Stephan Schmid-Keiser reagiert auf den Beitrag von Johann Pock zur Instruktion der Kleruskongregation. Er plädiert für die „Sandalen-Methodik“ von Papst Franziskus, ein Ernstnehmen der Entwicklungen in den Ortskirchen und für ein Überwinden der Kluft zwischen Recht und Pastoral.Wie fast immer während einer Sommerpause – im Rücken das Fest Peter & Paul – äussert sich eine Grenzen setzende Stimme aus der römischen Kirchenzentrale – dieses Mal geht es um die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde. Die Instruktion lesend, erstaunt dessen Fixierung auf einen hierarchisch dominierten Kirchenalltag nicht. Die kreativen Kräfte des Geistes in den Ortskirchen bleiben erneut ungehört. Unerwähnt lässt das Dokument – und das ist das Skandalöse daran – eine von Franziskus I. deutlich formulierte Vorgabe: «Eine übertriebene Zentralisierung kompliziert das Leben der Kirche und ihre missionarische Dynamik, anstatt ihr zu helfen.» (EG 2013, 32). Stattdessen verweist das Dokument signifikant mehr auf den CIC als auf biblische Quellen.
Angesagt wäre eine Sandalen-Methodik
Wenn schon von pastoraler Umkehr die Rede sein soll, dann in der Hoffnung, dass die Wegweisung durch Franziskus I. und seine Sandalen-Methodik ernst genommen wird. Diese bezieht sich auf den Geist Jesu, der seinen Leuten aufgetragen hat, „ausser einem Wanderstab nichts auf den Weg zu nehmen, kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel, kein zweites Hemd und an den Füssen nur Sandalen“ (Mk 6,8). Eine archaische Botschaft, die den totalen Verzicht auf jeden Ballast in Kontrast setzt zu einem grundlegenden Vertrauen auf menschliche Gastfreundschaft – auf sensible Augenhöhe mit allen zu treten, die im nüchternsten Alltag ihrer Armut, ihrer Krankheiten, auch von der dämonischen Anziehungskraft des Geldes beherrscht sind. Diese Botschaft rechnet mit dem Einsatz der ganzen Person und geht an die letzten Grenzen – was die missionarische Existenz des Gottessohnes selbst umschreibt. Heute sehe ich diese Sandalen-Methode wenig verbreitet, welche zudem bereits die Reformen durch die Bettelorden inspirierte. Kommt der Tag X, werden eine radikale Einfachheit und Offenheit zählen, die gelebt wurden oder eben nicht. Der Trägheit nachgeben gilt also nicht bei einer Neuausrichtung in Sachen Zulassungsbedingungen zu den Ämtern für Männer und Frauen oder der christlichen Ökumene, um nur zwei Aspekte zu nennen, deren theologische Verzahnung zu sehen wichtig wäre – deren Realisierung jedoch blockiert bleiben.
Die Kluft zwischen Recht und Pastoral überwinden
So haben die vergangenen Jahrzehnte innerhalb der christlichen Ökumene zum immer dringlicheren Postulat geführt, die Abendmahlsgemeinschaft gegenseitig unter das Zeichen der Gastfreundschaft zu stellen. Es grenzt an eine neue epochale Schuld der christlichen Kirchen, dass sich dieser Mindestkonsens gegenseitiger Einladung in der Gesamtökumene bisher nicht durchgesetzt hat. Vielmehr bleiben mit den entsprechend gewichtigen und stark einseitig von «persönlicher Frömmigkeit» geprägten Ausführungen «des katholischen Christen und Priesters Karol Woityla» die alten Fragen nach Verständigung über die Gegenwart Jesu Christi im «eucharistischen Opfer», das Wesen des Weihesakramentes und die gegenseitige(!) Gastfreundschaft bei Abendmahl bzw. Eucharistie auf dem «Diskussionsstand von 1964» festgezurrt – wie Otto Hermann Pesch 2003 festgestellt hat. Warum hob Johannes Paul II mit «Ecclesia de Eucharistia» (17. April 2003) die Eucharistielehre auf eine Höhe, die seither für Pfarreien und Seelsorgende noch mehr Barrieren aufbaute und «das Volk Gottes unten im Gestühl» bis heute ratlos zurücklässt?
Es genügt nicht mehr, Hoffnungen abstrakt zu bedenken, wo doch Christus durch seinen Geist das Bekenntnis der Kirchen transzendiert, denen der Stachel der Trennung nicht gleichgültig sein sollte. Ebenfalls bereits 2003 hielt Sabine Demel fest: Die «Kluft zwischen Recht und Pastoral ist theologisch untragbar und zeigt deutlich an, dass theologisch-rechtlicher Reflexions- und Reformbedarf besteht, um Recht und Pastoral wieder in Einklang zu bringen». Bis zur jüngsten römischen Instruktion offenbart sich diese Kluft. Das ist aber ein Grund mehr, sich endlich auf ehrliche Zusammenarbeit einzustellen – Auseinandersetzungen um strukturelle Hemmnisse inklusive.
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Dr. Stephan Schmid-Keiser (*1949), in Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie promovierter Theologe, war 1984-1992 Geschäftsleiter der Missionskonferenz DRL, 1992-1995 Zentralpräses des Schweizer Kolpingwerks. Danach bis 2016 leitender Seelsorger von Pfarreien im Bistum Basel. Nachberuflich publizistisch tätig, u. a. 2016/17 als Redaktor der Schweizerischen Kirchenzeitung.
Der Leserbrief bezieht sich auf folgenden Beitrag von Johann Pock: