Oktober – traditioneller Rosenkranzmonat – Maria geweiht: Frauen erzählen, was sie heute mit der Gebetsform anfangen und was ihnen Maria bedeutet. Silke Bienert über das „Ja“.
Das schönste Wort der Welt ist Ja! … diesen schönen Satz hat mein Sohn gepostet, nach dem „Ja“ zu seinem Heiratsantrag. Nicht immer ist das so einfach mit dem Ja-Sagen. Oft fällt es richtig schwer und geht kaum über die Lippen. Weil es Konsequenzen hat und das Leben auf den Kopf stellen kann. Weil es anstrengend ist und herausfordert. Weil es verändert.
Ja
Ja sagen ist eine Entscheidung. Das passiert nicht einfach so. Ein wirkliches Ja gibt es nicht ohne die andere Möglichkeit, das Nein. Wo das Nachdenken über Alternativen und die wirkliche Entscheidung fehlt wird das Ja-Sagen schnell beliebig. Der Ja-Sager, der kein Nein mehr denken und erst recht nicht sagen kann, verliert die Kontrolle über sein Leben wie Jim Carrey im gleichnamigen Film.
Ja sagen wir immer wieder in unserem Leben. In großen Dingen und in Kleinen, in Wichtigen und Unwichtigen. Ja zu einer Partnerin oder einem Partner, ja zu einer Ehe, ja zur Ehelosigkeit, ja zum Alleine-leben, ja zu meinem Kind, Ja zu einer Arbeit, ja zu neuen Aufgaben, Ja zum Leben.
Ja sagen wir manchmal sehr bewusst nach langer Zeit des Überlegens. Manchmal sagen wir es ganz spontan und mutig – und sind dann überrascht von unserem Mut. Manchmal bekommen wir es doch wieder mit der Angst zu tun.
Ja oder nein?
Das Leben ist voll von Herausforderungen und dem Ruf nach Entscheidungen. Die Entscheidung, Ja zu sagen, kann oft schwierig sein. Ich glaube, dass es für ein Ja zum Leben immer wieder neu eine bewusste Entscheidung braucht. Manchmal ist das wirklich viel verlangt!
In meinem Beruf habe ich viel mit Menschen zu tun, deren Ehen gescheitert sind, die Nein zu ihrer Ehe sagen. „Nein, mit ihm/ihr will ich nicht mehr zusammen sein“. Ich erfahre immer wieder, dass sich etwas verändert, wenn diesem Nein ein Ja folgt: Ein Ja zu einem persönlichen neuen Anfang, ein Ja dazu, gemeinsam Eltern zu bleiben, ein Ja dazu, die Probleme nach der Trennung mit Respekt voreinander zu lösen. Wenn das passiert wird eine Veränderung deutlich spürbar und ich freue mich immer wieder, das zu erleben und zu begleiten. Nach einer Trennung, oft mit vielen Verletzungen, ist so ein Ja zur Zukunft nicht immer einfach.
Als während des Lockdown die sozialen Kontakte auf ein Minimum reduziert waren, ging es mir eine Zeitlang wirklich schlecht. Ich konnte nur noch den Mangel wahrnehmen, was alles nicht geht. Ich lebe alleine und alles, was mir wichtig ist, war plötzlich in Frage gestellt. Die Aktivitäten in meiner Pfarrei, Gottesdienste in Gemeinschaft, meine vielen Kontakte, alles wurde plötzlich kompliziert oder unmöglich. Voller Neid habe ich dann z.B. Familien und Paare erlebt, die ganz selbstverständlich ihre Gemeinschaft innerhalb der Familie weiterleben konnten.
Obwohl sich mein Leben eigentlich gar nicht so sehr verändert hat. Verändert haben sich die Umstände. Ich war auch vor Corona-Zeiten oft (und meist gerne) alleine. Weil es in dieser Zeit aber keine Entscheidung mehr war, sondern von den Umständen aufgezwungen, konnte ich es schwer aushalten. Ein Ja zu meinem Alleine – Leben wurde schwierig.
Meine Seele preist die Größe des Herrn und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.
Seit einiger Zeit gibt es in meiner Pfarrei eine Gruppe von Menschen, die regelmäßig zusammen die Vesper beten. Während des Corona-Lockdown haben wir begonnen, in einer Telefonkonferenz weiter zusammen zu beten. In der Zeit des Mangels an realer Gemeinschaft hat dieses gemeinsame Stundengebet am Telefon uns „Telefon-BeterInnen“ spüren lassen, dass es die Gemeinschaft schon noch gibt. Mittlerweile können wir uns wieder real treffen. Die Zeit der Telefonvesper hat unsere Gebetsgemeinschaft verändert. Wir haben ganz konkret gespürt, dass man alleine zuhause sein und doch mit der Gebetsgemeinschaft eng verbunden sein kann.
Nicht zuletzt durch diese Erfahrung gewinnt seit einiger Zeit das Stundengebet eine immer größere Bedeutung für mich. So habe ich in der Zeit, als es mir nicht gutging, fast jeden Abend als Bestandteil der Vesper das Magnificat gesungen. Mit der Zeit hat es etwas verändert, diesen Jubel und dieses Lob immer wieder zu sprechen oder zu singen.
Maria hat erfahren, dass sie schwanger werden und Gottes Sohn zur Welt bringen wird. Sie war sicher (auch) voller Angst und Sorge vor dieser gewaltigen Aufgabe und diesen überwältigen Ereignissen. Ihre Zukunft als Schwangere und Mutter ohne den dazugehörigen Vater war alles andere als einfach und ruhig. Genau in dieser Situation hat sie so deutlich und mutig „Ja“ gesagt. Ein Ja voller Freude und unerschütterlichem Vertrauen. Sie hat sich entschieden und „Ja“ zum Leben und bedingungslos „Ja“ zu Gott gesagt. Im Magnificat wird der Jubel und ihre Freude darüber deutlich spürbar.
Gott will mein Ja!
Mit Maria zusammen im Magnificat zu jubeln, hat mich spüren lassen:
Gott will mein Ja – jetzt – jeden Moment. Auch und gerade dann, wenn es schwierig ist. Er ist dabei und begleitet und hilft, und er will eine Entscheidung. Immer wieder neu. Kein beliebiges Ja, weil das Nein nicht gedacht werden darf. Kein Ja unter Bedingungen, sondern ein bedingungsloses Ja. Ein Ja, wie es Maria laut und deutlich gesagt hat. In Kenntnis der Schwierigkeiten und mit all den Ängsten und Sorgen, die nun mal dazugehören. Ein solches bedingungsloses Ja zu Gott macht im Innersten frei. Es lässt die Ungereimtheiten und die Ängste nicht verschwinden, aber es kann ihnen eine starke Kraft entgegensetzen, die hilft, sie auszuhalten.
Als ich für diesen Text über Maria nachgedacht habe, habe ich Widerstand in mir bemerkt: Mir wurde bewusst, dass ich Maria mit süßlichen Verehrungsritualen, rührseligen Liedern und mit älteren Frauen, die beim Rosenkranzbeten irgendwelche unverständlichen Sachen runterleiern, in Verbindung gebracht habe. Damit kann ich eigentlich gar nichts anfangen – dachte ich.
Gleichzeitig habe ich aber auch eine Sehnsucht nach genau diesen Liedern und nach Abtauchen in Wärme und Geborgenheit. Ich schrecke immer wieder davor zurück, habe manchmal Sorge, dadurch eine Art „Weichspüler-Glauben“ zu leben und wehre mich dagegen. Warum eigentlich?
Immer wieder merke ich, dass es ganz anders ist: Von den Frauen (und wenigen Männern), die ich immer wieder beim Rosenkranzbeten erlebe, kann ich sehr viel lernen, was Vertrauen, Verlässlichkeit und Entscheidung angeht. Ich glaube, Maria kann auch auf diesen vermeintlichen Widerspruch eine Antwort geben.
Bekannte Marienlieder sind für mich mit Erinnerungen an eine schöne Kindheit und mit Wärme und Geborgenheit verbunden.
Wenn ich alleine in „meine Kirche“ gehe, setze ich mich gerne vor den Marienaltar. Vor diesem Altar hatte ich eines der wichtigsten Gespräche meines bisherigen Lebens. Jedes Mal gehe ich gestärkt wieder weg. Es ist ein vertrauter Ort, der mir Kraft und Ruhe gibt. Das hat nichts mit Rührseligkeit zu tun, sondern mit Kraft und Mut fürs Leben.
Ich bete regelmäßig abends die Vesper – allein zu Hause und immer wieder auch in Gemeinschaft – und im täglichen Ritual wird mir vor Allem das Magnificat immer vertrauter und wichtiger. Gerade dieser Text hat ja gar nichts Rührseliges, sondern es ist ein kraftvoller und mutiger Text. Ein Ja zum Leben und zu Gott mitten in den Herausforderungen des Lebens.
Ich brauche Vertrautes, um mich daran festhalten zu können. Gleichzeitig will ich mich weiterentwickeln und offen sein für Neues und für vielfältige Erfahrungen. Das muss kein Widerspruch sein.
Maria ist für mich beides: vertraute Erinnerung und Eingehüllt-sein in Wärme und Liebe und gleichzeitig die Herausforderung, wirklich Ja zu sagen. Ja zu Gott und Ja zu meinem Leben. Eine Entscheidung zu treffen. Nicht eingelullt bleiben in lauter Wärme und Liebe, sondern sich dem Leben zu stellen mit allen Schwierigkeiten und Ungereimtheiten und Herausforderungen.
Und dabei auf Gott vertrauen.
Manchmal gelingt mir das. Dann fühle ich mich frei – und dann möchte ich einstimmen in den Jubel:
Meine Seele preist die Größe des Herrn,
und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.
Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut.
Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.
Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig.
Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten.
Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten:
Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind.
Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen.
Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen.
Er nimmt sich seines Knechtes Israel an und denkt an sein Erbarmen,
das er unsern Vätern verheißen hat, Abraham und seinen Nachkommen auf ewig.
Lk 1,46b-55
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Text: Silke Bienert ist Diplom-Sozialpädagogin (FH), Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht.
Bild: Norbert Korn