In vielen Pfarrgemeinden läuft gerade auf Hochtouren die Vorbereitung auf die Erstkommunion. Christian Bauer, ein betroffener Vater, berichtet von diesem Ernstfall gelebter christlicher Zeitgenossenschaft: Wo gibt es in unserer nachchristentümlichen Welt von heute noch gegenwartskulturelle Anknüpfungspunkte für das Evangelium?
Was mach’ ich nur mit diesen beiden Jungs? Sie sind nie bei der Sache. Zumindest scheint es so. Sie leben ganz in ihrer digitalen Ninjago-Tablet-DVD-Welt. Analoges? Kein Interesse! Auch nicht in der Erstkommunion-Vorbereitung. Und dieses Mal ist nicht etwa Freundschaft oder Brotbacken an der Reihe, sondern ausgerechnet das letzte Abendmahl – also ein für die Erstkommunion zentrales, aber eben auch nicht ganz einfaches Thema. Das, wovor sich die meisten Tischeltern in der Vorbereitung so gerne drücken: Mach’ du das mal, du bist ja schließlich Theologe… Was also tun?
Ich habe es mit Harry Potter versucht. Begonnen haben wir in der analogen Welt, mit der Lego-Hogwarts-Burg meiner Kinder. Wer kennt die Geschichte von Harry Potter? Schnell ist der komplette Plot hergeholt und anhand der Legomännchen nacherzählt. Harry Potter und seine Freunde gegen Lord Voldemort und seine Todesser. Wie war das noch mal mit den Muggels und den Schlammblütern? Die Mädchen und Jungs kennen sich für ihr Alter erstaunlich gut aus. Dann fragt ein Kind, was das alles denn, bitteschön, mit der Erstkommunion zu tun haben soll. Ich denke: Na super… Ein anderes Kind kommt mir jedoch zu Hilfe und sagt: „Ganz viel! Einmal sagt Dumbledore doch, dass die Liebe stärker ist als alles andere auf der Welt. Und darum geht es ja auch bei der Kommunion.“
„Sieben Horkruxe – sieben Sakramente“
Dann wird’s schon kniffliger – eine kleine Quizfrage für alle Harry-Potter-Profis: Was ist das Gemeinsame dieser sieben Filmbilder? Zu sehen sind die sieben Horkruxe, in denen Lord Voldemort bei jedem begangenen Mord einen Teil seiner Seele deponiert, um sich ewiges Leben zu verschaffen: Heiligtümer des Todes. Und dann die unvermeidbare katechetische Frage: sieben Horkruxe – wer weiß denn etwas, das es bei uns Christinnen und Christen auch genau sieben Mal gibt? Keiner weiß es. Aber die Kinder verstehen schnell: sieben Todes-Horkruxe bei Voldemort – sieben Lebens-Sakramente bei Jesus. Zweimal das Gleiche ganz anders.
Wir suchen nach weiteren Gemeinsamkeiten und Unterschieden. Voldemort ist eine erfundene Figur, Jesus hat wirklich gelebt. Voldemort verbreitet Angst und Schrecken, Jesus Liebe und Glück. Voldemort opfert das Leben von anderen, Jesus sein eigenes. Die böse Lebenskraft von Voldemort steckt in den sieben Horkruxen, die gute Lebenskraft von Jesus in den sieben Sakramenten. Der wichtigste Horkrux Voldemorts ist Harry Potter, den der dunkle Lord am Ende tötet. Und das wichtigste Sakrament ist Jesus selbst, der in der Kommunion unter uns weiterlebt. Ein Kind dazu, ganz aufgeregt: „Dann ist Harry Potter ja wie Jesus! Er hat sich auch geopfert, damit Voldemort besiegt werden kann – er stirbt, lebt aber trotzdem weiter!“ Hat da nicht mal jemand von Kindertheologie gesprochen? Kinder sind ganz hervorragende kleine Theologinnen und Theologen!
„Das hab’ ich euch doch gleich gesagt.“
Dann hat noch ein katechetischer Klassiker seinen Auftritt: Jörg Zinks Kinderbibel Der Morgen weiß mehr als der Abend. Während dieser Erzählung des letzten Abendmahls malen die Kinder, was sie als Geschichte alle schon einmal irgendwo gehört haben. Und wir suchen nach weiteren Gemeinsamkeiten zur Harry-Potter-Geschichte. Jesus wird von der Tempelpolizei gesucht, Harry Potter von den Todessern. Jesus hatte Feinde, weil er die Liebe Gottes zu allen Menschen verkündet hat. Harry Potter, weil er gegen Lord Voldemort war, der Schlammblüter und Muggels verachtete. Mit Blick auf Jesus, der seinen Freunden wie ein Sklave die Füße wäscht, sagt ein Kind schließlich: Dann ist er ja wie die Hauselfen bei Harry Potter! Und dann ist das letzte Wort der Jesusgeschichte bei Jörg Zink auch noch – die Liebe. „Das hab ich euch doch gleich gesagt“, meint das Kind, das mir am Anfang die ganze Sache so genial gerettet hat.
Der Kreis schließt sich. Wir beten miteinander. Es gibt einen kleinen Imbiss und zum Schluss noch eine Runde Fußball. Es war sicher nicht die beste aller katechetisch möglichen Gruppenstunden. Und ich weiß auch nicht, was die beiden anfangs genannten Jungs davon mitgenommen haben – mir und den anderen Kindern hat’s jedenfalls Spaß gemacht. Und den beiden Jungs vielleicht auch – aber das zeigen die ja nicht so.
Bildquellen: Harry Potter Fime Wiki, Harry Potter Fanzone