Heute am 1. März ist „Weltgebetstag der Frauen“. Corinna Harbig lebt schon lange als Pastorin im Gastland Slowenien und erzählt, wie gut Land und Projekt zusammenpassen.
„Dobrodošli v Sloveniji“- Herzlich willkommen in Slowenien, so laden uns die Frauen in diesem Jahr zum Weltgebetstags-Gottesdienst ein. Schon bei meinem ersten Besuch im April 1992 fühlte ich mich mit dem Land und den abwechslungsreichen Landschaften zwischen Adria und Alpen, Karst und Pannonischer Ebene und den gastfreundlichen Menschen verbunden: „Klein sein ist schön – Slowenien ist beides“.
Von Berlin nach Planina
Seit über zwanzig Jahren leben wir in dem Dorf Planina in der Nähe der Kleinstadt Postojna, die durch ihre riesigen Tropfsteinhöhlen weltberühmt geworden ist. Mein Mann und ich sind mit unseren beiden Töchtern, die damals 2 und 4 Jahre alt waren, aus der Großstadt Berlin hergezogen und wollten sehen, ob wir als Familie hier Wurzeln schlagen können. Das ist tatsächlich gelungen: die Mädchen sind zunächst in den Dorfkindergarten, dann bis zur 4. Klasse in die Dorfschule und ab der 5. Klasse in die „Mutterschule“ nach Postojna gegangen und haben die slowenische Matura (das Abitur) bestanden. Über den Kontakt mit dem Kindergarten und der Dorfschule und natürlich über das Lernen der slowenischen Sprache – sie gehört zu den slawischen Sprachen und bedeutet für uns Deutsche eine Herausforderung – ist unsere „Integration“ von Anfang an gut gelaufen und wir fühlen uns in „unserem“ Dorf zu Hause.
Offenheit und Gastfreundschaft
Erst nach zwei Jahren haben wir Kontakt zur deutschsprachigen und zur internationalen „Community“ aufgenommen und als Pastor/in mit dem Aufbau einer deutschsprachigen Gemeindearbeit begonnen. Die Offenheit der slowenischen lutherischen Gemeinde in Ljubljana einerseits und der ökumenisch interessierten Frauen – sowohl der slowenischen als auch der deutschsprachigen und internationalen – für den Beginn der Weltgebetstagarbeit auf der anderen Seite haben zu vielen bereichernden Kontakten innerhalb des Landes und über die Grenzen hinausgeführt.
Gastfreundschaft spielt in der Tradition des 2 Millionen Volkes, das seit 1991 unabhängig ist, eine wichtige Rolle. Besonders in den ländlichen Regionen wird auch für überraschende Gäste sofort der Tisch gedeckt. So können sich viele gut mit dem Titelvers des diesjährigen WGT Gottesdienstes identifizieren: „Kommt, alles ist bereit“ Lukas 14,17.
„Kommt, alles ist bereit“ Lukas 14,17
In der Parabel erzählt Jesus von einem Menschen, der zu einem großen Festmahl einlädt. Aber als alles vorbereitet ist, sagen diejenigen, an die er die Einladung zunächst richtet, ein jeder mit einer Entschuldigung ihre Teilnahme ab. Der Gastgeber wird zornig und schickt daraufhin seinen Knecht los, um nun Menschen von der Straße einzuladen, „die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen“. Das heißt, er holt jetzt Männer und Frauen in sein Haus, die ihn ihrerseits sicher nicht im Gegenzug zu sich einladen können. Als daraufhin immer noch Platz im Haus ist, schickt er den Knecht noch einmal los. Diesmal soll er die Menschen von den Landstraßen und von den Hecken und Zäunen, die Menschen vom Rand der Gesellschaft in sein Haus holen und es mit ihnen füllen.
„Es ist noch Raum“ – Wer fehlt am Tisch?
Der Gastgeber in der Parabel wendet seinen Blick um 180 Grad, schaut über seinen gewohnten Horizont hinaus. Während er sonst Menschen zu sich einlädt, die ihm gesellschaftlich gleich oder ähnlich gestellt sind, so ist er jetzt in der Lage, sich mit Menschen zu solidarisieren und sie an seinen Tisch zu holen, mit denen er bisher keinen näheren Kontakt gepflegt hat. Mit seiner Einladung an die Benachteiligten und Ausgegrenzten setzt er gesellschaftliche Schranken außer Kraft. Jede und jeder hat Zugang zu dieser Fest- und Tischgemeinschaft.
Die Stimme von Mädchen, Müttern und Migrantinnen
Die slowenischen Schreiberinnen fragen sich, wer in ihrer Gesellschaft, in ihrer Gemeinschaft, in ihrem Kreis am mit Brot, Wein, Wasser und Salz gedeckten Tisch fehlt. Sie geben den Stimmen von Müttern und Großmüttern Raum, deren Geschichten die politische und ökonomische Situation Sloweniens während der kommunistisch-sozialistischen Zeit bis heute spiegeln. Wir als eingeladene Weltgebetstagfeiernde hören aus dem Leben von Migrantinnen, von Flüchtlingen, von Frauen und Mädchen, von Roma. Während wir ihre Stimmen hören, bitten wir um Vergebung, wo wir unsere Augen im Angesicht von Unrecht verschlossen haben. Wir bitten Gott, unsere Herzen für Mitgefühl und Verständnis zu öffnen und wir bitten um den Segen, der uns stärkt und befähigt miteinander für Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden einzutreten.
„Kommt, alles ist bereit“
Im Haushalt Gottes ist Raum für alle, es sind genügend Ressourcen da. Es liegt bei uns, die Augen, Ohren und Herzen zu öffnen, aufmerksam zu sein, wer fehlt am Tisch und in Solidarität in allen Bereichen des Lebens Gemeinschaft zu teilen. Es beginnt im persönlichen Umfeld und spannt sich mit dem Weltgebetstagmotto über die ganze Welt: Informiertes Beten und betendes Handeln schafft Raum für Leben in Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden.
Corinna Harbig, Pastorin, Beauftragte der EKD in der Ökumene 2000-2017 und von 2012-2017 WGT-Exekutivvorsitzende.
Bild: Weltgebetstag der Frauen (Es zeigt die Künstlerin Rezka Arnuš und ihr Titelbild „Come – Everything is ready“)