Die beiden Theologinnen Bernadette Embach und Maria Rhomberg erinnern daran, dass es in der katholischen Kirche noch immer junge Frauen gibt. Und dass sie selbstbewusst die Stimme erheben.
Es gibt uns noch: Junge Frauen*, die sich in der Kirche engagieren. Jung ist dabei relativ gesehen. Von Mitte 30 bis knapp unter 30 Jahren zählen wir zu den jungen Katholik*innen. Von Gleichaltrigen und Jüngeren wird unser kirchliches Engagement als junge gebildete Frauen* oft als kurios bis kritisch bewertet. Die katholische Kirche gilt bei vielen als Modelform einer überholten patriarchalen Struktur. Wir unter 40-jährigen sind die erste Generation, die unter dem Grundsatz der Gleichberechtigung ausgebildet wurde. Wir sind die erste Generation, für die eine gesetzlich verankerte Gleichstellung zwischen den Geschlechtern die rechtliche Norm darstellt. Die Generation nach uns wird von Beginn an in einem Rechtsstaat aufwachsen, der eine Vielzahl von Geschlechtern und Lebensformen anerkennt. Mit Menschen unserer Generation, den Klassen- und Studienkolleg*innen, in der Peer-Group, in (kirchlichen) Jugendgruppen musste nicht diskutiert werden, dass Gleichstellung ein Grundwert ist. Sogar einige Menschen – auch junge – stellen in Frage, ob feministisches Engagement in unserer Gesellschaft überhaupt noch notwendig ist.
Und dann – der Bruch
Aber dann, unvermittelt, kommt der Bruch. Auch heute noch. Mit Eintritt ins Berufsleben werden die unterschiedlichen gesellschaftlichen Ansprüche, die an Männer und Frauen gestellt werden, deutlich sichtbar(er). Phänomene wie der „Gender pay gap“ und die ungleiche Verteilung von Frauen und Männern in politischen und wirtschaftlichen Führungs- und Machtpositionen werden ganz real, betreffen unmittelbar das eigene Leben. Innerhalb der Kirche werden diese Mechanismen verstärkt durch einseitige Rollenzuweisungen an die jeweiligen Geschlechter, nicht selten verbunden mit einer dem Naturrecht entliehenen Strategie. Die daraus resultierende systemimmanente Zuteilung von Macht an zölibatär lebende Männer widerspricht jeglicher Logik, mit der wir aufgewachsen sind.
Für uns stellt sich nicht mehr die Frage, ob Gleichstellung ein Ziel ist, sondern vielmehr wie sie endlich zu erreichen ist. Den Feminismus verstehen wir als ein Werkzeug, das ein besseres Zusammenleben für alle Geschlechter bewirkt. „Der Feminismus zielt also auf Gesellschaftskritik, auf einen grundlegenden Wandel der Geschlechterverhältnisse, die unser Zusammenleben bestimmen.“[1] Die Vision von Gleichstellung liegt dabei für uns nicht nur in einem pauschal aufklärerischen Ideal begründet, sie ist auch und vor allem genuin in der christlichen Botschaft angelegt. Deshalb wünschen und fordern wir eine Kirche, die diese Botschaft ernst nimmt und sich auf sie stützt, sich auf ihre Vorbildwirkung rückbesinnt und eine echte Wandlung vollzieht.
Wir stehen vor einem Paradoxon
Als junge, gebildete Frauen* und Männer*, die wir Teil der katholischen Kirche sind, stehen wir jetzt vor einem Paradoxon. Wir bekennen uns zu einer Gemeinschaft, die uns gleichzeitig jedoch in unseren Rechten und Entfaltungsmöglichkeiten beschneidet. Viele Menschen haben sich von der Kirche bereits abgewandt oder sind gegangen, weil sie aufgrund ihrer eigentlich zutiefst christlichen Ansichten von der Kirche ausgeschlossen werden. Die Spaltung in der Kirche ist dadurch längst schon da. Wieso bleiben wir noch?
Im direkten Vollzug unseres kirchlichen und spirituellen Lebens, v.a. in der Jugendzeit, hat uns genau diese Kirche auf vielen Ebenen gefördert und bereichert, uns wachsen lassen und uns unsere eigenen Berufungen erkennen lassen. Ihre Vertreter*innen haben uns ein tiefes Gefühl einer kraftvollen Gemeinschaft geschenkt, uns vielleicht auch geschützt vor destruktiven Strukturverhältnissen. Wir durften in unseren Gemeinden „Groß-Werden“, miteinander und füreinander in gleicher Würde Verantwortung übernehmen und dabei erleben, was Gemeinschaft und gelebte Spiritualität bedeutet.
Es ist also diese Vision des Zusammenlebens, die uns die Kirche geschenkt hat, die wir nicht aufgeben wollen. Es ist die Vision einer Gemeinschaft, in der die Einheit in Vielfalt möglich ist. Aufgrund dieses Wunsches haben wir die Initiative bleiben.erheben.wandeln gegründet, eine Plattform für Frauen und Männer aller Generationen, die der Wunsch nach Gleichstellung verbindet. Wir finden: Es gibt keinen Masterplan. Aber wir fangen an! Wir richten einen kritischen Blick auf die Ist-Situation der katholischen Kirche, in der Gleichstellung von Frauen und Männern im angebrochenen Reich Gottes noch nicht vollendet ist. Durch Vernetzung, Gemeinschaft bilden, kritische Auseinandersetzung, Aktionen setzen, zur Sprache bringen, etc. wollen wir konkrete Schritte setzen. Ziel ist es, die Einheit der Kirche zu stärken und zu schützen.
Gängige Totschlagargumente
Es gibt scheinbar Kräfte in der Kirche, die unseren Bemühungen nichts Positives abgewinnen können. Anscheinend stößt der Wunsch nach gleicher Würde für alle bei manchen Menschen auf Widerstand. Immer noch werden gängige Totschlagargumente herangeführt wie: „Jesus hat nur Männer zu Aposteln berufen“, „Die Fixierung der Frauen auf die Ämter ist falsch“, oder, wie es Christiane Florin ausdrückt: „Was soll denn die Weihe von Frauen bringen? Die evangelische Kirche hat Pfarrerinnen, steht die etwa besser da?“[2] Solche Argumentationsweisen verhindern eine ernsthafte und wertschätzende Auseinandersetzung auf Augenhöhe. Exegetisch und historisch sind die im Hintergrund stehenden Fragen von der Theologie längst beantwortet worden. Das Wissen hierüber ist inzwischen Allgemeingut des theologischen Fachdiskurses. Seltsam, dass dies keinen Widerhall findet in den kirchlichen Strukturen. Die Grundlagen wurden gelegt, doch ist es weiterhin notwendig, sich für diese überfällige Veränderung zu engagieren.
Neben unterschiedlichen Aktivitäten von bleiben.erheben.wandeln findet aktuell die Aktion „50 Tage 50 Frauen“ starkes Echo in der österreichischen und gesamten deutschsprachigen Medienlandschaft. Zwischen Ostern und Pfingsten haben 50 Frauen in einem Blog von ihren Charismen, ihren Hoffnungen und Visionen von Kirche, aber auch von ihrem Leiden an den bestehenden Strukturen erzählt. Vor allem die Erschütterungen über die kirchlichen Missbrauchsfälle und die alltäglichen Erfahrungen von Sexismus in der Kirche, lässt viele von ihnen mit neuer Dringlichkeit ihre Stimme erheben. In vielen Ländern starten momentan Kampagnen von Frauen* und Männern* aller Generationen: Overcoming Silence (international), Donne per la Chiesa (Italien), Gebet am Donnerstag (Schweiz), Maria 2.0 (Deutschland), Online-Petitionen oder auch Einzelpersonen wie die junge Theologin Jacqueline Straub, die laut und deutlich von ihrer Berufung spricht. Dabei wirkt der Kairos mit: Durch die Möglichkeiten der Vernetzung über soziale Medien weiß man voneinander, kann sich verbinden, unterstützen und dabei stärken. Und eine gemeinsame Vision teilen: „Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist“ (Röm 14,17) für alle Frauen und Männer in der Gemeinschaft unserer Kirche.
MMag.a Maria Rhomberg und Mag.a Bernadette Embach.
[1] Maja Beckers: „Die Macht der Körper“ In: Hohe Luft, Philosophie-Zeitschrift 4 (2019), S. 63-67, hier S. 64.
[2] Christiane Florin: „Der Weiberaufstand. Warum Frauen in der katholischen Kirche mehr Macht brauchen“. München 2017, S. 12.
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