Das „Sankt.“ – eine Pop-up-Kirche im Herzen von Sankt Pölten/Niederösterreich: nichts für immer und ewig, dafür aber mitten im Hier und Jetzt. Magdalena Ganster berichtet von einem ungewöhnlichen Kirchenexperiment.
„Gemma ins ‚Sankt.‘?“ „Was ist das ‚Sankt.‘?“ „Kumm mit!“ „Wie eine Kirche und wie ein Kaffeehaus“ steht auf der Tafel beim Eingang. Im ersten Stock angekommen öffnen wir die Tür. „Nimm dir, was du brauchst“ steht auf einer Vitrine: frischen Atem (Kaugummi), ein Lächeln (Smiley-Zuckerl), ein Erfolgserlebnis (Luftpolsterfolie) und einiges mehr. Auf einer Couch sitzen Jugendliche, lachen und spielen Karten. An einem Tisch genießt ein Pärchen eine frische Waffel. „Kann ich bitte noch einen Cafe latte haben?“ „Gerne, und was können wir für euch tun?“ „Wir haben grade Freistunde und wollten einfach vorbeikommen.“
„Sankt.für dich“
Das „Sankt. für dich“ in der Fußgängerzone in St. Pölten: 24 Tage lang geöffnete Türen, 24 Tage Leute, die Zeit haben und sehr guter Kaffee, 24 Tage lang geballte Liebe.
Viele waren überrascht: Kirche kann und darf auch Kaffee kochen, IKEA-Lampen montieren, Rasenteppich verlegen, Crayon Art und Brunch mit einem Sonntagsimpuls servieren. Um Papst Franziskus zu zitieren: „Schönen Sonntag und gesegnete Mahlzeit!“
Wir sind eine Gruppe junger Menschen im Raum Sankt. Pölten, die neue Wege gehen, gemeinsam den Glauben zu feiern. Es war gar nicht so leicht, einen Namen zu finden, der gut beschreibt, was wir machen und leben. „Sankt“ ist ja eigentlich ein sehr altes Wort – und dann auch noch in dieser toten Sprache. Aber für die Menschen in Sankt Pölten gehört es zum alltäglichen Wortschatz, und uns sind Gott, die Menschen und die Kirche heilig. Deshalb passt‘s eigentlich perfekt.
Uns ist bewusst, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der man ständig von allen Seiten mit Angeboten und Werbung konfrontiert ist. Oft ist es schwierig, als Kirche wahrgenommen zu werden. Auch mit unserem jungen und modernen Angeboten gehen wir oft unter. „Ihr seid das Licht der Welt!“ Also dann: Pop up! Wir mieteten ein Kaffeehaus in der Innenstadt und räumten aus, her und um. An diesem nicht kirchlich geprägten Ort konnten Jugendliche über alle Pfarrgrenzen hinweg diskutieren, in Kontakt kommen, beten, eine Pause einlegen und auftanken. Unter unseren Gästen waren aber auch alle anderen Altersgruppen vertreten.
Präsenz in der Innenstadt
Von 1.-24. Dezember gab es Kaffee, Tee und Kuchen, aber auch Gespräche, Impulse und Jugendgottesdienste.
Allein schon durch die Präsenz auf alltäglichen Wegen durch die St.Pöltner Innenstadt wurden wir sehr stark wahrgenommen. Das Projekt war natürlich auch medienwirksam und wurde von uns sehr stark auf verschiedenen Social Media Kanälen (facebook und instagram) begleitet. Am Besten funktionierte aber auf alle Fälle die Mundpropaganda. „Bester Kaffee St.Pöltens“ – „selbstgemachter Eistee“ – „frische Waffeln“ – es gab einiges zum weiter empfehlen.
Obdachlose Jugendliche
Eine besondere Erfahrung machten wir auch mit obdachlosen Jugendlichen. Da es in St.Pölten eine Notschlafstelle gibt, die aber untertags versperrt ist, bot es sich an, dass die Jugendlichen zu uns kamen. Das passierte aber „zufällig“. Julian (Name geändert) entdeckte uns auch schon am ersten Tag. Er kam immer wieder, war sehr freundlich und bot uns bald seine Hilfe an. Er kam jeden Tag wieder. Erst nach ein paar Tagen erzählte er seine Geschichte und warum er so froh sei, bei uns sein zu dürfen. Wir konnten ihn nicht beraten oder aus seiner Situation befreien, aber er war einfach ein Gast, der das bekam, was er brauchte und nach kurzer Zeit gehörte er quasi zum „Inventar“. Wenn er einmal nicht kam, erkundigten sich alle nach ihm. Ab und zu nahm er auch Freunde mit.
Am Freitag feierten wir immer „Feierabend“. Ein unkomplizierter Wortgottesdienst, in dem das Leben jedes einzelnen Platz hat. Wir feierten auf unserem Gebetsrasen (einen Teil des Kaffeehauses befreiten wir dauerhaft von Tischen und Sesseln und verlegten stattdessen einen Rasenteppich). Wir sangen gemeinsam, machten einen persönlichen Wochenrückblick und beschäftigten uns mit einer Bibelstelle. Zu den Gebeten kamen Jugendliche, ältere Kinder und Erwachsene. Danach gab es immer ein Abendessen, Getränke und Spiele.
Es gab aber auch viele Menschen, die „zufällig“ über das Café stolperten, diese kamen spätestens nach den Worten: „Zahlen bitte!“ mit uns ins Gespräch. Denn unsere Antwort, dass es bei uns keine Preise, sondern freie Spenden gäbe, konnten viele wegen des gehobenen Kaffeehausangebots nicht glauben. „Wer seid ihr?“ „Warum macht man so etwas?“ „Wie kommt man auf so eine Idee?“
Kirchesein im Alltag
Wir sind junge Christinnen und Christen, die finden, dass die Kirche heute noch ein guter Ort ist, um mit Gott, Menschen und sich selbst in Kontakt zu kommen. Wir leben unser Kirchesein im Alltag und da wo wir mit und für andere Menschen da sein können. Dafür ist ein Kaffeehaus für uns der richtige Ort.
Diese Antwort hatten wir am 1. Tag noch nicht so konkret formuliert, aber durch das gemeinsame Tun, die Begegnungen und Erfahrungen können wir sie jetzt so sagen. Und wir wollen alle ermutigen, auch selbst solche Abenteuer zu wagen, eigene Orte auszuprobieren und Antworten nach dem eigenen Warum zu finden.
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Magdalena Ganster ist hauptamtliche Jugendleiterin der Katholischen Jugend von St. Pölten (Mehr: sankt.online). Die Idee zur Pop-up-Kirche entstand im Rahmen des Lehrgangs Kirche erfinden an neuen Orten.
Bildquellen: Pixabay und JuPa St. Pölten