Katholikinnen und Katholiken reagieren verschieden auf die angeordnete Trennung in Eucharistie und Abendmahl. Agnes Slunitschek blickt darauf, was Menschen zu einer Abendmahls- und Eucharistiegemeinschaft bewegt. Dabei stellt sie fest: Aus dem Glaubensleben heraus folgt der Zugang zu theologischen Fragen eigenen Kriterien.
„Every time the Eucharist passes by it feels like Jesus passes by.“ – „Jedes Mal, wenn die Eucharistie vorbeigeht, fühlt es sich an, als ob Jesus selbst an mir vorbeigehen würde.“ Dieser Satz stammt aus einem Gespräch mit einer finnischen Katholikin. Sie ist mit einem Lutheraner verheiratet. Abwechselnd besuchen beide gemeinsam den römisch-katholischen und den evangelisch-lutherischen Gottesdienst.
Teil der Gemeinschaft, aber nicht der Mahlgemeinschaft. Brot und Wein werden an ihr vorbeigetragen.
In Finnland ist es deutlich üblicher als in Deutschland, die römisch-katholischen Verbote zu respektieren. So empfängt ihr evangelischer Mann nicht die katholische Eucharistie. Als Katholikin nimmt sie nicht am evangelischen Abendmahl teil. Wenn im lutherischen Gottesdienst das Abendmahl ausgeteilt wird, stellt sie sich mit in den Kreis um den Altar. Sie empfängt aber nicht Brot und Wein, sondern signalisiert mit überkreuzten Armen, dass sie nur einen Segen bekommen möchte. Auf diese Weise ist sie Teil der Gemeinschaft, aber nicht der Mahlgemeinschaft. Brot und Wein werden an ihr vorbeigetragen.
Für die Gemeinde sind Brot und Wein Leib und Blut Jesu Christi, in denen er gegenwärtig ist. Die eingangs erwähnte Formulierung deutet darauf hin, dass auch die Frau diesen Glauben teilt. Es fühlt sich für sie an, als ob Jesus nicht zu ihr kommen, sondern ohne Halt an ihr vorbeigehen würde. Sie berichtet, dass sie dies so trifft, dass sie häufig zu weinen beginnt.
»Ökumene, die das Leben schreibt« – wo Frauen und Männer auf die Trennung in Eucharistie und Abendmahl eingehen, zeigen sich Unverständnis, Schmerz und Kritik des Verbots.
Seit gut einem Jahr werden der Streit und das Ringen der deutschen Bischöfe um die Frage der eucharistischen Gastfreundschaft auch in der Öffentlichkeit ausgetragen: Können evangelische PartnerInnen in einer konfessionsverbindenden Ehe in Einzelfällen zur katholischen Eucharistie zugelassen werden?1 Bekannt ist, dass die sogenannte Basis – auch über konfessionsverbindende Paare hinaus – in Deutschland eine eigenmächtige Praxis lebt, die sich von dem Beispiel aus Finnland häufig unterscheidet. Doch was bewegt die Menschen zu ihrem Handeln? Wie begründen sie ihre Einstellungen und ihr Tun?
Einige persönliche Erzählungen sind im Buch „Ökumene, die das Leben schreibt“2 gesammelt. 2017 rief der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) in seiner Zeitschrift die LeserInnen dazu auf, über ökumenische Erfahrungen zu berichten und diese einzuschicken. Dort, wo die Frauen und Männer auf die Trennung in Eucharistie und Abendmahl eingehen, zeigen sich Unverständnis, Schmerz und Kritik des Verbots. Ihre Texte machen deutlich, dass sie aus dem Glauben heraus nach Antworten auf das Problem suchen. Aber auch die Lebenserfahrungen und -kontexte spielen eine Rolle.
„… Als ich das mal verstanden hatte, war mein ökumenisches Problem gelöst, wir konnten ohne Gewissensbisse in unseren beiden Kirchen zum „Tisch des Herrn“ gehen.“
Für eine Frau ist die Geschichte der Begegnung von Jesus und der Samariterin am Jakobsbrunnen (Joh 4,1–42) zur Schlüsselstelle geworden:
Erst als ich bewusst ökumenisch zu denken begann, habe ich ihre Botschaft verstanden: Jesus spricht hier mit einer Frau, einer Ausländerin, einer Andersgläubigen und auch noch einer „Sünderin“. Sie sprechen über Theologie, und sie fragt nach dem wahren Ort der Anbetung: der Berg Garizim oder Jerusalem? Jesus nimmt sie ernst und antwortet: es geht nicht darum, wo man anbetet, sondern darum, wie man dies tut: „Im Geist und in der Wahrheit“! Das Fazit für mich: Dann kommt es also gar nicht darauf an, welche Konfession ich habe (in welche ich zufällig getauft wurde …) oder in welcher Kirche ich den Gottesdienst besuche, sondern wichtig ist, wie ich bete, wie ich mit Gott in Kontakt trete: das kann ich überall gültig und richtig machen! Als ich das mal verstanden hatte, war mein ökumenisches Problem gelöst, wir [ein konfessionsverbindendes Ehepaar; A. S.] konnten ohne Gewissensbisse in unseren beiden Kirchen zum „Tisch des Herrn“ gehen – eine große Befreiung – und ein ökumenisches Geschenk! (32)
Eine weitere Legitimation für das gemeinsame Abendmahl und die gemeinsame Eucharistie sehen mehrere Personen in der Einladung Jesu. Er lade alle ein und das berechtige zur Teilnahme von Evangelischen an der katholischen Eucharistie und von Katholiken am evangelischen Abendmahl. Dieses genuin evangelische Argument machen sich auch KatholikInnen zu eigen. Die im ökumenischen Dialog verhandelte Frage, wie das evangelische Abendmahl einzuschätzen sei, da es nicht durch Amtsträger eingesetzt wird, die die römisch-katholische Kirche als solche anerkennt, spielt hier keine Rolle.
„Uns eint mehr als uns trennt“, ist das zentrale Kriterium. Die Gemeinsamkeiten im christlichen Glauben sind entscheidender als die konfessionellen Unterschiede. Der Glaube an Jesus Christus und eine lebendige Beziehung zu ihm begründen eine Gemeinschaft über die Konfessionsgrenzen hinweg.
Gemeindliches Engagement überschreitet die konfessionellen Grenzen.
Das Engagement oder die Beheimatung in einer Gemeinde oder Gruppe kann ebenso ein Grund sein, Eucharistie oder Abendmahl in einer anderen Kirche zu empfangen. Davon berichten im oben genannten Buch besonders Frauen, die in konfessionsverschiedenen Ehen leben und die sie mit ihrem Partner konfessionsverbindend gestalten, oder die Kinder solcher Familien. Ist beiden Partnern der Glaube und die eigene kirchliche Verwurzelung wichtig, ist es nicht selten, dass sie die Gottesdienste verschiedener Gemeinden abwechselnd besuchen.
Ihr gemeindliches Engagement überschreitet die konfessionellen Grenzen. Die PartnerInnen oder Familien fühlen sich häufiger zwei Gemeinden verbunden. Vonseiten der Gemeinden wird als dazugehörig angesehen und zu allen Vollzügen eingeladen, wer sich aktiv einbringt und in der Gemeinde beheimatet ist:
Eine lebendige und aktive Gemeinde, die ich mit der Zeit auch meine Gemeinde nennen durfte, fand ich in der Katholischen Studierenden- und Hochschulgemeinde. Meine [reformierte] Konfessionszugehörigkeit stellte dabei nie ein Problem dar, sondern war eher ein Aufhänger für spannende Gespräche. In vier Jahren traf ich nur ein einziges Mal auf eine Person, die nicht positiv reagierte, als sich herausstellte, dass ich als gewähltes Mitglied im Gemeinderat das Gemeindeleben mitgestaltete und selbstverständlich nicht von der Eucharistie ausgeschlossen, sondern sogar zu ihr eingeladen wurde. (91).
Damit ist weniger die formale Kirchenzugehörigkeit von Bedeutung, sondern vielmehr die tatsächliche Gemeinde- oder Gruppenzugehörigkeit. Die lokale Situation ist wesentlich, nicht eine universalkirchliche Perspektive.
Konfessionsverbindende Familien sind von der Trennung der Kirchen in besonderer Weise betroffen.
Eine evangelische Frau berichtet von großen Notlagen und wichtigen Ereignissen, bei denen sie sich gegen eine konfessionelle Trennung beim Gottesdienstbesuch entschied, da ihr der Preis für ihre Familie zu hoch gewesen wäre:
Einige Jahre gingen wir am Sonntagmorgen vom Frühstückstisch getrennt „jeder in seine Kirche“. Als aber einer seiner Brüder verstarb, war unser Nesthäkchen so verunsichert, dass ich mich entschloss, in den Jahren seines Kinderglaubens die katholische Messe zu besuchen. Schon früher hatte ich mich an Weihnachten dafür entschieden, denn da gehört eine christliche Familie doch zusammen! (42)
Konfessionsverbindende Familien sind von der Trennung der Kirchen in besonderer Weise betroffen. Eine Wahrung der konfessionellen Einheit und der damit verbundenen Grenzen geht in diesem Beispiel auf Kosten der Einheit der Familie. Die Kirche trotzdem als „Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ (LG 1) zu sehen, kann in solchen Fällen herausfordernd oder gar nur schwer möglich sein. Glaube ist ein lebendiger Vollzug.
Kirchliche Vorstellungen und Vorgaben haben konkrete Konsequenzen: … auch für das menschliche Miteinander und das persönliche Leben.
Darum haben kirchliche Vorstellungen und Vorgaben konkrete praktische Konsequenzen: nicht nur für das Glaubensleben, sondern auch für das menschliche Miteinander und das persönliche Leben. Entsprechend wird aus der Praxis besonders die Frage nach den ganz konkreten Wirkungen einer Lehre oder Vorgabe gestellt. Theorie und Praxis müssen korrespondieren, damit der Glaube überzeugend und für die Gläubigen lebbar ist.
Der Zugang zu theologischen Fragen folgt aus dem Glaubensleben heraus eigenen Kriterien.
All diese Beispiele zeigen, dass der Zugang zu theologischen Fragen aus dem Glaubensleben heraus eigenen Kriterien folgt. Im Vordergrund stehen die Verbundenheit im Kern des christlichen Glaubens und die Frage nach einer Praxis, die den Glauben authentisch abbilden kann.
Grundlage ist stets die Frage nach Beziehungen: sowohl der einzelnen Gläubigen zu Gott als auch der Christgläubigen untereinander. Was dient der Gemeinschaft der Menschen mit Gott und der Gläubigen untereinander? Wie kann diese Gemeinschaft glaubwürdig versinnbildlicht werden? Das zeigt sich in den Beispielen letztlich als eines der zentralen und handlungsleitenden Kriterien.
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Agnes Slunitschek ist Doktorandin am Ökumenischen Institut der Universität Münster und als Referentin für Ökumene und Theologie tätig.
Bild: DadionHenrique / pixabay.com
- Das Papier, das Anstoß der Kontroverse war, ist mittlerweile veröffentlicht: Mit Christus gehen – Der Einheit auf der Spur. Konfessionsverbindende Ehen und gemeinsame Teilnahme an der Eucharistie (20. Februar 2018). Abrufbar unter https://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/dossiers_2018/08-Orientierungshilfe-Kommunion.pdf ↩
- Flachsbarth, Maria/Heyder, Regina/Leimgruber, Ute (Hg.), Ökumene, die das Leben schreibt. Konfessionelle Identität und ökumenisches Engagement in Zeitzeuginnenberichten. Münster 2017. ↩