zur Stärkung des christlichen Zeugnisses.“ So ist das Ziel des Synodalen Weges der katholischen Kirche in Deutschland formuliert. Auf feinschwarz.net sprechen Teilnehmer*innen über ihre Erfahrungen, Befürchtungen und Erwartungen.
Sr. Bettina Rupp SSpS, Steyler Missionsschwestern
entsandt durch: Deutsche Ordensoberenkonferenz
Als die Anfrage zur Teilnahme am Synodalen Weg über unsere Provinzleiterin an mich kam, war es zunächst ein inneres Ringen, ob ich teilnehmen soll. Die Versammlung ist mit hochkarätigen Theolog*innen besetzt, auch Professor*innen sind dabei, die alle fundiert argumentieren können. Da habe ich schon kalte Füße bekommen. Aber es überwog doch schnell der Gedanke, dass ich der Einladung, die Kirche aktiv mitzugestalten, auf jeden Fall folgen möchte. Ich möchte mich als Ordensfrau in der Versammlung mit meinem Charisma und meiner Profession einbringen. Ich bin als Sozialarbeiterin jeden Tag mit Menschen am Rand der Gesellschaft in Kontakt, die auch eine Stimme in der Synodalversammlung brauchen, sind sie es doch, die in der Botschaft Jesu in der Mitte stehen.
Ich erwarte, dass sich auf Augenhöhe miteinander ausgetauscht wird und konkrete Pläne entworfen werden, wie diese Inhalte umgesetzt werden. In den Papieren ist immer wieder die Rede davon, dass die Kirche, wir alle das Volk Gottes sind. Daher muss es für mich noch über die vier Synodalforen hinausgehen. Wir müssen weg von der Frage, ob Männer oder Frauen die besseren Amts- oder Entscheidungsträger sind. Viel wichtiger ist es doch zu fragen, wer passt zu einem Amt, wer kann diese Funktion am besten ausüben. Es ist die Frage der Berufung. Das Geschlecht ist dabei nicht entscheidend.
Wir müssen nicht mehr über die Sorge der Einheit sprechen, denn die Spaltung gibt es längst. Es geht vielmehr um die Vielfalt in Einheit. Ich wünsche mir eine Kirche die Pluralität als einheitsstiftendes Merkmal sehen kann. Es ist also für mich ein geistlicher Prozess, den ich mir erhoffe. Ich wünsche mir, dass wir eine Kirche werden, die nicht auf alles eine Antwort hat, sondern sich auf die Suche einlässt, die demütig bleibt und so über sich hinauswächst. Wir brauchen eine Umkehr zum ‚Größerdenken‘. Dass man mehr findet, als man sucht. Dann kann der Heilige Geist in seinem Volk wirken, unsere Erwartungen überhöhen.
Umkehr zum Größerdenken!
Beim letzten Generalkapitel, dem wichtigsten Entscheidungsorgan der Steyler Missionsschwestern sprachen wir über unseren Einsatz für die Armen und haben uns neu definiert: vom „Einsatz für und mit den Armen“ hin zu „in Gemeinschaft mit den Armen“. Das war ein dynamischer, ein geistgeführter Prozess, dessen Ausgang vorher keine so wissen konnte. Dass wir mit den Armen leben wollen und nicht für sie, haben die Schwestern entschieden. Das ist nicht nur basisdemokratisch, sondern eine gemeinschaftliche Entscheidung, die Resultat des Hörens auf den Geist Gottes war. Und die Leitung hat vom Kapitel den Auftrag bekommen, dafür Sorge zu tragen, dass diese Entscheidung umgesetzt wird. Daher hoffe ich, dass aus der Synodalversammlung mehr Impulse ausgehen, als jetzt angedacht sind. Es wird spannend.
Pfarrer Christoph Uttenreuther, Dekan des Dekanats Bamberg
entsandt durch: Diözesane Priesterräte
Im Priesterrat der Erzdiözese Bamberg habe ich mich als Delegierter für den synodalen Weg selbst beworben, weil ich mich für Reformen in der Kirche einsetzen möchte und in dieser Versammlung die letzte Chance für die katholische Kirche sehe, doch noch etwas aus der Missbrauchsstudie zu lernen und die dort geforderten Konsequenzen zu ziehen. Ich halte deutliche Signale und Forderungen Richtung Rom und Weltkirche für geboten, sehe aber zugleich auch konkrete Möglichkeiten für mehr kirchliche Mitbestimmung und Beteiligung von Laien und damit auch von Frauen, die nicht in weltkirchliche Zuständigkeit fallen. Dass mich der Rat, dem meine Positionen bekannt sind, mehrheitlich gewählt hat, überraschte mich sehr und ist mir Ermutigung.
Angesichts der Beratungsresistenz mancher Bischöfe und der guten Vernetzung der Rückwärtsgewendeten gehe ich jedoch auch mit großen Befürchtungen nach Frankfurt. Ein Blick in das Arbeitspapier des Forums Sexualmoral mit seinen zwei Spalten gegensätzlicher Positionen offenbart, welche Katastrophe droht. Unverständlich ist für mich, dass Wunibald Müller und Klaus Mertes in den Foren nicht beteiligt waren. Ich hoffe sehr, dass sie im Synodalen Weg zu Wort kommen.
Informationen, was uns konkret dort erwartet, fließen noch recht spärlich. Zeit und Kraft, die einem Pfarrer in der Gemeindeseelsorge für die Vorbereitung bleiben, sind begrenzt. Dennoch nehme ich hoch motiviert teil. Jeder Schritt in die richtige Richtung ist besser als nichts.
Dr. Barbara Wieland, Diözesanrat der Katholiken im Bistum Limburg
entsandt durch: Zentralkommitee der Deutschen Katholiken
Die Frage nach meinen eigenen Erwartungen an den Synodalen Weg der Kirche in Deutschland ist mir in den letzten Wochen sehr oft gestellt worden. Eine einfache Antwort finde ich darauf nicht. Meine Überlegungen gehen in drei Richtungen:
1. Welche Bedeutung messe ich der Synodalität im kirchlichen Leben zu?
Mir, als langjähriger Mandatsträgerin in synodalen Gremien, sind Überlegungen von P. Medard Kehl SJ (PTH Sankt Georgen) wichtig geworden, die er so formuliert: Das „Verhältnis von hierarchischem und synodalem Strukturelement, also von Amt und Mandat“1 ist spannungsvoll. Mit dem Pastoraltheologen Hanspeter Heinz lässt sich von der „Notwendigkeit einer ‚Vertrauensspirale‘“ sprechen, d.h. von einem sich „‚positiv verstärkenden Regelkreis aus Vertrauensvorschuss (vonseiten der Gläubigen dem Amt gegenüber) und Machtaskese (vonseiten des Amtes den Gläubigen gegenüber)‘. Das bedeutet: Beide Seiten sollten von der unbestrittenen Voraussetzung ausgehen, dass auch die gegenüberliegende Seite auf den Geist Gottes hört und zum Wohl der Kirche agieren will, auch wenn die Meinungen über bestimmte Themen mehr oder weniger stark auseinandergehen. […] Nur da, wo auf beiden Seiten dieser Vertrauensvorschuss gewährt wird, wo also ein ehrlicher Wille zur gemeinsamen Suche nach dem Willen Gottes für seine Kirche heute gegeben ist […], öffnen sich auch Wege zu einem ausbalancierteren Verhältnis zwischen hierarchischen und synodalen Strukturelementen in der Kirche.“[1] Bei allen auch selbst erfahrenen Schwächen in der Umsetzung der Synodalität: eine dem Evangelium und der Tradition der Kirche angemessenere Form, den gemeinsamen Weg zu gestalten, muss erst noch gefunden werden.
2. Wie stellt sich für mich die Situation vor Beginn der ersten Synodalversammlung dar?
Die Ausgangsbedingungen scheinen denkbar ungünstig: Obwohl seit dem Jahr 2010 vermehrt Fälle sexuellen Missbrauchs durch Kleriker aufgedeckt und öffentlich gemacht wurden, gibt es bislang nicht für alle deutschen Diözesen Antworten auf die Fragen: Wer war Täter? Wer hat zur Vertuschung beigetragen? Wie hat sich die katholische Kirche den Opfern zugewandt? Einige Bischöfe sind mutig vorangegangen, in anderen Diözesen – so auch im Bistum Limburg – wird derzeit intensiv an diesen Fragestellungen gearbeitet.
Der Weg, dem drastischen Vertrauensverlust der Kirche zu begegen, begann holprig: Die Einladung wurde einseitig seitens der Bischofskonferenz ausgesprochen; es gab vor der Bekanntgabe keine gemeinsamen Überlegungen von DBK und ZdK über Weg und Ziel und nicht zuletzt: Es gibt im Beschreiten des Synodalen Wegs eine große Ungleichzeitigkeit in der Teilnehmer*innenschaft, positiv formuliert, eine sehr bunte Weggemeinschaft. Einerseits ist da die Gruppe von 69 Bischöfen, ferner 27 Priestern aus den diözesanen Priesterräten und die beiden Abgeordneten der Konferenz der Generalvikare. Insgesamt umfasst die Zahl der Kleriker (Bischöfe, Priester und Diakone) fast die Hälfte der Synodalversammlung. Andererseits sind da Männer und Frauen, die entweder ein Mandat ausüben oder in die Versammlung berufen worden sind: als Ordenschrist*innen, als Mitglieder von Geistlichen Gemeinschaften, für Berufsgruppen und in Delegation unterschiedlichster katholischer Verbände sowie als Einzelpersonen. Die Mitglieder aus den diözesanen Räten, die als Vertretung der Katholik*innen Deutschlands auf Grundlage des Laiendekrets des II. Vatikanischen Konzils gewählt wurden, sind mit 27 Personen überschaubar, doch die Erwartung der hinter ihnen stehenden Diözesanen hoch.
Die medialen Äußerungen im Vorfeld lassen keine Harmonie, sondern eher ein Stimmengewirr erkennen. Eigentlich wissen es doch alle: schrille Töne helfen gar nicht weiter, zersetzende Kritik ebenfalls nicht. Doch bei allem, was ich kritisch sehe, möchte ich das Verbindende stärker gewichten als das Trennende: Wir alle sind verbunden durch die Gemeinschaft, die in der Taufe gründet, das ist ein ganz starkes und unlösbares Band.
3. Wie kann die erste Versammlung zu einem richtungsweisenden Ereignis werden?
Ich sehe den Synodalen Weg als geistlichen Weg. Darunter verstehe ich, sich im Ringen um einen Weg, der dem Evangelium entspricht, immer neu des tragenden Grundes im Glauben zu vergewissern, um sich nicht zu zerstreiten. Der Tagungsort im Frankfurter Dom gibt uns dafür mit seinem Patron, dem Apostel Bartholomäus, dessen Schädelreliquie hier aufbewahrt wird, Richtung und Weisung. Der Neuanfang, den die Kirche in Deutschland setzt, findet seinen Ursprung in der Nähe zum Auferstandenen, in seinem Tod und seiner Auferstehung. Bartholomäus war es, der im Kreis der Apostel mit Maria im Abendmahlssaal die Sendung des Heiligen Geistes empfing. In diesem Ereignis gründet die sakramental verstandene Kirche. Vom Abendmahlsaal gingen die Apostel in alle Welt, um das Evangelium zu verkünden. In ihrer Spur gehen wir heute weiter in die Zukunft. An Pfingsten wird im Kaiserdom der „Gottesdienst der Sprachen und Nationen“ gefeiert. Diese Feier ist ein sprechendes Zeichen dafür, dass Ortskirche in die Weltkirche eingebunden ist und wir uns durch das Glaubenszeugnis der Katholik*innen aus aller Welt beschenken lassen dürfen.
Damit der Beginn des Synodalen Wegs gelingt, bedarf es der Stärkung der „Koinonia“, der Gemeinschaft: Es besteht die dringende Notwendigkeit, sich untereinander kennenzulernen: Wen trägt welches Anliegen? Was haben jene zu sagen, die sich nicht gerne vor großem Auditorium äußern? Wir kennen unsere üblichen Konferenzformen. Diese sind sinnvoll und wahrscheinlich auch nötig, und dennoch: Mehr davon wird uns nicht weiterbringen, denn quasi-parlamentarische Versammlungen sind statisch, ein Weg ist dynamisch. Ich bin gespannt, welche Formen der Beratung gewählt, wie Weggemeinschaften gebildet werden können. Und wer pilgert, muss auch rasten und essen. Ich meine keinen Schnellimbiss im Stehen, sondern ein Mahlhalten, bei dem man zu Tisch sitzt, sich untereinander austauscht und miteinander vertraut wird. Und nicht zuletzt habe ich die Erwartung, dass der Synodale Weg vorlebt, was in den Themenfeldern bereits angelegt ist: einen sensiblen Umgang mit Macht, einen partnerschaftlichen Umgang untereinander, einen ehrlichen Blick auf die Situation von Priestern in unserer Kirche und die Haltung der Ermöglichung, wenn es um die Charismen von Frauen geht.
Prof. Dr. Bernhard Emunds, Professor für Christliche Gesellschaftsethik und Sozialphilosophie, Leiter des Nell-Breuning-Instituts, Frankfurt
als Einzelpersönlichkeit entsandt durch: Zentralkommitee der Deutschen Katholiken
Die katholische Kirche in Deutschland ist in eine Krise geraten, wie schon lange nicht mehr, vielleicht wie schon seit 200 Jahren nicht mehr. Die Fehler der Bistumsleitungen beim Umgang mit den klerikalen Tätern sexualisierter Gewalt und die strukturelle Unfähigkeit des absolutistischen Kirchensystems, diese Fehler aufzuarbeiten und einen glaubwürdigen Neuanfang zu setzen, veranlassen sogar die Nächsten der Nahestehenden, deutlich auf Distanz gehen. Mit der offenen, ja sogar offiziellen Diskriminierung von Frauen (Ausschluss von den Weiheämtern) und Homosexuellen (homophobe Sexualmoral) wird die katholische Kirche zu einer Fremden in westlichen Gesellschaften – nicht um des Evangeliums willen, sondern weil Erblasten des 19. Jahrhunderts sie von den fundamentalen Überzeugungen weit entfernt, die für alle demokratischen Kräfte bestimmend sind.
Gelingt keine grundlegende Kursänderung, dann mutiert die katholische Kirche hierzulande zu einer Sekte. Ohne Rom, ohne die Zustimmung des Apostolischen Stuhls kann es eine solche grundlegende Kursänderung nicht geben. Aber mit Rom offenbar auch nicht; denn nicht nur die Kurie, sondern offenbar auch Papst Franziskus versperrt dazu bisher den Weg. Dass die synodalen Beschlüsse unverbindlich bleiben, passt in das deprimierende Bild. Die Lage scheint aussichtslos. Und gerade deshalb hoffe ich, hofft sicher manch andere(r) Synodale(r), dass es Aufbruch gibt. Hoffnung wider alle Hoffnung, dass Neues entsteht. In Frankfurt oder anderswo!
Juliane Eckstein, Dipl. Theologin, wiss. Mitarbeiterin PTH Sankt Georgen
entsandt durch: Bundesvereinigung wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen und Assistent*innen in der Katholischen Theologie (BAM)
Vom synodalen Weg erwarte ich, dass er zu einem Ort wird, an dem Katholik*innen verschiedenster Couleur immer wieder zusammenkommen, um mit Blick auf den Gekreuzigten gemeinsam zu beten, nachzudenken, zu debattieren und in allem auf die leise Stimme Gottes zu hören. Eine solche Weggemeinschaft kann eine ganz eigene Dynamik entwickeln. Was die Chance birgt, dass sich der Heilige Geist Raum verschafft und etwas Neues und Überraschendes hervorbringt. Was aber auch die Gefahr von Elitedünkeln mit sich bringt. Dessen bin ich mir bewusst. Trotzdem war ich enttäuscht, als ein geschätztes Mitglied meiner Pfarrgemeinde meinte, die Abspaltung der deutschen Kirche von der Weltkirche stünde kurz bevor. Die weitverbreitete Skepsis verstehe ich, die Unterstellung sezessionistischer Absichten enttäuscht mich. Dennoch hoffe ich, dass der Synodale Weg vom Großteil der Gläubigen getragen und wohlwollend begleitet wird. Und für sie hoffe ich, dass wir etwas mitzubringen haben: Konkrete Beschlüsse und Abmachungen, die kurz- und mittelfristig umgesetzt werden können – und auch werden.
Vom 30. Januar bis 1. Februar 2020 findet in Frankfurt am Main die erste Synodalversammlung der katholischen Kirche in Deutschland statt. An ihr nehmen alle (Erz-)Bischöfe und Weihbischöfe und entsprechend viele Vertreter*innen aus dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken teil. Darüber hinaus sind kirchliche Berufsgruppen vertreten, die Ordensgemeinschaften sowie Mitarbeiter*innen der diözesanen Verwaltungen. Die „junge Generation“ wird durch 15 katholische Gläubige vertreten, die zum Beginn des Synodalen Weges unter 30 Jahre alt sind. Bei der Besetzung wird auf Geschlechter- und Generationengerechtigkeit geachtet. Die Synodalversammung umfasst 230 Mitglieder, sowie 25 Beobachter*innen aus verschiedenen Institutionen und dem benachbarten Ausland.
- Medard Kehl, Synodalität – ein wesentliches Strukturelement der Kirche, in: Barbara Stühlmeyer (Hg.), Auf Christus getauft. Glauben leben und verkünden im 21. Jahrhundert, Kevelaer 2019, 102-117, hier 117. ↩