Ein Buch, das Klartext redet. Theresia Heimerl zu Christiane Florins Der Weiberaufstand.
Die Wiederholung kann ein Stilmittel sein. Oder eine Verdeutlichung eines existenziellen Zustandes mit narrativen Mitteln. Oder ein etwas altmodisches pädagogisches Instrument. Oder einfach ein zunehmendes Ärgernis.
Die immer gleichen Erzählungen
Die Journalistin Christiane Florin, so manchem und mancher aus dem Deutschlandfunk bekannt und eben dort für den Bereich Religion und Gesellschaft zuständig, erfüllt in Der Weiberaufstand höchst elegant alle vier genannten Optionen: Die immer ein wenig anderen, und doch in ihrem Kern ähnlichen Erzählungen von Gesprächen mit klerikalen Männern, allesamt zur Gretchenfrage nach der Weihe- und damit Amtsfähigkeit von Frauen in der katholischen Kirche, in welchen die geistlichen Herren das lästige Mädchen belehren, lassen der Leserin und dem Leser die ganze Misere der vermutlich letzten katholisch sozialisierten Generation von Frauen im deutschsprachigen Raum deutlich werden. Und mit jedem Nein, von dem Florin berichtet, wird der Ärger größer, weil das Ärgernis nicht kleiner wird, weil all die Wiederholungen in all ihren Variationen keinen nachhaltigen Fortschritt bringen.
Christiane Florin behübscht das Thema nicht mit fröhlichen Papstzitaten und Bildern, wie es viele Theologen und auch manche Theologinnen heute so gern, wohl auch im Interesse der eigenen Psychohygiene, tun. Sie kaschiert die Frauen vorenthaltene Macht nicht mit allgemeinem Frohlocken über verbale Relativierungen des Amtes durch den aktuellen Papst. Die Autorin beschreibt anhand zahlreicher Begegnungen mit jungen und alten, konservativen und vergleichsweise liberalen Klerikern die oft lächerlichen, manchmal erschreckenden, immer aber erbärmlichen Argumente gegen den Zugang von Frauen zur Priesterweihe als das, was sie letztlich sind: Eine Ungleichbehandlung von Frauen.
Nichts wird behübscht
Anhand zahlreicher Beispiele aus direkten Gesprächen, Interviews und kirchlichen Texten macht Florin deutlich, wie sehr mit den immer gleichen Begriffen der Anspruch von Frauen auf gleiche Macht zurückgewiesen wird: „Macht gibt es in der Kirche nicht. Es gibt nur Demut. Zu vergeben sind Ämter und Dienste. Was anderswo Karriere heißt, sind für Kleriker Stufen der Berufung.“ (S. 35).
Christiane Florins Der Weiberaufstand macht deutlich, wie sehr kirchliche Sprache letztlich ein gar nicht so neuer Newspeak im Orwellschen Sinn ist, der von den wirklichen Ideologen geglaubt, von den anderen im Interesse des Machterhalts, der dann unter „Einheit der Weltkirche“ firmiert, verwendet wird. Freilich macht Der Weiberaufstand ebenso deutlich, dass sich der größte Teil der vormals katholischen Welt längst in einer anderen Epoche befindet: Der Fernsehgottesdienst, an dem Mutter Florin das Fehlen von Frauen im Altarraum auffällt, ist für die 13-jährige Tochter Florin keinen Blick mehr wert, weil „old school“ (S.172).
Kirche als Refugium vor den Mehrdeutigkeiten der Wirklichkeit
Eine mögliche Antwort, warum das Nein zur Weihe von Frauen und damit gleichem Zugang zur Macht in den letzten Jahren wieder vehementer denn je zu hören ist, ja gerade für jüngere Kleriker fast schon Teil des Glaubensbekenntnisses, gibt die Autorin sehr schön in der Beschreibung des „Pfefferminzprinzen“ und seiner zahlreichen Mitbrüder im Geiste: Die Unterschiedenheit der Frau vom Mann und die maskuline Exklusivität der Berufung zu betonen kommt heute einem seltsam zeitgeistigen „postmodernen Anti-Modernisteneid“ (S.169) gleich, der die Kirche zum Refugium vor all den verwirrenden Mehrdeutigkeiten der komplexen Wirklichkeit macht, zu einem pseudohistorischen Themenpark mit klarer Beschilderung.
Christiane Florin gibt aber auch eine erfrischend deutliche Bewertung solcher Fluchtversuche vor dem Anspruch von Geschlechtergerechtigkeit und bringt den Ungeist, der sich hinter all den hochspiritualisierten Phrasen vom Dienst und den weiblichen Besonderheiten verbirgt, auf den Punkt: „Will der Vatikan in einem Atemzug mit Saudi-Arabien genannt werden?“ (S.169)
In Der Weiberaufstand wird Klartext geredet: Über klerikale Verlustängste und übermütterliche Frauenphantasien zölibatärer Männer. Über Resignation und Erschöpfung von Frauen in der katholischen Kirche, die Konfrontationen zunehmend ausweichen. Über theologische Versuche, sich die Geschlechterungerechtigkeit in der Kirche durch alternative Modelle auf den unteren Ebenen schön zu reden.
Eine unterhaltsame und scharfsinnige Bestandsaufnahme bestehender Ungerechtigkeit der Geschlechter in der katholischen Kirche
Der Weiberaufstand ist nicht nur kein „Betroffenheitsbuch“ (S.9), er ist auch kein „Wie rede ich mir meine Kirche schön“-Buch, sondern eine unterhaltsame, scharfsinnige Bestandsaufnahme bestehender Ungerechtigkeit der Geschlechter in der katholischen Kirche, die umso glaubwürdiger ist, als die Autorin als Journalistin in keinerlei realem oder ideellen Abhängigkeitsverhältnis zur Institution steht. Und es ist ein Buch, dem man den Ärger über diese Strukturen der Ungerechtigkeit, über das fast tägliche Nein zu einer Änderung anmerkt.
Es wäre zu wünschen, dass möglichst viele geweihte Häupter Der Weiberaufstand lesen, gerne auch kapitelweise nach dem täglichen Brevier. Denn irgendwann hat frau auch von der Stilfigur der Wiederholung genug.
Ao.Univ.-Prof. DDr. Theresia Heimerl ist Religionswissenschafterin in Graz und Autorin des Buches „Andere Wesen. Frauen in der Kirche, Graz 2015“
Christiane Florin: Der Weiberaufstand. Warum Frauen in der katholischen Kirche mehr Macht brauchen, München 2017.