Ottmar Fuchs macht sich in seinem Buch „Kochen, tanzen, beten und andere Kraftquellen von Menschen in der Pflege“1 Gedanken übers Danken als Gespür für die Gnade.
„Danken nimmt unseren Erfahrungen die Flüchtigkeit und den Schein, sie seien zufällig, verdient oder gekauft. Danken hält inne, blickt auf eine Begegnung, auf eine eigene Fähigkeit und Leistung, auf einen Gegenstand zurück, bringt das Erfahrene noch einmal ins Blickfeld, um es als Geschenk, als von Gott her Verdanktes, als Gnade zu erleben und dies ihm gegenüber zum Ausdruck zu bringen. Dankendes Beten taucht unter die Geschehnisse des Alltags und verleiht ihnen eine tiefe Wurzel und einen intensiveren Stellenwert, nämlich den Ort in einer Begegnung, die von einem Geben und Empfangenen lebt.
Schon im Zwischenmenschlichen bereichert Danken das Leben der Menschen und vertieft ihre Beziehung. Danken macht sensibel füreinander und lässt auch nicht die kleinen Dinge übersehen, die Menschen im Alltag füreinander tun. Danken verleiht einem Geschehen ein neues Gewicht.
Danken verleiht einem Geschehen ein neues Gewicht.
Danken ist damit eine Weigerung gegen die gesellschaftlich und wirtschaftlich eingespurten Beziehungszwänge, in denen nur empfängt, wer etwas leistet und bezahlt. Jedes ‚Ich will ja nichts geschenkt‘ bringt das Tauschgeschäft ins Feld und verhindert tiefere menschlichere Begegnung. Denn wer nichts geschenkt bekommt, der braucht auch nicht zu danken; und wer nie erfahren hat, von Herzen danken zu können, dem wird dann auch die Fähigkeit zum Schenken ersterben.
Ich will ja nichts geschenkt.
Diese bereits menschlichen und zwischenmenschlichen Wirklichkeiten und Wirkungen des Dankens bilden auch die Basis für das entsprechende Verhältnis zu Gott: Kaum etwas ist Zufall in unserem Leben, allenfalls in dem Sinn, dass es uns zugefallen ist. Danken spricht so die Bedeutung unseres oft nur zufällig erscheinenden Lebens im Gespräch mit Gott aus und verleiht ihr in dieser Beziehung einen notwendigen Stellenwert. Was für die Menschen untereinander gilt, gilt auch für die Beziehung des Menschen zu Gott: Dem, der nicht danken kann, fehlt es an Beziehungsfähigkeit.
Kaum etwas ist Zufall in unserem Leben, allenfalls in dem Sinn, dass es uns zugefallen ist.
Christ*innen dürften sich also dazu ermuntern, öfter und auch vom Alltag her den Dank aufzufrischen: für Erfolge, für unser Leben, für viel Begegnungen der Freundlichkeit und Liebe, die wir unverdient bekommen, für die Natur, die Musik u. Ä. Im Dank versuchen wir zwischen den Ritzen des oft schweren Alltags solche Momente, die uns guttun, aufzusuchen und groß zu sehen. Von diesen Gedanken her hat das Danken auch eine in die Zukunft gerichtete Kraft: Es ‚wendet‘ den/die Beter*in ‚um‘ zu allem im Leben, was gut und schön ist; nicht nur schwarzzusehen, sondern das ‚Hellsehen‘ zu lernen, jedenfalls das Helle, das jedes Leben an sich hat, zu entdecken, nicht zuletzt das Gute und Schöne in uns selbst zu spüren und auszuweiten. […]
Hellsehen lernen!
Überreizt von der Umwelt und vom Vergleich mit den anderen, erwarten wir oft überwältigendere Ereignisse, die uns Dank abnötigen: einen Lottogewinn, eine Beförderung usw. In diesem Klima der permanenten Unzufriedenheit verlieren wir die kleinen und zärtlichen Momente aus dem Blick, die einfach so am Weg des Tages begegnen und, schaute man genauer hin, ein Geschenk für den Tag wären: ein Gesicht, ein Kunstwerk, eine Idee, ein kleiner Erfolg, ein gutes Wort. Wer dafür nicht sensibel wird und somit für einen Gott, der das alles auf uns zukommen lässt, wird auch die großen Geschenke, die anfanghaft oft in klein aussehenden Gaben verborgen sind, übersehen.“
___
Text: Ottmar Fuchs war Professor für Praktische Theologie in Bamberg und Tübingen.
Bild: Birgit Hoyer
- Kochen, tanzen, beten und andere Kraftquellen von Menschen in der Pflege, Würzburg 2020, 38-40. ↩