Das bestehende System der Kirchensteuer scheint immer unattraktiver. Anna Ott ordnet es in eine zu entwickelnde Neukonzeption ein.
Die katholische Kirche kämpft an vielen Fronten. Nicht zuletzt führt ihr Vermögen und der Umgang hiermit immer wieder zu Kritik. Verliert die Kirche an Glaubwürdigkeit und Nähe zu den Menschen und somit an Mitgliedern, so schwinden auch ihre materiellen Ressourcen. Kirchensteuern können in Deutschland all jene Kirchen und Religionsgemeinschaften erheben, die den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts haben. Für die römisch-katholische Kirche stellt die Kirchensteuer die wichtigste Einnahmequelle dar. Das ist sie aber nur, solange die Menschen bereit sind, sie zu zahlen. Und das scheint immer mehr zum Problem zu werden, wenn es darum geht, die Kirchenfinanzierung auch perspektivisch sicherzustellen.
Für den Sozialstaat mit erheblichen Vorteilen.
Was zunächst nach einem innerkirchlichen Problem klingt, betrifft originär auch die Rolle von Kirche in der Gesellschaft. Die Kirchen sind in vielen Bereichen wichtige Akteur:innen im gesamtgesellschaftlichen Gefüge. Eine finanziell gut gestellte Kirche ist in der Lage, weitreichende kulturelle, soziale und caritative Projekte zu verwirklichen. In der mitmenschlichen Begleitung auch in nicht kirchlich geprägten Kontexten und Biografien geht es vielfach eben auch um die Finanzierung sozialstaatlicher oder wenigstens öffentlicher Aufgaben. Würden die Kirchen sich hier aufgrund mangelnder Finanzierungsmöglichkeiten zurückziehen müssen, müsste der Sozialstaat diese Leistungen auf andere Weise sicherstellen. So formulierte bereits das Bundesverfassungsgericht mit Blick auf die Jugend- und Sozialhilfe, dass der Staat diese ohne die Kirchen weder organisatorisch noch finanziell in ausreichendem Maße leisten könne. Auch wenn etwa Bildungseinrichtungen in kirchlicher Trägerschaft zum Großteil aus staatlichen und nur zu einem Bruchteil aus kirchlichen Mitteln finanziert werden, entstünden bei einem Wegfall letzterer erhebliche finanzielle und vor allem strukturelle Lücken. Betroffen von einem kirchlichen Rückzug aus sozialen Bereichen wären womöglich auch caritative Einrichtungen etwa für Obdachlose oder Geflüchtete, aber auch die Nachfrage nach der Sorge um Alte, Sterbende und Trauernde könnte unter Umständen nicht mehr bedient werden. Ohne flächendeckende alternative Angebote ließen sich die Erwartungen der Gesellschaft nach sozialen Angeboten und Unterstützung in vielen dieser Bereiche nicht erfüllen. Die Ermöglichung einer Kirchensteuer ist somit auch für den Sozialstaat mit erheblichen Vorteilen verbunden, werden die gesellschaftlich so wichtigen Tätigkeiten der Kirche im religiösen, caritativen und kulturellen Bereich doch erheblich durch Kirchensteuern finanziert. Der Staat ist im Sinne des Gemeinwohls und zur Verwirklichung des Subsidiaritätsprinzips angewiesen auf freie Träger und somit eben auch auf die Kirchen mit ihren finanziellen Möglichkeiten. Somit liegt es nicht nur im kirchlichen Interesse, die Frage nach einer mittel- und langfristig gelingenden Kirchenfinanzierung zu beantworten.
Alternative zur Kirchensteuer?
Immer wieder taucht in diesen Diskussionen die Kultursteuer vermeintlich leuchtender Stern am Finanzierungshimmel auf. Anders als die Kirchensteuer ist diese kein Mitgliedsbeitrag, sondern eine staatliche Steuer in Form einer Teilzweckbestimmung der Einkommensteuer. In Italien, Spanien und Ungarn kann dafür ein Teil der zu zahlenden Einkommensteuer vonn alle Steuerzahlenden einer Kirche oder Religionsgemeinschaft gewidmet werden. In anderen Ländern treten auch nicht-religiöse gemeinnützige Organisationen als mögliche Empfänger:innen auf. Weil die Mitgliedschaft keine Rolle spielt, die Steuerzahlenden jährlich über ihre Widmung entscheiden können und die Konkurrenz zumeist groß ist, sind Werbung und Transparenz hier sehr wichtig. Gleichzeitig ist die Finanzierung von Ausgaben deutlich schlechter planbar als etwa mit der Kirchensteuer. Als Alternative zur Kirchensteuer kommt die Kultursteuer jedoch vor allem weniger in Frage, weil die Abschaffung der Kirchensteuer eine Änderung des Grundgesetzes bedeuten würde und die Einführung einer Kultursteuer die Einführung einer neuen Steuer. Die Kultursteuer ist eine echte staatliche Steuer, weshalb Staat und Kirche hier deutlich enger miteinander verbunden sind als bei der Kirchensteuer, die lediglich vom Staat eingezogen wird. Weil der Staat bei einer Kultursteuer als Konkurrenz zu den anderen Empfänger:innen auftritt, wäre dieser im Werben um die Stimmen unter Umständen nicht mehr neutral. Auch die Gegenleistungsfreiheit von Steuern und das Demokratieprinzip mit der Letztentscheidungskompetenz über den Haushalt beim Parlament stehen der Einführung einer Kultursteuer entgegen.
Kirchenaustritt ähnelt Exkommunikation
Ein Argument für die Kultursteuer ist, dass es aufgrund der Widmungsfreiheit keinen Kirchenaustritt gibt. Im System einer Kirchensteuer muss es wegen der negativen Religionsfreiheit die Möglichkeit hierzu geben. Zwar hat ein Austritt primär bürgerliche Wirkung, allerdings ergeben sich daraus auch innerkirchliche Fragestellungen. Die von der Deutschen Bischofskonferenz beschlossenen Rechtsfolgen eines Kirchenaustritts sind denen einer Exkommunikation sehr ähnlich und werden deshalb immer wieder kritisiert. Doch selbst wenn es das staatliche Institut des Kirchenaustritts nicht mehr gäbe, hieße das nicht, dass damit auch der Verlust der Kirchenbindung gebremst würde. Kirchensteuer zahlt oder Kultursteuer widmet nur, wer sich mit den Zwecken der Institution identifiziert oder sie zumindest fördern möchte. In beiden Systemen kommt es also darauf an, wie Kirche bei den Menschen ankommt.
Generierung neuer Finanzierungsmöglichkeiten
Ein perfektes Kirchenfinanzierungssystem gibt es nicht. Die katholische Kirche finanziert sich überall aus verschiedenen Quellen. Das könnte auch in Deutschland mehr in den Fokus gestellt werden: die Generierung neuer Finanzierungsmöglichkeiten, die ergänzend zur Kirchensteuer eine langfristige Finanzierung ihrer Aufgaben ermöglicht. Anzustreben wäre in diesem Sinne eine Kombination aus möglichst vielen verschiedenen Finanzierungsquellen. Hierdurch könnten vor allem solche kirchlichen Einsatzfelder profitieren, die sich eher am Rande des bisherigen Wirkungskreises von Kirche bewegen. Eine Kirche, die kreative und innovative Projekte in der Fläche fördert, kann einerseits soziale und caritative Arbeit leisten und muss sich andererseits weniger um deren Finanzierung sorgen, wenn diese vor Ort sichergestellt wird.
Nur eine glaubwürdige Kirche
kann sich Vertrauen verdienen.
Durch die Verschiebung des Schwerpunkts von der Kirchensteuer hin zu einer breiter aufgestellten Mischfinanzierung durch neue und vielfältigere Quellen, könnte die katholische Kirche ihrem Ideal, eine arme Kirche für die Armen zu sein, näherkommen, den kirchenrechtlichen Vorgaben besser entsprechen und auf Grundlage einer sicheren Finanzierung ihre Sendung gezielt erfüllen. Denn bei der Frage nach der Generierung von Finanzmitteln muss es unweigerlich immer auch um den Einsatz dieser Finanzmittel gehen. Eine Priorisierung der kirchlichen Arbeit auf Grundlage einer ekklesiologischen, aber auch gesamttheologischen Reflexion ist hierbei unumgänglich. Dabei müssen die zu finanzierenden Zwecke der kirchlichen Sendung entsprechen, aber auch in Verbindung stehen zu den Menschen, die diese finanzieren. Das entscheidende Stichwort ist hier die Authentizität von Kirche und ihrem Handeln. Nur eine glaubwürdige Kirche kann sich Vertrauen verdienen und somit auch die notwendige finanzielle Unterstützung erhalten. Die primäre Frage sollte hierbei nicht sein, was sich Kirche noch leisten kann, sondern was sie sich noch leisten will.
Kontrollmechanismen funktionierten nicht.
Ein schneller Systemwechsel wie etwa die Abschaffung der Kirchensteuer kann weder für die Kirche noch für den Staat zielführend sein. Nur weil diese grundsätzlich ein rechtskonformes, gerechtes und effizientes System ist, heißt das aber nicht, dass sie nicht veränderbar ist. Hier könnten Ansätze herausgearbeitet werden, um innerhalb des Systems der Kirchensteuer Verbesserungen anzustreben, etwa im Bereich von Transparenz, bei der Möglichkeit eines einfacheren Erlasses in Einzelfällen oder zugunsten von mehr Mitbestimmung der Zahlenden. Die Letztverantwortung hierfür tragen in der katholischen Kirche zwar Kleriker, Laien mit entsprechender Expertise entscheiden aber bei der Verwendung mit. Dass dieses Mitentscheiden in der Vergangenheit eher als Beratung verstanden wurde und Kontrollmechanismen nicht funktionierten, zeigen die bekannten Finanzskandale in diversen deutschen Diözesen. Auch wenn hier in den letzten Jahren nachjustiert wurde, sollte man sich hierauf nicht ausruhen und die Partizipation fördern und ernstnehmen. Und auch die Kirchenmitglieder an der Basis, die vor Ort mit dem vorhandenen Vermögen arbeiten, müssen ihren Umgang hiermit einerseits reflektieren, ihre Erfahrungen und Ideen andererseits aber auch an die Verantwortlichen in Kirche weitergeben. Diese müssen sich schließlich darüber klar werden und deutlich kommunizieren, was sich Kirche noch leisten kann und will.
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Anna Ott, Dr. theol., Lic. iur. can., studierte in Münster Theologie und Kirchenrecht und promovierte mit einer Arbeit zur Kirchensteuer im Vergleich mit der Kultursteuer.
Titelbild: micheile henderson / unsplach.com