Christliche LGBT-Gruppen in Osteuropa stehen in der Spannung zwischen säkularen Emanzipationsbewegungen und konservativen Kirchen. Dennoch gibt es eine christliche Szene im Bereich der LGBT-Gruppen Osteuropas. Michael Brinkschröder berichtet über ihre Herausforderungen und Kämpfe – und über ihre Vernetzungen innerhalb Europas.
Das European Forum of Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender (LGBT) Christian Groups wurde 1982 auf Initiative des französischen Priesters Emile Letertre von sieben Schwulengruppen aus westeuropäischen Ländern gegründet.
European Forum of Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender (LGBT) Christian Groups
Im Laufe der Jahre hat es sich zunächst für christliche Lesbengruppen und dann für Bisexuellen- und Transgender-Gruppen geöffnet. Das European Forum hat heute ca. 50 Mitgliedsorganisationen in 23 Ländern, von denen eine Reihe aus Zentral- und Osteuropa kommt. Seit der Wende entwickelten sich diese Gruppen und ihre Kontakte zum European Forum in vier Phasen.[1]
Phasen in der Entwicklung christlicher LGBT-Gruppen[2]
Erstmals kam 1992 eine größere Zahl von christlichen Lesben und Schwulen aus Ostmittel- und Südosteuropa (Bulgarien, Ungarn, Slowakei und Polen) zum European Forum. In dieser ersten Phase von 1992-2002 gar es zwar immer wieder Kontakte zu einzelnen Gruppen aus verschiedenen osteuropäischen Ländern wie z.B. Exodus aus Polen[3] oder Krilija aus St. Petersburg, doch die meisten blieben sporadisch − entweder weil die Gruppen nicht lange Bestand hatten oder weil ihre Repräsentant_innen in den Westen gingen. Die einzige Gruppe, die in den 1990er Jahren durchgängig im European Forum aktiv war, war slowakische Gruppe Ganymedes. Dementsprechend war Bratislava 1994 auch die erste osteuropäische Stadt, in der die Jahreskonferenz des European Forum stattfand.
Exodus (Polen), Krilija (St. Petersburg), Ganymedes (Slowakei)
Initiiert durch Randi Solberg und Kerstin Söderblom nahm das European Forum ab 2002 eine aktivere Haltung in der Unterstützung der osteuropäischen Schwulen und Lesben ein. Dies begann mit dem Buchprojekt „Let Our Voices Be Heard“, in dem lesbische Christinnen aus ganz Europa ihre Lebensgeschichten erzählen. Aus Osteuropa waren darunter lesbische Frauen aus Weißrussland, der Tschechischen Republik, Ungarn, Lettland, Polen, der Republik Moldau, Rumänien, Russland, Serbien und Montenegro, der Slowakei und der Ukraine.
„Let Our Voices Be Heard“
Das zweite wichtige Projekt in dieser Phase war das „Safe Space Training Project“, das von 2005−2007 in drei Modulen stattfand. Es richtete sich an christliche Schwule und Lesben aus Osteuropa, die zugleich in der Menschenrechtsarbeit aktiv waren. An dem Training nahmen Aktivist_innen aus Rumänien, der Republik Moldau, Lettland, Serbien, Bosnien-Herzegowina und Polen teil, die in den folgenden Jahren zum Teil wichtige Funktionen im Vorstand oder als Mitarbeiter des European Forums einnahmen.
„Safe Space Training Project“ – ein Programm für christlische Schwule und Lesben in Osteuropa
Es gelang jedoch in keinem dieser Länder dauerhaft stabile Gruppen aufzubauen. Die „Offene Evangelische Gemeinde“ (Atvērtā Evaņģēliskā Draudze) in Riga beispielsweise, die sich um den schwulen evangelisch-lutherischen Pastor Māris Sants gebildet hatte, nachdem dieser 2002 von seiner Kirche exkommuniziert worden war, und die anfänglich 60 Leute umfasste, verlor wieder an Bedeutung als dieser 2008 aufgrund andauernder Gewaltandrohungen das Land verließ. Die moldauische Gruppe HomoDiversus, gegründet 2007 mit dem Ziel, einen spirituellen „safe space“ für LGBTs, ihre Freund_innen und Familien zu schaffen, engagierte sich in der Anfangsphase auch politisch z.B. für die Rechte der Frauen. Auch hier sank die Zahl der Mitglieder nach wenigen Jahren wieder stark ab, so dass nur ein sehr kleiner Kern übrig blieb.
Exkommunikation, Gewaltandrohungen: prekäre Verhältnisse für christliche LGBT-Gruppen in Osteuropa
Einen etwas längeren Atem hatte die ungarische Basisgemeinde Öt Kenyér (Fünf Brote), die stark von der Befreiungstheologie inspiriert war.[4] 1996 von katholischen Schwulen und Lesben gegründet, wandelte sie sich schnell zu einer ökumenischen Gruppe, die auch offen für Nicht-Christen und Heterosexuelle war. Die Gemeinde traf sich wöchentlich und begann ihre Treffen mit Gebeten und Bibelgesprächen. Sie veröffentlichte Bücher und beteiligte sich an Diskussionsveranstaltungen, schwul-lesbischen Festivals, Gay Prides und anderen politischen Demonstrationen in Budapest. Nach 10 Jahren löste sie sich jedoch aus Frustration darüber, dass ihre jahrelangen Rufe in der katholischen Kirche ungehört verhallt waren, auf − gerade in dem Moment, als sie Mitglied im European Forum geworden war.
Gleichwohl entstanden seit dieser Zeit in vielen Städten neue christliche LGBT-Gruppen − vor allem in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. In der dritten Phase (2008−2016) verschob sich daher der Fokus auf diese Region. Gruppen in Russland, der Ukraine, Armenien, Kirgistan, der Republik Moldau und Estland waren die treibenden Kräfte. Gemeinsam gründeten sie 2008 in St. Petersburg auf Initiative der dortigen Gruppe Nuntiare et Recreare das Forum of LGBT Christian Groups in Eastern Europe and Central Asia.[5] Diese Konferenzen haben seither nahezu jedes Jahr an einem anderen Ort stattgefunden und ganz erheblich zur Steigerung des Selbstbewusstseins ihrer Teilnehmer_innen beigetragen.
Steigerung des Selbstbewusstseins, „Leadership Training“ und „Training in Community Building“
Das osteuropäische Forum erhielt sehr frühzeitig und konstant personelle und finanzielle Unterstützung durch das European Forum und die Metropolitan Community Church (MCC), eine Freikirche aus den USA, die vor allem aus Menschen der LGBT-Community besteht. Das European Forum führte außerdem mit diesen Gruppen 2014−2016 ein „Leadership Training“ durch, das aus einer Summer School in Chişinău und einem zweijährigen Mentoren-Programm bestand. Parallel dazu bot die MCC ein Training für Seelsorge und Spiritualität an, und ein Zusammenschluss von christlichen Gruppen aus den Niederlanden (LCC+) ein mehrteiliges Training zum „Community Building“. Auf diese Weise haben verschiedene internationale Akteure, aufeinander abgestimmt, intensiv in die Ausbildung der Leiter und Leiterinnen christlicher LGBT-Gruppen in Osteuropa investiert mit dem Ziel, das die Gruppen in Osteuropa größere Stabilität erlangen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, denn es gibt jetzt in dieser Region eine ganze Reihe von aktiven christlichen LGBT-Gruppen mit wachsender Erfahrung und Handlungsfähigkeit.[6]
Aufbrüche und internationale Verknüpfungen
Diese Gruppen verkörpern ein Spektrum zwischen Identität und Inklusion, Geschlossenheit und Diversität: Queer Credo aus Kiew beispielsweise richtet sich ausschließlich an orthodoxe Schwule und ist damit aufgrund des Geschlechts und der Konfession in doppelter Hinsicht geschlossen. Zur Moskauer Gruppe dr gehören dagegen Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Transsexuelle. Zusätzlich ist hier auch die religiöse Orientierung ist sehr unterschiedlich, da sie nicht nur mehrere christliche Konfessionen umfasst, sondern auch Esoteriker verschiedener Art und Atheist_innen, die spirituell auf der Suche sind. Dies macht es natürlich schwer, tragende Gemeinsamkeiten zu finden. Die meisten Gruppen verstehen sich jedoch als christliche LGBT-Gruppen, so dass es in dieser Hinsicht einen gemeinsamen Nenner gibt − auch wenn die ökumenische Zusammenarbeit in der Liturgie und in theologischen Gesprächen kaum eingeübt ist und überall erst erarbeitet werden muss.
Ein breites Spektrum: zwischen Identität und Inklusion, Geschlossenheit und Diversität
Während dieser dritten Phase schlugen die verbleibenden oder neuen Gruppen in Ostmitteleuropa eine andere Richtung ein. Nach der Auflösung von Ganymedes entstand in der Slowakei für kurze Zeit die Gruppe Medzipriestor und danach Gay Christians Slovakia (seit 2004). Gay Christians Slovakia verstand sich in dieser Zeit als eine Gruppe, die ihre zwischen katholischer Kirche und LGBT-Identität zerrissenen Mitglieder spirituell stärken wollte. (Kirchen-)politische Aktivitäten wurden für aussichtslos erachtet, internationale Kontakte nicht gesucht. In ähnlicher Weise orientierten sich Mozaik (Ungarn) und Logos (Tschechische Republik), die sich in dieser Zeit ebenfalls auf die Stärkung der Spiritualität ihrer Mitglieder konzentrierten und keinen Kontakt mit dem European Forum wollten.
Spiritualität und / oder (Kirchen-)Politik
Ein erster Aufbruch aus dieser Situation geschah in Polen, wo sich die 2010 die Gruppe Wiara i Tęcza (Glaube und Regenbogen) gründete. Sie versucht eine Mischung aus spiritueller Stärkung ihrer Mitglieder (z.B. durch regelmäßige Besinnungstage) und kirchenpolitischem Dialog mit Priestern und Bischöfen, wo immer das möglich ist. Der Erfolgt gibt ihnen Recht, denn inzwischen hat Wiara i Tęcza zehn lokale Gruppen. Vorsichtig, aber bestimmt erarbeiten sie sich größere Sichtbarkeit, so z.B. durch die internationale theologische Tagung „New Ways of Queer Theology“[7] oder den „LGBT Pilgrims’ Haven“ beim Weltjugendtag in Krakau. Freilich leiden sie momentan zugleich unter der neuen Welle homophober Gewalt, die in Polen gemeinsam mit der nationalkonservativen Regierung Einzug gehalten hat (s. RGOW 6-7/2016, S. 10-14) und befürchten, dass die christlichen LGBTs dadurch zurück in ihr Schneckenhaus gedrängt werden.
Gesellschaftlicher Wandel und ein neuer Kirchenwind mit Papst Franziskus
Überraschenderweise änderte sich 2015/16 auch die Ausrichtung mehrerer Gruppen in Ostmitteleuropa, die überwiegend aus katholischen LGBTs bestehen. Sowohl die bereits erwähnten Gruppen in Ungarn, der Slowakei und der Tschechischen Republik als auch eine neue Gruppe in Rijeka (Kroatien) wurden wieder aktiv und interessierten sich − nahezu gleichzeitig − für internationale Kontakte. Dieser Umschwung dürfte einerseits durch die Mobilisierung im Zusammenhang mit den Volksabstimmungen über die Definition der Ehe in der Verfassung (Kroatien, Slowakei) begründet sein, andererseits aber auch mit dem Papst Franziskus-Effekt und den Debatten bei den Familiensynoden (2014-15), die die Möglichkeit einer Reform in der katholischen Kirche aufscheinen ließen.[8]
Herausforderungen
Christliche Lesben, Schwule, Bisexuelle und Trans*-Leute sind quasi auf der Suche nach einer Heimat im Niemandsland. Sie befinden sich zwischen den Frontlinien des Kulturkampfes zwischen einer säkularen LGBT-Bewegung einerseits und konservativen Kirchen andererseits, die sie als Sünder verdammen. Damit leben sie in einem Raum, der allen anderen als sinnlos erscheint. Diesen Raum zu besiedeln, erfordert eine prophetische Vision, Mut und Durchhaltevermögen. Entscheidend für die Gründung einer christlichen LGBT-Gruppe ist, dass ihre Gründer_innen und Mitglieder in ihren christlichen Traditionen das Potential dafür spüren, dass sich die Kirche in der Homosexuellenfrage reformieren und umkehren kann. Sie müssen gewissermaßen das Gras wachsen hören.[9] Zudem müssen sie bereit sein, für ihre Vision längere Durststrecken zu überstehen, in denen sich alle Kraft darauf konzentriert, sich spirituell über Wasser zu halten und die Hoffnung nicht zu verlieren, dass Glaube und Sexualität bzw. Geschlechtsidentität vereinbar sind. Außerdem müssen sie den Mut haben, symbolischen, verbalen und u.U. auch körperlichen Angriffen standzuhalten.
Suche nach einer Heimat im Niemandsland: das Gras wachsen hören müssen
Viele Mitglieder der christlichen LGBT-Gruppen leiden an der Ausgrenzung durch ihre Kirche. Manche mussten nach ihrem Coming-out eine formale Exkommunikation über sich ergehen lassen, andere wurden von Gemeindemitgliedern mit Gewalt traktiert und wieder andere haben ihre Kirche aus Frustration über deren Bewertung von Homosexualität als Sünde verlassen. Für religiöse LGBT bedeutet diese Ausgrenzung, dass ihre Seele zerrissen wird in eine sexuell-affektive und eine religiös-spirituelle Hälfte. Die christlichen LGBT-Gruppen bieten einen Ort, an dem das Getrennte wieder zusammenwachsen und dieser Riss langsam heilen kann.
Aber auf dem Weg dahin, gibt es viele Probleme, die leicht dazu führen können, dass die Gruppen scheitern. Die meisten christlichen LGBT-Gruppen in Osteuropa leben in Gesellschaften, die überwiegend homophob und transphob sind. Dies führt dazu, dass die Mitglieder dieser Gruppen diese Einstellungen tief verinnerlicht haben. In der Folge weisen sie irrationale Ängsten und Haltungen auf, die eine produktive Zusammenarbeit schwierig machen.
Zerrissene Seelen
Eine Invasion mit Rauchbomben in einen Gottesdienst der Church of St. Cornelius im ukrainischen Donezk (2012) und später ein Brandanschlag auf die Wohnung ihres Gründers sowie Bombendrohungen bei einer Konferenz des osteuropäischen Forums zeigen jedoch, dass die von faschistischen und fundamentalistischen Gruppierungen ausgehende Gewalt durchaus real ist und sehr ernst zu nehmen ist. Die Gründer der Gruppen in Donezk und im kirgisischen Bischkek mussten ihre Heimatländer wegen Morddrohungen verlassen und politisches Asyl beantragen.
Auch staatliche Schikanen beeinträchtigen die Handlungsspielräume von LGBT-Gruppen: So etwa die russischen und kirgisischen Gesetze, die die Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit von Schwulen und Lesben einschränken (sog. „gay propaganda laws“) oder die Vorschrift, dass NGOs sich in Russland als „ausländische Agenten“ registrieren lassen müssen, wenn sie Geld von ausländischen Stiftungen erhalten. Wann der russische Staat die zahlreichen Möglichkeiten seiner repressiven Gesetze tatsächlich nutzt, ist für die Gruppen quasi unberechenbar und daher zermürbend. So wurde z.B. Jim Mulcahy, ein pensionierter US-amerikanischer Pastor der MCC, im Juli 2016 während eines Treffens von LGBT-Christ_innen in Samara an der Wolga verhaftet und wegen Verstoßes gegen die Einreisebestimmungen zu einer Geldstrafe und zum Verlassen des Landes verurteilt, angeblich weil sein Vortrag mit seinem Touristen-Visum unvereinbar sei. Hier greifen auch die neuen Religionsgesetze, die Freikirchen gegenüber der Russischen Orthodoxen Kirche benachteiligen. Die rechtlichen Probleme fangen jedoch schon damit an, dass sich christliche LGBT-Gruppen praktisch nicht registrieren lassen können, was dazu führt, dass die meisten osteuropäischen Gruppen auch nach vielen Jahren keinen rechtlichen Status erlangt haben.
Rauchbomben, Morddrohungen, Schikanen
Es kommt hinzu, dass die politische Kultur in Osteuropa durch ein autoritäres Verständnis von Leitung geprägt ist, so dass die Leiter und Leiterinnen von den an sie gerichteten Erwartungen oftmals systematisch überfordert werden, während die anderen in einer passiven Konsumhaltung verharren. Dies mündet nicht selten nach kurzer Zeit im Burn-out dieser Aktivist_innen und verschenkt wertvolle Potentiale. Um diesen destruktiven Modus zu überwinden, ist es wichtig, dass die Leiter_innen aktiv gegensteuern und einen partizipativen Leitungsstil etablieren.
Freilich gibt es auch positive Signale.
Freilich gibt es auch positive Signale. Viele LGBT-Organisationen haben sich in jüngster Zeit mit ihrer Ablehnung von Kirchen konstruktiv auseinandergesetzt, weil sie am Beispiel verschiedener evangelischer Kirchen in Westeuropa und Nordamerika gesehen haben, dass auch hier ein Umdenken und Lernprozess möglich ist. Für die christlichen Gruppen entspannt sich dadurch die Situation. Zudem werden sie sogar gebraucht, als diejenigen, die mit Kirchenleuten reden können, weil sie deren Sprache sprechen. Sofern sich die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen nicht wieder verschlechtern, wird daher in Zukunft der innerkirchliche Dialog eine zentrale Herausforderung für die christlichen LGBT-Gruppen sein.
Dr. Michael Brinkschröder, Theologe und Soziologe, lebt in München und arbeitet als Projektleiter bei der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) e.V. Er war von 2011−2015 Co-Präsident des European Forum und ist seit 2016 Co-Vorsitzender des Global Network of Rainbow Catholics.
Der Beitrag erschien in der Zeitschrift Religion & Gesellschaft in Ost und West, 8/2016.
[1] Schon vor der Wende gab es im „Ostblock“ christliche Gruppen von Lesben und/oder Schwulen. In der DDR z.B. trafen sich die „Lesben in der Kirche“ (LiK), homosexuelle Arbeitsgruppen bei der Stadtmission und andere lokale Arbeitsgruppen, die sich unter dem Dach der evangelischen Kirche zusammentaten. An den jährlichen Konferenzen des European Forum nahmen erstmals 1988 Delegierte aus der DDR teil.
[2] Für Informationen über einzelne Gruppen danke ich Mihaela Ajder (Republik Moldau), Matijs Mihelmanis (Lettland), Barbara Artur Kapturkiewicz (Polen), Jarek Strzeszewski (Polen) sowie Bernd Wangerin (Deutschland) und Irène Schwyn (Schweiz) über das European Forum.
[3] Die 1994 gegründete Gruppe aus Warschau änderte ihren Namen später in Berith, um Verwechselungen mit der US-amerikanischen Organisation Exodus International zu vermeiden, die für ihre Mitglieder Konversionstherapien anpries. Berith endete 2007 und hatte im Laufe der 13 Jahre ihrer Existenz insgesamt ca. 100 Mitglieder.
[4] Vgl. die Website von Öt Kenyér: http://www.otkenyer.hu/koz-d.php. Schon 1993 hatte sich in Budapest die Gruppe „Purpurmantel“ gegründet, die sich nach dem purpurnen Mantel benannt hatte, den Jesus trug als er von Soldaten verhöhnt wurde (vgl. Mt 27,28). Die Gruppe zerfiel schon1995 wieder, war aber Vorläufer für Öt Kenyér. Der Name Öt Kenyér (Fünf Brote) leitet sich aus Joh 6,9 her.
[5] Hinzu kamen später Gruppen aus Rumänien und Polen. Vgl. Michael Brinkschröder: Menschenrechte oder traditionelle Werte? Homosexualität und die Russische Orthodoxe Kirche, in: Werkstatt Schwule Theologie: Menschenrechte und Macht, 2013, 54−87, 87.
[6] Aktuell fehlt es in den Gruppen aus post-sowjetischen Ländern vor allem an fundierter theologischer Ausbildung. Nur selten haben sie Zugang zu einem Theologiestudium oder werden vor Ort von Klerikern solidarisch und kompetent unterstützt. Sie sind folglich darauf angewiesen, die nötigen Kenntnisse in Theologie und Seelsorge selbst zu erwerben. Eine gezielte Unterstützung durch kirchliche oder staatliche Stipendien für Fakultäten in westlichen Ländern wäre hier wünschenswert.
[7] Die Tagung wurde dokumentiert in: Queerowe Drogi Teologii bzw. Queer Ways of Theology, beide: Warschau 2016.
[8] Ein weiterer Baustein waren die Kontakte, die beim Gründungstreffen des Global Network of Rainbow Catholics anlässlich der Familiensynode (vom 1.−4. Oktober in Rom) entstanden.
[9] Diese Reformperspektive ist offensichtlich in protestantischen Kirchen mit ihrem Sola Scriptura-Prinzip leichter zu finden als in der römisch-katholischen oder orthodoxen Kirche. Insbesondere letztere stellt aufgrund des dominierenden Traditionsprinzips, der langen Beraubung ihrer Autonomie und ihrer engen Verquickung mit Nationalkulturen ein solches Veränderungspotential kaum bereit. Das dürfte der Grund sein, warum bislang in den von der Orthodoxie geprägten Ländern Südosteuropas (z.B. Serbien, Bulgarien, Rumänien, Griechenland) keine oder zumindest keine orthodoxen christlichen LGBT-Gruppen entstanden sind. Vgl. zu diesen theologischen Konstellationen: Michael Brinkschröder, Die christliche Artikulation gleichgeschlechtlicher Sexualität. Theologische Diskurse und hegemoniale Konstellationen, in: Stephan Goertz (Hg.): „Wer bin ich, ihn zu verurteilen?“ Homosexualität und katholische Kirche, Freiburg i. Br. 2015, 279−322.
(Bild: knipseline / pixelio.de)