Es gibt zwei Genres, die das Internet dominieren und öfter angeklickt werden als alles andere: Pornos und Katzenvideos. Katzen sogar häufiger als Pornos. Da in der katholischen Theologie im Besonderen und in der Religion im Allgemeinen schon so viel über Sex geschrieben wurde, ist endlich ein Beitrag über Katzen fällig. Religionsgeschichtliche Anmerkungen von Theresia Heimerl.
Wer die Religionsgeschichte der Katze im Christentum diachron betrachtet, könnte zu dem Schluss kommen, dass das überreiche Auftreten der Katze im Internet und die ihr dort zuteilwerdende Begeisterung seidenweiche Symbole der Säkularisierung sind: Je umfassender der Zugriff des Christentums auf die Seelen und Körper der Gläubigen, desto widriger die Existenzbedingungen für Katzen, lautet die kürzest mögliche Formel für die Beziehung von felis domestica und religio christiana.
Schon die Ausgangslage war ungünstig: Die Katze hat in der Bibel ein einziges Plätzchen und dieses findet sich in Bar 6,21 auf heidnischen Götter- oder genauer Göttinnenstatuen. Das Neue Testament ignoriert Katzen, wiewohl im Mittelmeerraum weit verbreitet, kein Kirchenvater, kein Evangelist hat die Katze zu seinem Tier erkoren, auch wenn manche Löwen zu Füßen des Hl. Hieronymus in der Kunst mangels zoologischer Kenntnis des Künstlers eher an Kater Garfield denn den König der Tiere erinnern.
In der Nacht der christlichen Vernunft schienen alle Katzen schwarz.
Eine der frühesten Nennungen der Katze in christlicher Literatur ist der Zweizeiler eines irischen Mönches über seinen Kater Bangur Pan, der Mäuse fange, wie er die Buchstaben. Zu theologischen Unehren kommt die Katze ab dem 12. Jahrhundert immer dann, wenn es um Ketzerei geht, die ihr sogar etymologisch zugeordnet wird: Die Katharer leiteten ihren Namen von cattus (Vulgärlatein für Kater) her, würden sie doch den Teufel in Gestalt eines großen schwarzen Katers verehren.
Der schwarze Kater wird zum Inbegriff des Dämonischen, er sucht Mönche in ihren Zellen heim und ist Stammgast bei allen häretischen Ausschweifungen, ohne ihn findet kein Hexensabbat statt. Und weil in der Nacht der christlichen Vernunft alle Katzen schwarz scheinen, werden sie mit den Häretikern und Hexen unabhängig von Farbe und Größe mitverbrannt, von Türmen geworfen oder sonstwie zu Tode gebracht.
Woher kommt diese religiöse damnatio gegenüber den schnurrenden Vierbeinern, die in diesem Ausmaß sonst nur noch Kröten und Frösche trifft, wie Bernd Hergemöller in seiner Monographie Krötenkuss und schwarzer Kater ausführlich zeigt? Sicher, die monotheistische Ablehnung von tiergestaltigen Göttern hat lange Tradition, doch werden in einschlägigen frühchristlichen Texten Katzen als „falsche“ Götter nur unter „ferner liefen“ genannt.
Die psychoanalytisch angehauchten Deutungen rund um Katze, Heidentum und Geschlecht sagen tendenziell eher etwas über ihre Vertreter als die Historie aus. Sie konstruieren aus einer einzigen textlichen Erwähnung der Göttin Freya und ihres von Wildkatzen gezogenen Wagens, die in der Kunst des 19. Jahrhunderts phantasievolle blondhaarige Umsetzung fand, einen seit den Tagen der alten Germanen bestehenden weiblichen Katzenkult. Dieser sei dann von den misogynen Klerikern des Mittelalters bekämpft worden.
Und in Hollywood?
Die beringte, katzenstreichelnde Hand des Bösewichts.
Selbst wer von solchen „alten“ kontinuierlichen weiblichen Geheimtraditionen träumt, kommt im interreligiösen monotheistischen Vergleich der Katzenfrage arg in Bedrängnis. Ausgerechnet Mohammed, dessen Religion heute in nordischen Gefilden als Inbegriff frauenverachtender Hypermaskulinität gehandelt wird, soll verschiedenen legendarischen Überlieferungen zufolge Katzen überaus geschätzt und jene, die sie schlecht behandeln, in die Hölle verbannt haben.
Womit wir auch gleich das Bild von den friedliebenden unabhängigen „Katzentypen“, denen die zu militaristischer Unterordnung neigenden „Hundetypen“ gegenüberstünden, ad acta legen können. Katzen im Ärmel hatten der Überlieferung nach sowohl der Prophet als auch Kardinal Richelieu und diese Neigung zu den eleganten Vierbeinern hat sie nicht davon abgehalten, Mekka und La Rochelle zu erobern und dort religiös Andersdenkende zu massakrieren.
Richelieu ist auch das vielleicht beste Beispiel dafür, dass Katzen weit über das Mittelalter hinaus der Schatten des Bösen begleitet, der sie allen Scheiterhaufen zum Trotz ab dem 19. Jahrhundert immer mehr Fans finden lässt. Der Kardinal mit dem charakteristischen Spitzbart in wallender roter Robe gilt dank Alexandre Dumas und Hollywood bis heute als Inbegriff des klerikalen, machtbesessenen, intelligenten Intriganten, eine Katze am Schoß mit beringter Hand streichelnd plant er den Untergang der tapferen Musketiere, die für König Louis XIII. (meist mit Hunden in Szene gesetzt), Königin Anna und Frankreich kämpfen. Das Gewand ändert sich, die beringte, katzenstreichelnde Hand des smarten Bösewichts bleibt in Der Pate I und zahlreichen James Bond-Filmen dieselbe. Wenn böse Männer in der neueren kulturellen Tradition Hunde haben, dann in der Regel auch schlechten Geschmack, ob bei Dostojewski oder am Obersalzberg.
Nacht, Grauen und Sinnlichkeit: die Attraktivität der samtigen Ambivalenz.
Katzenliebhaber sind in der Moderne noch immer verdächtig, keine aufrechten Christen und dem Bösen zugetan zu sein, nur irgendwie wird diese samtige Ambivalenz zunehmend attraktiv. Die Katze teilt damit die Geschichte dessen, den sie in den Traktaten der Inquisitoren verkörperte, also des Teufels. Nicht umsonst darf Charles Baudelaires feline Ode in keinem Katzenkalender fehlen, doch wer mehr als die harmlosen zwei Zeilen über die rätselhaften Augen liest, versteht, dass dieses Gedicht nicht umsonst gemeinsam mit den Litaneien Satans in den Blumen des Bösen zu finden ist: Nacht, Grauen und Sinnlichkeit – wenn es die katholische Kirche solange verboten und seine Symbole, ob Kater oder Teufel, gebannt und verbrannt hat, muss es interessant sein.
Das heute gängige Narrativ von der Katze als Tier der Dichter und Kreativen beginnt mit der schwarzen Romantik, wo der Teufel nicht mehr hässlich, sondern schön ist und sein eleganter Umhang glänzt wie das Fell eines schwarzen Katers. Die Sympathie für den Rebellen gegen das System der unterdrückerischen Obrigkeit und deren rigide moralische Normen, wie sie die Litaneien Satans beschwören, färbt auf die Katze ab und begründet ihren bis heute gültigen Ruf als individualistische Befehlsverweigerin. Vielleicht verantwortet diese Tradition der frühen Moderne auch den Siegeszug der Katze in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in der westlichen Welt. Wollen nicht heute die meisten von uns unabhängige, smarte Individualisten und Individualistinnen sein, und nicht Schäfer Blondi, der (bzw. die) auf Kommando apportiert?
Mit der wohlgerundeten Katze am Schoß.
An der Katze bestätigt sich somit, dass jeder revolutionäre Trend, breitenwirksam geworden, das Widerständige weitgehend verliert: Die meisten Katzenfreunde und -freundinnen sind biedere, bedingt kreative Zeitgenossen, die einen sozialrevolutionären, morbiden Opiumadikten wie Baudelaire nie in ihren Vorgarten lassen würden.
Die Katze als liebstes Tier im Wohnzimmer der westlichen Welt ist somit tatsächlich Symbol der Säkularisierung, in der kein eifernder Mönch als Hund des Herrn Häretiker und Katzen verfolgen darf, wo aber auch Sinnlichkeit, Ausschweifung und Provokation der öffentlichen Moral keine Satan geweihten Blumen mehr sind, sondern bequem mit der wohlgerundeten Katze am Schoß vor dem Bildschirm konsumiert werden können.
Womit wir zu guter Letzt wieder bei der anfangs konstatierten Koinzidenz von Katzen und Pornos als meistgesehene Inhalte des Internets wären: Dass mehr Videos von flauschigen Kätzchen angeklickt werden als solche von nackten, verschlungenen Körpern sollte doch den strengsten Inquisitor gnädig stimmen – wer heute Katzen liebt, sündigt nicht (so oft). Außer es handelt sich um einen feinschwarzen Kater.
Ao.Univ.-Prof. DDr. Theresia Heimerl ist Religionswissenschafterin in Graz.
Beitragsphoto: Rainer Bucher (In Erinnerung)
Kater: http://animalsclipart.com/black-cat/
Literatur:
- Rainer Kampling (Hg.), Eine seltsame Gefährtin. Katzen, Religion, Theologie und Theologen, Frankfurt 2007.
- Annemarie Schimmel, Die orientalische Katze, München 1989.
- Bernd-Ulrich Hergemöller, Krötenkuss und schwarzer Kater. Ketzerei, Götzendienst und Unzucht in der inquisitorischen Phantasie des 13. Jahrhunderts, Warendorf 1996.
- Charles Baudelaire, Die Katzen, http://gedichte.xbib.de/Baudelaire_gedicht_Die+Katzen.htm.
Von Theresia Heimerl bisher u.a. auf feinschwarz.net erschienen:
Muttertag: Zuckerguss, Abschied vom autonomen Subjekt und ein theologisches Gedankenexperiment
Johannes der Täufer. Annäherungsversuche an einen wilden Mann