Die katholische Kirche ist eine grosse Arbeitgeberin. Wie muss sie ihre Qualitäten als Arbeitgeberin entwickeln? Benedikt Jürgens benennt Kompetenz und Offenheit als Chancen für die Kirche als Arbeitgeberin.
Die Kirche hat es (auch) als Arbeitgeberin schwer. Seit Jahren kann beobachtet werden, dass sich immer weniger Männer für den Priesterberuf interessieren und entscheiden. Mittlerweile hat die Kirche aber auch Schwierigkeiten, Nicht-Theologen und -theologinnen für die Mitarbeit zu gewinnen und Stellen jenseits des pastoralen „Kerngeschäfts“ zu besetzen. Zu den besonderen Herausforderungen an eine Tätigkeit für die Kirche – beim Priesterberuf wohl vor allem der Zölibat, bei den anderen Berufen die Loyalitätsobliegenheiten – kommen weitere Schwierigkeiten.
Kirche gilt zwar möglicherweise immer noch als ehrwürdige und respektable Institution und kann u.U. auch vom „Exotikfaktor“ profitieren, doch wird sie eben auch als „altmodisch“, „verstaubt“, „harmlos“ und eher „langweilig“ wahrgenommen. Anders formuliert: Es gibt spannendere Arbeitgeber! Und das hat nicht nur mit der Bezahlung zu tun.
Die Kirche hat es als Arbeitgeberin schwer.
Es gibt spannendere Arbeitgeber!
Hinzu kommt, dass ein kirchlicher Arbeitgeber im Lebenslauf für die Karriereplanung mindestens erklärungsbedürftig ist und es nicht sicher ist, ob Kirche einen positiven Einfluss auf die Employability auf dem außerkirchlichen Arbeitsmarkt hat. Die Kirche wird von anderen Arbeitgebern eben nicht als „normale“ Arbeitgeberin angesehen, so dass in Vorstellungsgesprächen mindestens mit Nachfragen zu rechnen ist. Insgesamt ist die Fluktuation zwischen kirchlichen und säkularen Arbeitgebern – möglicherweise abgesehen von der Gesundheitsbranche – eher gering. Wer einmal bei einem kirchlichen Arbeitgeber gearbeitet hat, bleibt in der Regel dort – teils, weil der Wechsel zwischen den Welten schwierig ist, teils, weil man sich als kirchlicher Mitarbeiter bzw. kirchliche Mitarbeiterin überhaupt nicht vorstellen kann, für einen säkularen Arbeitgeber zu arbeiten. Letzteres ist ein zusätzliches Problem. Es gibt nicht nur besondere Erwartungen seitens kirchlicher Arbeitgeber an ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern auch umgekehrt zieht die Kirche als Arbeitgeberin bestimmte Menschen mit besonderen Erwartungen an: Man erwartet eine besondere, geradezu „familiäre“ Atmosphäre am Arbeitsplatz, rechnet mit einem besonderen Spielraum für die Vereinbarung von Familie und Beruf, legt großen Wert auf Freundlichkeit und Kollegialität und ist möglicherweise eher irritiert, wenn Leistung erwartet und Kritik geübt wird.
Beschädigt das Image der Kirche die „Employability“ ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter außerhalb der Kirche?
Dabei hat die katholische Kirche als Arbeitgeberin durchaus Einiges zu bieten. Sie ist allein in Deutschland immer noch eine der größten gesellschaftlichen Gruppen mit ihren 24 Mio. Mitgliedern, von denen darüber hinaus ca. 6 Mio. in Verbänden organisiert sind. Als Arbeitgeberin tritt die Kirche jedoch nicht nur im pastoralen Bereich auf. So hat die Caritas insgesamt über 1 Mio. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von denen über die Hälfte fest angestellt sind. Die katholischen Krankenhäuser beschäftigen ca. 165.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Hinzu kommen katholische Schulen mit ca. 370.000 Schülerinnen und Schülern sowie 33.000 Lehrerinnen und Lehrern und katholische Kindergärten für ca. 600.000 Kinder, die von ca. 80.000 Erzieherinnen und Erziehern betreut werden.
Dahinter steckt eine große berufliche Kompetenz, die durch ein hohes Engagement in der beruflichen Ausbildung und ein vielfältiges und ansprechendes Fort- und Weiterbildungsangebot gesichert wird. Die Kirche engagiert sich als Trägerin eigener Fachhochschulen und ist darüber hinaus vor allem über die Theologie an vielen Universitäten wissenschaftlich vertreten. In vielen Bereichen kooperieren kirchliche Arbeitgeber eng mit anderen gesellschaftlichen Institutionen, Organisationen und Verbänden. Auch die verfasste Kirche pflegt u.a. über die katholischen Büros einen institutionalisierten Kontakt mit der Gesellschaft und der Politik.
Die Kirche hat einiges zu bieten: Gesellschaftliche Bedeutung, eigene Hochschulen und Bildungseinrichtungen, hohe Vernetzung mit anderen gesellschaftlichen Institutionen
In der professionellen Kompetenz und gesellschaftlichen Vernetzung der kirchlichen Arbeitgeber sehe ich zwei Stärken, an die angeknüpft werden könnte und die ausgebaut werden sollten. Hier könnte die Kirche als Arbeitgeberin sehr glaubwürdig an Attraktivität gewinnen.
Berufliche Kompetenz genießt gesellschaftlich eine hohe Wertschätzung. In einer Gesellschaft, in der Partizipation vor allem über die Integration in die Arbeitswelt realisiert wird, ist das nicht weiter verwunderlich. Die Wertschätzung einer Organisation als Arbeitgeberin hängt maßgeblich davon ab, welches Produkt- oder Dienstleistungsangebot sie macht. Wird dieses Angebot als ansprechend und qualitativ hochwertig wahrgenommen, unterstellt man der jeweiligen Organisation Vergleichbares auch in ihrer Rolle als Arbeitgeberin. Das Produkt- oder Dienstleistungs-Branding einer Organisation ist zwar von ihrem Employer-Branding zu unterscheiden, aber es gibt zwischen beiden Bereichen Zusammenhänge.
Jüngere Untersuchungen zur Reputation der Kirche (z.B. in den Bistümern Rottenburg-Stuttgart[1] und Münster[2] sowie in der Schweiz[3]) zeigen, dass das Renommee der Kirche in großem Maße von der Qualität ihres Angebots beeinflusst wird. Dabei sind zwei Differenzierungen zu beachten: Zum einen die binnenkirchliche Differenz zwischen der „professionellen Kirche mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Haupt- und Ehrenamt“ und den „Mitgliedern“ sowie die Differenz zwischen der Kirche und der Gesellschaft. Die Qualität des Angebots hat binnenkirchlich Einfluss auf die Stärke der Bindung der Mitglieder an ihre Kirche, in der Außensicht wirkt sie sich auf die Akzeptanz der Kirche als gesellschaftliche Akteurin aus. Eine positive Wahrnehmung der Kirche als Institution mit einem ansprechenden und hochwertigen Angebot und als engagierte gesellschaftliche Akteurin wird sich positiv auf das Image der Kirche als Arbeitgeberin auswirken.
Reputation durch Dienstleistungskompetenz erwerben!
Natürlich ist die Kirche mehr als eine Anbieterin von Dienstleistungen auf dem Markt der Sinnangebote, im Gesundheits- und Pflegebereich sowie in den Bereichen Bildung und Erziehung. Natürlich hat die Kirche eine diese Dimensionen übergreifende Sendung – nämlich Raum zu schaffen für die Begegnung zwischen Gott und den Menschen sowie der Menschen untereinander (Lumen gentium 1).
Aber schließt diese Sendung aus, dass die Kirche sich auch als Anbieterin professioneller Dienstleistung versteht? Könnten diese Dienstleistungen nicht als äußerst wirkungsvoller Beitrag dazu gesehen werden, diese Sendung zu erfüllen? Sollten die binnenkirchlich immer wieder reflexhaft einsetzenden Abwehrmechanismen gegenüber dem Begriff „Dienstleistung“ oder gar „Service“ deshalb nicht doch grundsätzlich hinterfragt werden? Sind die Distanzierungen von diesem Begriff nicht auch deshalb fragwürdig, weil gerade in der theologischen Fachsprache „Dienst“ einer der zentralen Bezeichnungen für genuin kirchliche Aufgaben ist?
Natürlich ist die Kirche mehr als eine Anbieterin von Dienstleistungen … aber schließt ihre Sendung aus, dass die Kirche sich auch als Anbieterin professioneller Dienstleistungen versteht?
Für die Positionierung der Kirche als Arbeitgeberin hätte eine Stärkung der Dienstleistungskompetenz jedenfalls große Vorteile. Sie könnte dadurch attraktiv werden für Menschen, die ihre fachliche Kompetenz professionell und wirkungsvoll einbringen möchten. Um diese Menschen zu gewinnen, müsste allerdings die fachliche Kompetenz im Vordergrund stehen. Natürlich kann und soll dabei auch Loyalität gegenüber den Besonderheiten der Kirche als Arbeitgeberin erwartet werden – wie das säkulare Arbeitgeber im Übrigen auch tun. Allerdings sollte die Gewichtung zwischen fachlicher Kompetenz und glaubensmäßiger Übereinstimmung mit den kirchlichen Arbeitgebern differenzierter betrachtet werden. Zu einer sorgfältigen und einzelfallbezogenen Abwägung ermutigt ja nun auch die Novellierung der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz.
Spannungsvoll: fachliche Ansprüche und Loyalitätsansprüche an kirchliche Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen
Neben der Wertschätzung ihrer Professionalität erwarten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dass sie sich auf ihren jeweiligen Arbeitsplätzen entwickeln können. Ihre Tätigkeit sollte sie nicht auf einen Arbeitgeber festlegen, sondern ihnen im Gegenteil weitere Optionen öffnen und dadurch die Anschlussfähigkeit an weiterführende Aufgaben und Herausforderungen bieten. Hier sollten kirchliche Arbeitgeber verstärkt darüber nachdenken, wie sie Karriereoptionen innerhalb der Kirche eröffnen. Auch hier hat die Kirche sicherlich einen großen Vorteil, weil sie in der Gesamtheit betrachtet eine sehr große Arbeitgeberin mit vielen Möglichkeiten ist. Dieser Vorteil wird bisher viel zu wenig genutzt. Aber auch die Vernetzung kirchlicher Arbeitgeber mit anderen gesellschaftlichen Akteuren und Akteurinnen könnte in dieser Hinsicht als weitere Stärke für ein kirchliches Employer Branding genutzt werden.
Wichtig: sich entwickeln können
Für die Attraktivität der Kirche als Arbeitgeberin wäre es extrem hilfreich, wenn gezeigt würde, dass die bei ihr erworbenen Kompetenzen auch von anderen Arbeitgebern gefragt sind und dass eine Tätigkeit bei der Kirche keine endgültige Festlegung bedeutet. Auch wenn es natürlich im Einzelfall immer bedauerlich ist, eine gute Mitarbeiterin oder einen guten Mitarbeiter zu verlieren, würde die Kirche insgesamt gewinnen. Weil Durchlässigkeit und Anschlussfähigkeit gute Argumente sind, sich bei einem Arbeitgeber zu bewerben, könnte auf diese Weise die Anzahl der Bewerbungen steigen.
Offenheit und Vernetzung als Karrierechance
Bei allen Schwierigkeiten, die sich der Kirche als Arbeitgeberin stellen, gibt es also mit der fachlichen Kompetenz und der guten gesellschaftlichen Vernetzung der Kirche durchaus vorhandene Stärken, an die sie anknüpfen könnte. Diese Stärken sollten systematisch ausgebaut und als Chancen genutzt werden.
Bild: Ulrich Berber / pixelio.de
[1] App, Reiner; Broch, Thomas; Messingschlager, Martin. Zukunftshorizont Kirche. Was Katholiken von ihrer Kirche erwarten. Eine repräsentative Studie. Mainz: Grünewald 2014.
[2] Zufriedenheitsstudie des Bistums Münster 2015. http://www.bistum-muenster.de/index.php?myELEMENT=306321.
[3] Winter-Pfändler, Urs. Kirchenreputation. Forschungsergebnisse zum Ansehen der Kirchen in der Schweiz und Impulse zum Reputationsmanagement. St. Gallen: Edition SPI 2015.