Indische klassische Tanzkultur in traditioneller Herz-Jesu-Feier? Der indische Jesuit und Tänzer P. Saju George gestaltete am Herz-Jesu-Freitag mit seiner Tanzgruppe eine Messe in Graz mit. Saskia Löser (Graz) analysiert die Liturgie und blickt anhand eines Interviews mit P. Saju auf die spirituellen Hintergründe.
Die Gestaltung der hl. Messe am Hochfest Heiligstes Herz Jesu 2022 in der Herz-Jesu Kirche in Graz gibt Anlass, über Bewegung und Begegnung im Gottesdienst nachzudenken. Drei Tänzerinnen und vier Tänzer aus dem Centrum Kalahrdaya in Kolkata (Kalkutta), unter ihnen P. Saju George (Priester und Meister des Bharata Natyam, der klassischen südindischen Tanz-Kultur) lobten und priesen Gott mit jeder Faser ihres Körpers, erzählten vom Heiligen Geist und vom Leben Jesu und eröffneten der Gottesdienstgemeinde eine weitere Weise der Begegnung von Herz zu Herz – miteinander, mit der Schöpfung, mit sich selbst und mit Gott.
Sieben Tänzerinnen und Tänzer in prachtvollen Gewändern tanzen die Mittelachse der Kirche entlang vom Tor zum Altarraum.
Orgelmusik ertönt zum Einzug von Priestern und Assistenz bei dieser Messe am Hochfest Heiligstes Herz Jesu. Ganz leise, fein und vorsichtig mischen sich Töne von kleinen Glöckchen dazu. Als der Vorsteher der Liturgie seinen Platz erreicht, tanzen sieben Tänzerinnen und Tänzer in prachtvollen Gewändern die Mittelachse der Kirche entlang vom Tor zum Altarraum: Rote und gelbe Bänder in den Händen schwingend, die Kraft und Lebensfreude ausdrücken, den Geist symbolisieren, wie Feuerzungen, wie Jubelrufe, hinschreitend zum Altar. Zu den Tönen der Orgel gesellen sich fröhliche Glöckchenklänge, lassen die Herzen springen. Und einige Menschen schwingen sich an ihrem Platz stehend ein in den Rhythmus der Tänzer:innen.
Jede Faser der Körper ist präsent, ausgestreckt hin zu Gott, den Mitmenschen, der Schöpfung.
Die Bewegungen der Tänzer:innen gehen ausdrucksstark von ihrem ganzen Körper aus. Im indischen Tanz gibt es unzählige Gesten der Finger, Hände, ebenfalls der Augen, Augenbrauen und des ganzen Gesichtes mit denen Inhalte ausgedrückt werden. Die Mimik ist reichhaltig und erzählt von Freude, Glück, Überraschung, Trauer, Wut und Angst. Die Füße bewegen sich im Rhythmus, begleitet von den kleinen Glöckchen an den Fußgelenken. Jede Faser der Körper ist präsent, ausgestreckt hin zu Gott, den Mitmenschen, der Schöpfung. So loben, preisen, klagen und trauern sie – mit jeder Dimension ihres Körpers. Durch ihren Leib und in der Bewegung treten die Tänzer:innen mit der Welt in Kontakt und drücken Gefühle aus. Dies nimmt die Zuschauer:innen mit hinein in die Bewegung, in die Gefühle, und lässt sie zugleich staunend zurück und auch ein wenig ratlos, denn wie gern würde man einstimmen in diese getanzte Kommunikation.
Als Antwort auf die Lesung aus dem Buch Ezechiel mit dem zentralen Gedanken „Ich [Gott] werde meine Schafe weiden und ich werde sie ruhen lassen“ ertönt ein Lobpreis der Schöpfung und des Schöpfers, der am siebten Tag ruhte und seine wunderbare Schöpfung betrachtete. P. Saju erzählt zunächst kurz den Inhalt des Tanzes und zeigt dabei bereits die Gesten (u.a. von Sternen, Mond, Sonne, von der überquellenden Liebe zum Schöpfer), welche dann im Tanz ausgedrückt werden. So ist der Inhalt des Tanzes für die Gottesdienstfeiernden nachvollziehbar, sie können den Gesten gedanklich folgen und so mit dem Herzen einstimmen in das Lob des Schöpfers. In zwei weiteren Tänzen im Verlauf der Messe werden die unterschiedlichen Dimensionen des Heiligen Geistes sowie das Leben Jesu zum Ausdruck gebracht.
Das Centrum Kalahrdaya (Herz der Kunst) von P. Saju George SJ dient Kindern und Jugendlichen zur Ausbildung.
Die Tänzer:innen kommen aus Kalkutta/Indien. P. Saju George, der Leiter der Gruppe, ist Jesuit und verbindet in sich christlichen Glauben und die indische Tradition des Tanzes. Ich hatte die Möglichkeit, mit ihm während seines Aufenthaltes in Graz über den Tanz, seine Wirkungsstätte sowie die Herz-Jesu-Frömmigkeit in Indien zu sprechen. Zum Centrum Kalahrdaya, in dem Kinder und Jugendliche eine Ausbildung in Englisch, Musik, Yoga und klassischem indischen Tanz erhalten können, hat bereits Susanne Kleinoscheg (welche die Gruppe auch nach Graz einlud) in feinschwarz.net berichtet. Kalahrdaya heißt übersetzt „Herz der Kunst“. P. Saju sagte mir dazu: „The heart is very important for me, as the seat of wisdom, the seat of feelings, emotion, knowledge, love, care and everything, so is our center also connected with the heart of Christ. We want to give love to people, peace to people.” Die Botschaft und ihr Anliegen, mit ihren Tänzen zu Frieden, Freude und Harmonie im menschlichen Herzen und in der Welt beizutragen, machten die Tänzer:innen durch ihre Kontakte mit den Zuschauer:innen deutlich.
Die Verbindung der menschlichen Herzen mit dem Herzen Gottes ist P. Saju persönlich wichtig. Bei unserem Gespräch sprach er über die Liebe Gottes, für die das Herz Jesu ein Symbol ist. Die Herz-Jesu-Frömmigkeit spielt in seiner Familie in Kerala eine große Rolle. Es ist ein Symbol der Freundlichkeit, Barmherzigkeit und Liebe Jesu. Darüber hinaus erzählte er mir, „you will also find in India many Hindu families, have this Sacred Heart of Jesus picture. Because they somehow feel happy and united with the aspect of the heart and the love of God.”
Die Tänze der Gruppe aus Indien, die Ausdruckskraft des Tanzes und kontrastreich dazu das Erleben von „Kirchenbankpotatoes“ lädt dazu ein, nach den Bewegungen im Gottesdienst zu fragen. Die Gottesdienste sind gewiss nicht bewegungslos – neben dem innerlichen Bewegt-sein wechseln Stehen, Sitzen, Knien und Gehen einander ab, anlassbezogen gibt es Prozessionen. Gesten mit den Händen (Hände falten, Hände auflegen, einander die Hände geben, mit den Händen den Leib Christi in Empfang nehmen) sind ebenfalls durchaus nicht fremd. Und doch kommt durch den Tanz noch eine weitere Dimension hinzu, in welcher der ganze Körper ausdrückt, was im Inneren bewegt und in welcher mehr das Herz als der Kopf spricht.
Mit dem Tanz kann neben dem Gesang eine weitere Dimension unseres menschlichen Ausdrucks im Gottesdienst realisiert werden.
Dem Tanz stand man in der katholischen Kirche jahrhundertelang überwiegend skeptisch ablehnend gegenüber. Erst seit der Mitte des 20. Jahrhunderts ändert sich dies langsam, und selten finden auch in Gottesdiensten Tänze statt. Einerseits sind dies solistisch oder von einem Ensemble, wie der Gruppe aus Indien, getanzte Stücke oder die ganze Gemeinde bewegt sich gemeinsam zum Tanz. So kann etwa mit einem Tanz zum Halleluja Gott mit dem ganzen Körper, mit freudigem Schwung gelobt und gepriesen und die Freude über seine gute Botschaft ausgedrückt werden. Auf diese Weise kann neben dem Gesang eine weitere Dimension unseres menschlichen Ausdrucks im Gottesdienst realisiert werden. Auch im Alltag äußert sich ein Jubel nicht allein in Worten, auch in Gesten mit Händen und Füßen. Und so ist es doch mit den Tänzen eigentlich ganz ähnlich wie bei Musikstücken – neben den Gemeindegesangliedern gibt es Stücke, die solistisch oder in einer Schola vorgetragen werden. Als Zuhörer:in kann man sich dann innerlich ganz hineinversenken in der Vorstellung, dass beispielsweise ein „Sanctus“ vom Chor auch stellvertretend für mich gesungen wird.
Die Gedanken und Gefühle im Inneren werden in der Leiblichkeit und in Bewegungen sichtbar.
Am Hochfest Herz-Jesu wird etwas im Inneren des Menschen Verborgenes in den Mittelpunkt gestellt – das Herz. Das Herz Jesu steht für Wärme, Feuer, Lebenslust, Zuneigung und die unendliche Liebe Gottes. Im Tanz kann ebenfalls im Innersten Verborgenes ausgedrückt werden, was den Menschen im Herzen bewegt – Lob und Preis, Angst, Klage und Trauer. Die Gedanken und Gefühle im Inneren werden in der Leiblichkeit und in Bewegungen sichtbar, mit denen der Mensch in Kontakt tritt mit seiner Umgebung. Die Tänze der indischen Gruppe haben gezeigt, dass Innerstes mit dem ganzen Leib ausgedrückt werden kann und zu den Mitmenschen, zur Schöpfung und zu Gott überströmt.
„We want to worship you [God], we want to glorify you, we want to sing you praises through the most beautiful way that we can do, though dance and music.” (P. Saju)
—
Autorin: Saskia Löser ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Liturgiewissenschaft der Katholisch-Theologischen Fakultät/Universität Graz und ein Viertel des Liturgischen Quartetts.
Bilder: privat
Spendenmöglichkeit für das Kalahrdaya-Projekt von P. Saju: Über die Österreichische Jesuitenmission.
Informationen zum Projekt: