Der Fasching nähert sich dem Ende. In Österreich versteht man darunter nur selten Zünfte, Gilden und Umzüge, sondern Bälle. Der Opernball in Wien ist der Höhepunkt der Ballsaison. Einige Elemente, die Bibel mit Fasching – und dem Opernball – verbinden, hat Elisabeth Birnbaum gesammelt
Fasching ist die Zeit der Gelage, die Zeit des Tanzens, die Zeit der Narren und die Zeit der Machtumkehr. Eine biblische Person, auf den gleich mehrere dieser faschingsrelevanten Aspekte zutreffen, ist David.
Eine Zeit der Gelage …
Festgelage sind im Fasching häufig. Festliche, prachtvolle Atmosphäre, Wein und gutes Essen gehören untrennbar zur Feierfreude. Auch auf dem Opernball herrscht Pracht und Glanz. Man erfreut sich am Rebensaft in Form von Champagner und genießt dazu ein oder mehrere Lachsbrötchen. In der Bibel ist das nicht viel anders. Dass David dem Wein und gutem Essen nicht abgeneigt ist, zeigt sich nicht nur in einem der ihm zugeschriebenen Psalmen.
Du lässt Gras wachsen für das Vieh (…) und Wein, der das Herz des Menschen erfreut, damit (…) Brot das Herz der Menschen stärkt (Ps 104,14f.)
In gleich zwei Erzählungen kommt ihm auf seinem Weg eine Person mit großen Mengen an Kuchen und Wein entgegen, um ihn damit für sich einzunehmen. Beide Male gelingt das auch: In 1 Sam 25 ist es die schöne Abigajil, die David dann auch zur Frau nimmt. Im anderen Fall der Diener des Saul-Enkels Merib-Baal, dem David als Dank für dieses Bestechungsgeschenk den Besitz seines Herrn zuspricht (2 Sam 16). Doch muss zugegeben werden, dass in dieser Hinsicht Davids Sohn Salomo weitaus „karnevalesker“ ist. Mit seinen prachtvollen Gelagen beeindruckt er sogar die Königin von Saba (vgl. 1 Kön 10). Sein Bedarf an Speisen für seine Gastmähler beläuft sich täglich auf „zehn Mastrinder, zwanzig Weiderinder, hundert Schafe, nicht gerechnet die Hirsche, Gazellen, Rehe und das gemästete Geflügel“ (1 Kön 5,3). Ein anderer „Sohn Davids“ im weiteren Sinn, Jesus, verachtete Festessen auch nicht und war offenbar nicht nur bei der Hochzeit zu Kana als gern gesehener Gast dabei. Sonst hätte man ihm wohl kaum vorgeworfen ein „Fresser und Säufer“ zu sein (vgl. Mt 11,19). (Am Opernball handelt man sich diesen Vorwurf angesichts der Preise übrigens nur schwer ein).
Eine Zeit des Tanzens …
Die heilende Kraft fröhlicher Musik kennt David wie kein zweiter. Immerhin ist er der erste biblische Musiktherapeut. Als König Saul sich von bösen Geistern bedrängt fühlt, ruft man nach dem jungen David und lässt ihn auf der Leier spielen (vgl. 1 Sam 16): „Dann fühlte sich Saul erleichtert, es ging ihm wieder gut und der böse Geist wich von ihm.“ Damit sind gleich zwei Aspekte des Karnevals angesprochen: Zum einen die Musik, die weder bei einer Faschingsfeier noch beim Opernball fehlen darf. Zum anderen die Vertreibung böser Geister, die ja auch im Fasching ihren Platz hat. Und was den Tanz angeht, zu dem die Musik beim Opernball inspirieren soll: David schreckt trotz königlicher Würde nicht davor zurück, ausgelassen zu tanzen und zu hüpfen, zu Musik und Jubelschreien (vgl. 2 Sam 6,1–23). Der Anlass ist freilich ein großer: Nicht das zugegebenermaßen umwerfende Ambiente und das gute Orchester des Wiener Opernballs bringen David zum Tanzen, sondern die Heimholung der Bundeslade nach Jerusalem.
Närrisches Treiben
Fasching ohne Narren wäre kein Fasching. Am Opernball sind es eher unfreiwillige Narren, die in abenteuerlichen Gewändern den Ball bevölkern. Biblisch erweist sich David auch in dieser Hinsicht als faschingsaffin. So begeistert ist er über seine Mission, die Bundeslade nach Jerusalem zu bringen, dass er sich dabei zum Narren macht. Zwar ist sein Gewand nicht so teuer und extravagant wie beim Opernball. Dennoch ist es durchaus ungewöhnlich: Statt mit Designer-Smoking und Haute-couture-Fliege findet er mit einem Leinen-Schurz, wie ihn Priester tragen, sein Auslangen. Seine offenbar eher humorlose Ehefrau namens Michal verachtet ihn denn auch dafür. Sie sieht ihn in diesem Outfit, also halbnackt, vor der Bundeslade springen und tanzen und begrüßt ihn sarkastisch (2 Sam 6,20): „Wie würdevoll hat sich heute der König von Israel benommen, als er sich vor den Augen der Mägde seiner Untertanen bloßgestellt hat, wie sich nur einer vom Gesindel bloßstellen kann.“ David kontert, für Gott wolle er sich „gern noch geringer machen“. Und Gott gibt dem „Narren“ recht – und Michal „bekam bis zu ihrem Tod kein Kind“ (2 Sam 6,23).
Umkehr der Machtverhältnisse
A propos Geringermachen: Karneval oder Fasching ist vor allem auch eine Zeit der Umkehr der Machtverhältnisse. Zumindest für einen Tag dürfen „einfache“ Menschen Kaiser, König oder Edelmann sein, Prinzessin, Hollywoodstar oder wenigstens Darth Vader. Politiker dürfen ungestraft beleidigt und Mächtige kritisiert werden. Und auch in der Wiener Staatsoper zeigt sich zumindest eine gewisse Umkehr der Verhältnisse. Dort, wo sonst große Stars singen oder tanzen, auf der Bühne, tanzen an diesem Abend „normale“ Menschen – wenigstens die, die sich dieses Vergnügen leisten können und wollen.
„Denn deine Macht stützt sich nicht auf die große Zahl, deine Herrschaft braucht keine starken Männer, sondern du bist der Gott der Schwachen und der Helfer der Geringen“ (Jdt 9,11)
Die biblischen Erzählungen sprechen darüber hinaus von einer weitaus nachhaltigeren Umkehr der Machtverhältnisse. Bei David zeigt sich die Machtumkehr gleich in mehrfacher Hinsicht: Nicht einer seiner immerhin sechs älteren Brüder wird vom Propheten Samuel zum König gesalbt, sondern er, der jüngste, der Schafe hütet (1 Sam 16). Und nicht der übermächtige, starke, bis auf die Zähne bewaffnete Goliat gewinnt den Zweikampf, sondern er, der kleine, schmächtige, unbewaffnete David, dem jede Rüstung viel zu groß ist (1 Sam 17). Die scheinbar Schwachen, Machtlosen besiegen die Hochgerüsteten und Mächtigen. Dieses Muster durchzieht die gesamte Bibel. Mehrfach werden die jüngeren Brüder den älteren vorangestellt: Jakob dem Esau, Efraim dem Manasse oder Salomo dem Adonija. Die Israeliten ziehen aus dem „Sklavenhaus“ Ägypten aus und die Flucht gelingt, obwohl sie unbewaffnet sind und vom modernsten Militärapparat der Zeit bedrängt werden (Ex 14–15). Judit geht allein und ebenfalls unbewaffnet ins unüberschaubar große Heerlager der Assyrer, die bereits fast die ganze Welt erobert haben, und kann unbehelligt den Heerführer töten und ihr Volk retten (Jdt 10–13).
Nie endender Fasching in der Bibel …
Der Fasching geht in einer Woche zu Ende. Der Opernball endet Freitag früh. Die biblische „Faschingszeit“ dagegen endet nicht. Wieder und wieder lädt Gott sein Volk zum Festmahl ein. Wieder und wieder lässt er es tanzen, jubeln, feiern und närrisch vor Freude werden. Und wieder und wieder kehrt er die Machtverhältnisse um.
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Elisabeth Birnbaum ist Direktorin des Österreichischen Katholischen Bibelwerks und seit Juni 2018 Mitglied der Redaktion von Feinschwarz.
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