Silke Bienert fragt nach der Farbe von Weihnachten und was das überhaupt heißt: „richtig“ weihnachtlich.
Komm, Tom! Vor vielen Jahren haben wir uns in der Familie sehr auf die Geburt meines jüngsten Cousin – Tom – gefreut. Irgendwann bei einem Treffen ist dieser kleine Reim entstanden, den ich immer noch im Kopf habe, wenn ich den (mittlerweile erwachsenen) Tom sehe: Komm, Tom! In diesen zwei Worten drückte sich die ganze Vorfreude, Erwartung, Spannung, Vorbereitung und Sehnsucht aus.
Komm, Tom!
Wir sind gerade in einer ganz besonderen Advents- und Weihnachtszeit. In einer Zeit, in der alles anders ist, nichts selbstverständlich. Viele gewohnte Rituale sind nicht möglich. Nichts ist sicher: Wie werden wir zusammen Weihnachten feiern können? Dieses „alles-ist-anders-Gefühl“ hat bei mir dazu geführt, dass ich auch äußerlich alles anders haben wollte: Keine roten Kerzen, kein Glanz und Tannengrün.
Welche Farbe hat Weihnachten?
Weihnachten ist für mich mit Farben verbunden: rot und gold. Festlich und glänzend. In diesem Jahr will ich das nicht um mich haben. Ich will wissen, ob – und wie – es Weihnachten wird ohne das alles. Deshalb habe ich das Foto von der Höhle als meine Weihnachtskarte für dieses Jahr ausgewählt. „Aber das ist doch gar nicht weihnachtlich!“ habe ich immer wieder gehört. Was ist denn überhaupt „richtig“ weihnachtlich?
Das Bild zeigt den Blick aus einer dunklen Höhle hinaus ins lichte Grün des Frühlings. Ich habe es kurz nach Ostern 2020 fotografiert. „Wo bist Du, Gott? Ich stehe im Dunkeln und kann Dich gar nicht sehen.“ Das waren die Fragen, die mich zu dieser Zeit beschäftigt haben – und das Bild mit dem Blick ins Grüne war eine wunderbare Antwort darauf. Seitdem schaue ich mir das Bild immer wieder an und ich spüre in mir die Sehnsucht, die das Bild ausdrückt: Sehnsucht nach Licht, nach Freude, nach Zusammensein und Sehnsucht nach Gott.
Was ist denn überhaupt ‚richtig‘ weihnachtlich?
„Alles beginnt mit der Sehnsucht“ schreibt Nelly Sachs in einem wunderbaren Text. Sehnsucht birgt auch eine Ahnung, dass es da mehr gibt. Dass es einen Gott gibt, der Sehnsucht nach den Menschen hat und der uns nahe sein will.
„Ich bin da und warte auf Dich. Ich habe Sehnsucht nach Dir. Lass mich rein zu Dir in die dunkle Höhle und wenn Du bereit bist, gehen wir zusammen nach draußen.“ Das ist die Antwort Gottes, die in dem Foto für mich sichtbar – und begreifbar – wird.
Deshalb ist Weihnachten für mich in diesem Jahr hellgrün – lindgrün – frühlingsgrün. Das Bild ist zu meinem Weihnachtsbild geworden. Denn eins ist sicher: Meine Sehnsucht wird erfüllt. Jesus kommt. Jesus kommt als Mensch mitten in unsere Welt. Egal, ob ich gerade in einer dunklen Höhe sitze und Angst habe, ob ich vorsichtig vor die Höhle spitze oder ob ich mich weit heraus wage. ER kommt und ER geht mit.
Komm, Jesus!
Weihnachten ist für mich in diesem Jahr ein frühlingsgrünes, zartes, sehnsuchtsvolles Flüstern:
Komm, Jesus!
KOMM!
PS: Übrigens hat sich bei mir zu Hause doch noch ein bisschen Rot und Gold und Glitzer und Tannengrün eingeschlichen … und eine Ahnung davon, dass das Äußere nicht wesentlich ist, aber sichtbarer Ausdruck eines inneren Flüsterns sein kann: Komm, Jesus.
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Text und Bild: Silke Bienert, Diplom-Sozialpädagogin (FH), Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht.