus immer wieder getan hat; er hat Grenzen von Klassen, Ethnien und Geschlechtern überschritten. In ihm hat Gott – das hat Prof. Dr. Saskia Wendel in ihrem Vortrag vertieft – die ganze menschliche Natur angenommen, nicht nur das Männliche, und gerade darum können nicht exklusiv nur Männer „in persona Christi“ handeln. Wichtig ist es, ein neues Verständnis der Repräsentation zu entwickeln; sie ist nicht ontologisch zu verstehen, sondern stellt einen „Vollzugsbegriff“ (Saskia Wendel) dar. Dort, wo die Nachfolge Jesu Christi gelebt wird, vollzieht sich Kirche als Volk Gottes, und dort wird „in persona Christi“ gehandelt, wo das entsprechende Christuszeugnis gegeben wird.
Bereits die Tradition zeigt: Die Möglichkeiten für einen Neuanfang gehen nicht aus.
Die mit dem Kongress verbundene Hoffnung ist, dass Bewegung in eine seit langem stagnierte Debatte um Ämter und Dienste in der Kirche kommt und dass deutlich wird, dass diese Fragen in Zukunft nur gemeinsam – von Männern und Frauen – zu beantworten sind.
In diesem Zusammenhang war der Blick auf die Relektüre mystischer Traditionen höchst befreiend. Prof. Dr. Christine Büchner, Hamburg, hat diese oft ausgegrenzten Traditionen beleuchtet und ihre Relevanz für die Debatten um Ämter für Frauen fruchtbar gemacht. Mystische Perspektiven helfen, weil sie sich Grenzziehungen und Polaritätsmodellen entziehen; sie weisen darauf hin, dass Gott immer der „Andere unserer Ausgrenzung“ bzw. „Abgrenzung“ ist, dass eine neue und weitere Partizipation am Amt möglich sein kann. Sie tragen dazu bei, dass Komplexitäten nicht reduziert werden und sie lassen vor allem auch Unsicherheiten und Fluidität in der Ekklesiologie zu, sie helfen zu einer „Einübung in die Ungewissheit“ und dazu, die neuen „Geburtsprozesse“ zu unterstützen. Möglichkeiten für einen Neuanfang gehen nicht aus, das machen mystische Traditionen deutlich.
Der Kongress wird etwas in Bewegung bringen.
Der Kongress wird etwas in Bewegung bringen, das haben viele der Teilnehmer*innen am Abschluss des Kongresses rückgemeldet, das war aber auch den Kongressbeiträgen des Ortsordinarius von Osnabrück zu entnehmen. Die Veranstalterinnen sind Bischof Dr. Bode dankbar für seine Offenheit und Unterstützung bei der Vorbereitung und Durchführung des Kongresses, der ein in der katholischen Kirche immer noch brisantes Thema behandelt hat und in diesem Sinn für den deutschsprachigen Raum als sicher „historisches Ereignis“ einzustufen ist.
Gottes Geist wirkt in der Geschichte und geschlossene Türen werden von ihm geöffnet.
Die am Ende des Kongresses verabschiedeten „Osnabrücker Thesen“ sollen dem zukünftigen ökumenischen Gespräch und dem Gespräch mit den Kirchenleitungen wichtige Impulse geben. Es bedarf der Fortsetzung der gemeinsamen Bemühungen in diesen Fragen, denn: Ohne eine Thematisierung der Frage der Ordination von Frauen wird es keinen Weg geben, die sichtbare Einheit der Kirchen zu erreichen, und die bleibende Herausforderung im Blick auf Geschlechtergerechtigkeit verbindet alle christlichen Kirchen. Deutlich wurde und wird in all´ dem: Gottes Geist wirkt in der Geschichte und geschlossene Türen werden von ihm geöffnet, sie können auf dem Weg der Kirche in die Zukunft nicht geschlossen gehalten werden. Das gilt auch für die Frage nach Frauen in kirchlichen Ämtern.
[1] Es geht im Folgenden nur um einen kurzen Blick auf den Ökumenischen Kongress an der Universität Osnabrück „Frauen in kirchlichen Ämtern“ (6.–9. Dezember 2017), nicht um eine detaillierte Berichterstattung. Viele der qualifizierten Kongressbeiträge können hier nicht angesprochen werden. Die Kongresspublikation soll im Herbst 2018 vorgelegt werden.
Margit Eckholt ist Professorin für Dogmatik und Fundamentaltheologie am Institut für Katholische Theologie der Universität Osnabrück. Sie ist zudem Vorsitzende von AGENDA Forum katholischer Theologinnen e.V.
Foto: Elena Scholz, Universität Osnabrück
Weitere Beiträge von Margit Eckholt auf www.feinschwarz.net:
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