Mitglieder der Institute für Islamische, Evangelische und Katholischer Theologie der Universitäten Hildesheim und Osnabrück haben auch im digitalen Semester interreligiöse Studientage veranstaltet.
„… damit ihr einander kennenlernt“ (Sure 49,13)
Ein Seminar zum interreligiösen Begegnungslernen in Corona-Zeiten durchzuführen, scheint auf den ersten Blick fast paradox. So leben solche Formate geradezu von der realen Begegnung, dem zu Gast-sein an den religiösen Orten Kirche und Moschee oder beim Gebet der anderen Religion, dem Zusammensein auch beim Essen oder informell bei der Abendgestaltung. Das Team der Interreligiösen Studientage an den Universitäten Hildesheim und Osnabrück hatte vor diesem Hintergrund beschlossen, aus der Not eine Tugend zu machen und den Studierenden der katholischen, evangelischen und islamischen Theologie zumindest Begegnungen im virtuellen Raum zu ermöglichen.
Nach Abschluss des Seminars, das wie in den vergangenen Jahren von der Dr. Buhmann Stiftung gefördert wurde, zeichnet sich ab, dass auf diesem Wege viel mehr möglich war, als zunächst erhofft. Es ist aber auch klar, dass die reale Begegnung nicht ersetzt werden kann. So zeigen erste Rückmeldungen der Studierenden, dass trotz viel positiver Resonanz diesmal der Überschwang, der sonst durch die Gruppendynamik eines dreitägigen Zusammenseins entstand, etwas fehlte. Es war so ein „alltäglicheres“ Seminar, was aber einige durchaus positive Aspekte hatte.
Ein alltäglicheres Seminar.
Als erste Beobachtung und Vorteil des Seminars in Online-Präsenz ist zu nennen, dass es so tatsächlich möglich war, mit Studierenden zweier Universitäten während des laufenden Semesters ortsunabhängig ein kooperatives Seminar durchzuführen. Dadurch wurde Neuland betreten, da die interreligiösen Studientage bisher als Blockseminar in der vorlesungsfreien Zeit stattgefunden haben. Um den Studierenden einerseits das Kennenlernen zu erleichtern und andererseits die inhaltlichen Schwerpunkte nicht zu vernachlässigen, fanden semesterbegleitend fünf Videokonferenzen zu folgenden Themen statt: Kirche, Moschee, Weihnachten und dem jüdischen Lebenskreis statt, die durch eine verkürzte synchrone Kompaktphase im virtuellen Raum ergänzt wurden. Die regelmäßigen Videokonferenzen waren so gestaltet, dass den Studierenden nach einer kurzen thematischen Hinführung Breakout-Räume und interaktive Pinnwände zur Ergebnissicherung zur Verfügung gestellt wurden, sodass sie ausreichend Zeit hatten, um in den vorab festgelegten, konfessionell und interreligiös gemischten Kleingruppen zu arbeiten.
Durch die konstante Gruppenzusammensetzung wollte das Team den Studierenden in vertrauter Atmosphäre Möglichkeiten zum informellen und vertieften Austausch geben sowie die gemeinsame Zusammenarbeit mit Blick auf die geforderte Studienleistung erleichtern. Nach den Worten einer Teilnehmerin „kam es auch außerhalb der Seminarzeiten zu interreligiösen Gesprächen“, die sie „als sehr bereichernd wahrgenommen“ hat. Genau das hatten wir uns erhofft, wenn das auch nicht in allen Gruppen gleichermaßen gut geklappt hat.
Ein zweiter Vorteil von Online-Seminaren liegt in der einfachen Möglichkeit Gastreferent:innen zuzuschalten, in unserem Fall eine jüdische Studentin aus Berlin und einen muslimischen Fotografen aus Kopenhagen. Im Gespräch mit der angehenden Rabbinerin Helene Shani Braun vom Abraham-Geiger-Kolleg konnten wir einigen muslimischen Schüler:innen einer Lerngruppe des islamischen Religionsunterrichts eines 8. Jahrgangs eine partielle Teilnahme ermöglichen. Die trialogische Öffnung für eine Sitzung kam auch in diesem Jahr wieder sehr gut an. Hier haben wir einen Wunsch der Teilnehmer:innen der Interreligiösen Studientage 2018 direkt umgesetzt.
Internationale Zuschaltungen
Trialogische Öffnung
Dadurch, dass sich das Seminar über das ganze Semester erstreckte, konnte insgesamt sehr intensiv auch außerhalb der regulären Seminarzeit gearbeitet werden. Es entstanden sehr kreative teils sogar interaktive selbst gedrehte Erklärvideos und interreligiöse Unterrichtsideen. Die dabei zu meisternden Herausforderungen boten vielfältige Lerngelegenheiten und Gesprächsanlässe, die als bedeutsame Vorbereitung auf etwaige Kooperationen an den Schulen im zukünftigen Lehrer:innenalltag wahrgenommen wurden. So entwickelte sich für einige der Gruppen, die ein Erklärvideo als kooperative Studienleistung gewählt hatten, die wichtige Frage, wie dabei mit dem islamischen Bilderverbot umgegangen werden sollte.
Erklärvideo und Bilderverbot
Der Wegfall des Erlebens der religiösen Orte Kirche und Moschee wie der gegenseitigen Einladung, beim Gebet zu Gast zu sein, konnte durch die inhaltliche Vielfalt zum Teil ausgeglichen werden. Dabei ging es um Vorstellungen der ersten Prophetenmoschee, grundlegende architektonische Elemente und auch um die Tücken des interreligiösen Dialogs am Beispiel der Kathedrale von Córdoba, einer ehemaligen Moschee. Christlicherseits konnten gängige kirchenraumpädagogische Konzepte analysiert und auf ihre Anwendbarkeit im interreligiösen Dialog geprüft werden. Außerdem kam die Vielfalt des regionalen Brauchtums in der Weihnachtszeit zur Sprache.
Kirchenraumpädagogische Konzepte in der Prüfung auf ihre Anwendbarkeit im interreligiösen Dialog.
Auch im Hinblick auf die Ergebnispräsentation wurde nach innovativen Möglichkeiten gesucht, durch die einerseits eine angemessene Würdigung der Studierendenergebnisse und andererseits ein vertiefter interreligiöser Austausch als Seminarabschluss möglich ist. Ein „Highlight“ in dieser Hinsicht war ein abschließender virtueller Museumsrundgang mit ausgestellten Arbeitsergebnissen und weiteren impulsgebenden Materialien. Mithilfe eines für diesen Zweck bei Kunstmatrix angemieteten 3D-Ausstellungsraums konnten die Studierenden während der Seminarzeit selbstständig die einzelnen Ergebnisse betrachten und diese anhand verschiedener Impulsfragen religionsdidaktisch analysieren. Wichtig war den Teilnehmer:innen hier auch der offene und direkte Austausch über die ausgestellten Unterrichtsentwürfe und Lernvideos in der sich anschließenden Gruppenphase.
Auch wenn die Teilnemer:innen den direkten Kontakt vermissten, beurteilten sie die Möglichkeiten des digitalen Lernens in der diesjährigen Form durchweg positiv: „So wie [… sie] in diesem Jahr stattgefunden […haben], habe ich es als ideal empfunden. Die semesterbegleitende Phase bot die Chance, sich langsam gegenseitig kennenzulernen […] und nach und nach in einen interreligiösen Austausch zu gelangen. Die Kompaktphase stellt[e] dann einen schönen Abschluss der Zusammenarbeit dar.“
Vor diesem Hintergrund erscheint uns eine hybride Konzeption mit einer abschließenden Kompaktphase in Präsenz eine vielversprechende Alternative. Dadurch, dass hybride Seminarveranstaltungen angesichts knapper personeller Ressourcen aus unserer Erfahrung heraus leichter als eine längere Kompaktphase in Präsenz umsetzbar sind, könnten interreligiöse Lehr- und Lernangebote wie die Interreligiösen Studientage durch den unterstützenden Einsatz virtueller Lernräume zukünftig begünstigt werden. Zudem erfahren die Studierenden dadurch die Möglichkeiten digital gestützten Lernens für ihre eigene spätere schulische Praxis, soll doch digital gestütztes Lernen viel mehr sein, als nur das Hoch- und Herunterladen von Arbeitsblättern. Auch für den schulischen Alltag ließen sich durch intelligent genutzte Tools Begegnungen in neuer Form in den Unterricht holen.
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Text: Dr. Jörg Ballnus, Dr. Theresa Beilschmidt, Dr. Anne-Elisabeth Roßa, Dr. Michael Schober, Interreligiöse Studientage an den Universitäten Hildesheim und Osnabrück.
Bild: Anne-Elisabeth Roßa, Gruppenfoto.