Mit Wolfgang Beinert wünschen wir Ihnen zum neuen Jahr den Mut zur Zukunft, die Freude der Erwartung, die Gelassenheit im Umgang mit dem sich aufdrängenden Neuen, Vertrauen in die Verheißung und Glauben an das gelingende Kommende.
IN DIESEN JAHREN
sind wir Zeug*innen einer umgreifenden Veränderung, die sich auf nahezu allen Lebensgebieten, auch in ganz persönlicher und privater Auswirkung, bemerkbar macht: globale Konflikte und Klimawandel sind Stichworte dafür, aber auch Digitalisierung und künstliche Intelligenz. Auch die Kirchen sind dieser Veränderung nicht enthoben. So sehr sie sich sträuben mögen, unausweichlich haben sie sich, bei Strafe des Glaubwürdigkeits- und Autoritätsverlustes, damit auseinanderzusetzen. Und das tun sie, wie zaghaft und ängstlich auch immer. Der „synodale Weg“ nimmt seinen Lauf. Viele Menschen sind durch diese Gemengelage verschreckt, verzweifelt, sie resignieren.
IN DIESEN TAGEN
von Weihnachten, Jahreswechsel und Epiphanie wird Hilfe angeboten – vom innersten Gehalt dieser Zwischen-Zeit her. Wir feiern den Advent und denken dabei vornehmlich an das erste Weihnachtsfest, nach den Evangelien in Bethlehem geschehen um das Jahr 6 vor unserer Zeitrechnung. Wir bereiten uns vor auf den 24./25. Dezember, Gedächtnis dieses Ereignisses. Meist aber vergessen wir den wesentlichen, bleibend aktuellen Sinn dieser „Zeit der Ankunft“ (adventus von advenire, ankommen), welche also noch vor uns liegt. Alle Christ*innen haben das gleiche Große Glaubensbekenntnis zu eigen und beten darum auch: „Er wird wiederkommen in Herrlichkeit“. Eine Rolle aber spielt diese Aussage kaum, weder im Leben der Glaubensgemeinschaft noch in dem des einzelnen glaubenden Menschen.
IN JENER ZEIT
des beginnenden Christentums war das anders: Man erwartete die Parusia Kyriou, das Wiederkommen des Herrn (wörtlich: sein Dabeisein) noch zu eigenen Lebzeiten. Christliches Leben war totaler Advent. Doch dann vergingen die Jahrhunderte – und keine Parusie ereignete sich. Der Blick der Kirche richtete sich nun in wachsender Intensität auf die Vergangenheit, auf die Anfänge und deren Ausformung in der Geschichte. Die Kirche wurde traditionell, traditionalistisch oft, rückwärtsgewandt, Sängerin des Gewesenen als des allein Maßstäblichen. Aber damit scheint sie dem eigenen Niedergang näher und näher zu rücken. Wer glaubt, muss gewiss den Anfängen verbunden sein, doch in diesen Anfängen war die Kirche vorwärts gewandt, voller Sehnsucht nach dem Unerwarteten, dem Neuen, dem Unvorgedachten – dem künftigen Herrn der unausdenklichen Herrlichkeit.
IN DIESEN MOMENTEN
festlichen Rastens und Rekreierens zum Jahreswechsel wünsche ich den Mut zur Zukunft, die Freude der Erwartung, die Gelassenheit im Umgang mit dem sich aufdrängenden Neuen. Ich wünsche Vertrauen in die Verheißung, Glauben an das gelingende Kommende.
Text: Wolfgang Beinert, Jg. 1933, emeritierter Professor für Dogmatik, Priester und Publizist.
Bild: Birgit Hoyer