Die Kolumne für die kommenden Tage 34
Während unserer Corona-Quarantäne (mein Mann wurde positiv getestet, das bedeutete 14 Tage seine Quarantäne + 14 Tage meine Quarantäne, denn ich hätte mich ja am letzten Tag seiner Quarantäne anstecken können) schiebt mir mein Mann unsere Tageszeitung, den Fränkischen Tag, rüber; die Seite mit den Leserbriefen ist aufgeschlagen. Er meint, hier wäre was für mich dabei. Und tatsächlich das Mittelalter hatte wieder zugeschlagen. Der Titel des Leserbriefes zum Thema „Coronavirus“ lautete: „Gott spricht durch die Epidemie zu uns“. Das war genau das Richtige für den 20. Tag unserer Corona-WG. Der Autor schrieb, „er sei kein Prophet, wolle weder Angst machen noch unken, aber ein warnendes Erinnern an göttliche Ansprüche….solle mit diesen Zeilen schon erhoben werden…“.
Also habe ich versucht, mir ihn vorzustellen, diesen ob unserer lasterhaften Lebensweisen zürnenden Gott, der sich von seinem Thron erhebt und irgendeinen fiesen Virus aus seiner Tasche zieht oder einen verheerenden Sturm losbläst. Und dann habe ich meine Antwort an den Schreiber des Leserbriefes „Gott spricht durch die Epidemie zu uns“ geschrieben… es hat mir gut getan:
„Klar, Gott geht Schifahren in den österreichischen Alpen und niest beim Jagertee eine Schifahrergruppe aus Unterhaching an. Dann zieht es ihn nach Bergamo, dort isst er in der Trattoria am Marktplatz zu Mittag und in der Folge sterben fast 23.000 Menschen in Italien. Dann hatte er Lust, mal ein Altenheim zu besuchen, und ist nach Wolfsburg geflogen. Gut für die deutsche Rentenversicherung, dachte er sich, und küsste 23 alte Menschen in den ewigen Schlaf. Den Amerikanern schenkte er einen Nachfolger Ludwig XIV. als Präsidenten – leider ohne Perücke. Denn er wusste, dieser Mann wird es verkacken, seine Nation vor Corona zu schützen. Juchhu, allein knapp 9.000 Tote in New York (hat ja auch einen demokratischen Bürgermeister). „I did a great job“, dachte sich Gott und ruhte sich am siebten Tag ein wenig aus, denn er war schwer im Stress. Sollte er am nächsten Tag nach Afrika weiterreisen, um sich dort um die Heuschreckenplage zu kümmern, oder in Spanien weiter wüten oder die Lungenbläschen des britischen Premiers Johnson ein wenig irritieren…Die Armen in den Favelas von Rio de Janeiro lauschen ihm auch schon, Ihrem Gott.
Hören Sie Ihrem Gott ruhig weiter zu – ich hoffe auf einen anderen Gott. Ich habe mich für den/die/das Gott der Barmherzigkeit entschieden. Für die Gott, die sagt, liebe mich und deinen Nächsten wie dich selbst. Für das unfassbar Göttliche, das keine Schuldigen und keine Sündenböcke sucht. Für das gnadenreiche Du, das nicht auf das Kleingedruckte sondern in unsere Herzen schaut.“
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Autorin: Judith Weingart, Bamberg, zwei Kinder, Dipl. Politologin und Kommunikationsmanagerin
Beitragsbild: canva.com, Foto: Flo Maderebner