Es ist nicht alles Gold, was glänzt und nicht jedes Gold zeugt von Schönheit. Sr. Anneliese Herzig MSsR zeigt die Glanz- und Schattenseiten von Gold auf und stellt das Projekt „Gold und Kirche“ der Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar Österreichs vor.
Viele Menschen erfreuen sich an der Schönheit der Kirchen und lassen sich von ihr in Bann ziehen. Neben dem Raum sind dabei gepflegte und feierliche Liturgie, Gesang und Musik, liturgische Geräte und zuweilen prächtige Messgewänder wichtig. Und nicht selten ist dabei Gold im Spiel – ein seit Urzeiten faszinierendes Material, das nicht nur im Christentum, sondern in vielen Religionen Symbol für das Göttliche, Symbol für Gott und seine Treue ist. Gleichzeitig hat das wertvolle Metall auch seine Schatten, weil die Gewinnung meist mit Schäden für Natur und Menschen einhergeht.
offenen Wunden in der Erde
Meine Vorstellung, wie Gold gewonnen wird, war romantisch: Da steht jemand im Fluss, wäscht in einer Pfanne Gold und freut sich, wenn ein Nugget auftaucht. Mittlerweile hat sich mein „Kopfkino“ um andere Bilder erweitert: Kilometerbreite Krater gleich offenen Wunden in der Erde, mit Quecksilber oder Zyanid verschmutztes Wasser und folglich mit Quecksilber belastete Fische, deren Verzehr gesundheitsschädlich ist. Kinder, die in enge Bergwerke geschickt werden, „Garimpeiros“, die in den Regenwald eindringen und dort illegal nach Gold suchen – und bei dieser Gelegenheit auch Krankheiten wie Covid19 zu den indigenen Völkern bringen. Wenn sie weiterziehen, lassen sie die Geräte einfach stehen und vor sich hin rosten. Bewaffnete Konflikte, die durch „Goldwäsche“ finanziert werden. Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, die um ihr Land und ihr Auskommen kämpfen. Noch viele Bilder wären hinzuzufügen.
Ihnen blieb das Gold, uns blieben die Probleme.
Das ist eine unangenehme Wahrheit auch für die Kirchen, die traditionell für liturgische Geräte oder im Kirchenraum Gold verwenden. Denn auch historisch ist der Abbau von Gold nicht unschuldig. Man braucht nur an die Eroberung Südamerikas zu denken oder an die Zeit der Apartheid in Südafrika. Eine betroffene Person aus Guatemala sagt, dass bis heute gilt: „Ihnen blieb das Gold, uns blieben die Probleme.“ Deutlich auch die Aussage eines Führers der Indigenen: „Der steigende Goldpreis ist ein Unglück (span. desgracia) für den tropischen Regenwald und die indigenen Gemeinschaften“.
Das ist eine unangenehme Wahrheit auch für die Kirchen.
Papst Franziskus, die Bischöfe Lateinamerikas, mehrere Bischofskonferenzen aus Afrika und viele andere weisen auf die Dramatik des weltweiten Bergbaus hin und plädieren für eine wachsende Kreislaufwirtschaft statt einer weiteren Ausbeutung der Erde mit all den sozialen und ökologischen Folgen. Da Gold fast unbegrenzt wiederaufbereitet werden kann, wäre es ein sicherer Kandidat für eine solche zirkuläre Wirtschaft. Zudem ist schon weit mehr Gold aus der Erde geholt worden, als gebraucht wird. Das meiste davon lagert in gut gesicherten Tresoren als Schmuck oder zur Finanzsicherung.
Es braucht den tatkräftigen Einsatz für die vom Goldabbau betroffenen Menschen und für transparente Lieferketten.
Was also tun? Ich arbeite als Theologin bei der Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar Österreichs. Eine Projektpartnerin aus den Philippinnen brachte es einmal auf den Punkt: „Ihr könnt das Gold ja nicht abkratzen. Aber ihr könntet euch beim Anschauen und Staunen auch an die erinnern, denen ihr das Gold verdankt und die oft unter seiner Gewinnung leiden.“ Das wäre ein Weg, diesen Menschen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Aber es gilt noch weiter zu gehen: Es braucht den tatkräftigen Einsatz für die vom Goldabbau betroffenen Menschen und für transparente Lieferketten. Es braucht eine Überprüfung des eigenen Gebrauchs. Für die katholische Kirche sagen die Bischöfe Lateinamerikas in ihrem Hirtenbrief zu Bergbau von 2018 (Nr. 115): sie muss „im eigenen Haus beginnen“ und „prüfen, was man ändern muss, um eine neue Kultur der Sorge um das Leben zu schaffen“.
Gibt es nicht Wichtigeres?
Wenn ich diese Überlegungen äußere, wird mir oft entgegengehalten: Das sind doch minimale Mengen, die die Kirche heute verbraucht! Gibt es nicht Wichtigeres? Sicher gibt es viele große Fragen, vor denen die Kirchen stehen. Aber muss sich jede Kirche nicht auch um ihrer Glaubwürdigkeit willen dafür interessieren, woher das Gold kommt, das sie vielerorts bei ihrem liturgischen Herzstück, der Eucharistiefeier, einsetzt? Schon der heilige Johannes Chrysostomos (4. Jh.) ruft seinen Zuhörerinnen und Zuhörern bei einer Predigt zu: „Was nützt es, wenn der eucharistische Tisch überreich mit goldenen Kelchen bedeckt ist, während der geringste deiner Brüder Hunger leidet? Beginne damit, den Hungrigen zu sättigen, dann verziere den Altar mit dem, was übrigbleibt“[1]. Das Kirchennetzwerk REPAM, das im Gebiet des Amazonas wirkt, hat es in einem Impuls zur Fastenzeit im Februar 2020 so ausgedrückt: „Gott ist nicht mit großen Opfern einverstanden, die oft auf Kosten der Ausbeutung der Ressourcen der Erde und der Menschen gehen.“ Spielt vielleicht bei der bedenkenlosen Nutzung von Gold auch eine „koloniale Mentalität“ eine Rolle, die wir überwinden müssen, um an ihrer Stelle Netzwerke der Solidarität aufzubauen? (Vgl. Querida Amazonia 17). Liturgie und diakonaler Dienst bzw. Einsatz für Gerechtigkeit und Menschenwürde sind nicht voneinander zu trennen.
koloniale Mentalität
Viele Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit kirchlicher und nicht-kirchlicher Art machen deutlich, dass eine nachhaltige Veränderung der Verhältnisse im globalen Süden nur durch eine Transformation des Lebensstils im globalen Norden erfolgen kann. Das erfordert auch ein neues Bewusstsein für den Umgang mit Gold und mit anderen wertvollen Rohstoffen. Dem dürfen sich auch die Kirchen nicht verschließen.
Die Tatsache, dass wir Gott durch kostbare Materialien verehren, ist keine Garantie, dass unser Tun Gott gefällt.
In seiner Enzyklika Fratelli tutti (2020) geht Papst Franziskus vom Gleichnis des barmherzigen Samariters (Lk 10,25-37) aus und kommentiert: „Bei jenen, die vorbeigehen, gibt es eine Besonderheit, die wir nicht übersehen dürfen: Sie waren religiöse Menschen. Mehr noch, sie widmeten sich dem Gottesdienst: ein Priester und ein Levit. Das ist eine besondere Bemerkung wert: Es weist darauf hin, dass die Tatsache, an Gott zu glauben und ihn anzubeten, keine Garantie dafür ist, dass man auch lebt, wie es Gott gefällt.“ (FT 74) Analog dazu könnte man sagen: Die Tatsache, dass wir Gott durch kostbare Materialien verehren, ist keine Garantie, dass unser Tun Gott gefällt. Wir sind aufgerufen, diejenigen in den Blick zu nehmen, die durch den Goldbergbau auf der Strecke geblieben sind; Wege zu öffnen für die, denen keine andere Lebenschance gegeben ist, als Leben und Gesundheit beim Abbau von Gold zu riskieren.
Gold und seine Schattenseiten
Die Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar Österreichs hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, die katholische Kirche und die Menschen in ihr für das Thema Gold und seine Schattenseiten zu sensibilisieren. Sonst könnte es sein, dass wir leichtfertig an etwas teilnehmen, das nicht dem Guten dient. Wir können beginnen, immer wieder nach der Herkunft des Goldes zu fragen – nicht nur in der Kirche, auch z. B. beim Ehering, bei Schmuck (gerade bei religiösen Zeichen!), bei Vermögensanlagen oder im Smartphone. Handlungsmöglichkeiten gibt es viele: wenn möglich verstärkt auf andere Materialien zu setzen, bewusst recyceltes Gold zu verwenden oder zumindest fair gehandeltes bzw. geschürftes Gold einzufordern.
Es geht nicht einfach darum, Gold „madig“ zu machen. Wir dürfen und sollen weiterhin staunen und genießen und uns von seiner Schönheit und Symbolkraft in Bann ziehen lassen. Aber wir sollten nicht dabei stehen bleiben, sondern den Blick auch auf die Menschen und die Natur lenken, die unter den Folgen der Goldgewinnung leiden. Das wird uns helfen, die Lösungen für die Zukunft zu finden.
Autorin: Sr. Anneliese Herzig MSsR, Dr. theol., ist katholische Ordensfrau und Theologin. Sie ist als Theologische Referentin der Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar Österreichs tätig und Koordinatorin des Integrierten Projekts „Gold und Kirche“.
[1] Johannes Chrysostomos, In Evangelium S. Matthaei homiliae, 50, 34
Beitragsbild: Hans Hütter