Synodalität ist ein wichtiger Schlüssel für ein gelingendes Aggiornamento und es ist höchst relevant, wie unsere Kirche sich für die Zukunft aufstellt. Claudia Lücking-Michel fragt die Synode ganz konkret: „Wie hältst Du es mit den Frauen?“
Durch den Abschlusstext der Synode zieht sich deutlich eine noch immer unveränderte, männerzentrierte Anthropologie. Frauen werden geschätzt für ihre Mütterlichkeit, ihre Leidensfähigkeit und Warmherzigkeit, nicht aber für ihre Fähigkeiten des Führens, des Entscheidens oder gar der Bekleidung kirchlicher Weiheämter. Ich kann nur warnen, auch die Leidensfähigkeit von Kirchenfrauen hat ihre Grenzen.
Noch immer: männerzentrierte Anthropologie.
Mit überraschend angekündigten Verfahrensänderungen sollten zentrale Themen, wie z.B. Frauenordination, den Verhandlungen der Synode entzogen werden. Trotzdem war „Weihe für Frauen“ – und konkret die „Zulassung von Frauen zum sakramentalen Diakonat“ – immer wieder im Fokus der Synodalen, auch wenn sie nicht offiziell auf der Agenda stand. Aus unterschiedlichen Richtungen wurde gefordert, die Situation von Frauen in der Kirche zu analysieren und sie zu verbessern. Nicht nur Frauen selbst, die sich selbstbewusst und gemeinschaftlich in und am Rande der Versammlung zu Wort gemeldet haben, auch Amtsträger stimmten in diese Forderung ein.
Der Artikel 60.
Auf diesem Hintergrund wurde der Artikel 60 in das Abschlussdokument aufgenommen – zwar mit der größtmöglichen Anzahl von Nein-Stimmen (97), aber immerhin doch mit 258 Ja-Stimmen. Schauen wir uns diesen Artikel 60 des Synodenpapiers doch einmal näher an.
„Aufgrund der Taufe haben Frauen und Männer als Mitglieder des Volkes Gottes die gleiche Würde. Frauen stoßen jedoch weiterhin auf Hindernisse, wenn es darum geht, ihre Charismen, ihre Berufung und ihre Rolle in allen verschiedenen Bereichen des kirchlichen Lebens umfassender anzuerkennen.“ Das ist ja mal eine Aussage. So viel Selbsterkenntnis war selten. Volle Unterstützung! Bzw. nein, eigentlich doch nicht: Frauen stoßen nicht einfach auf Hindernisse, sondern Hindernisse werden aufgebaut. Frauen werden konkret und massiv gehindert und zwar genau von denen, in deren Namen hier die Weltsynode spricht, den bischöflichen Leitungsmännern. Sie sorgen dafür, dass die Hindernisse bestehen bleiben. Was folgt jetzt daraus? „Dies geht zu Lasten des Dienstes an der gemeinsamen Sendung der Kirche.“
Frauen stoßen nicht einfach auf Hindernisse, diese werden aufgebaut.
Auch richtig! Zuerst und vor allem ist die oben benannte Feststellung jedoch ein anhaltender, nicht zu rechtfertigender Verstoß gegen die zurecht postulierte gleiche Würde der Frau. Im Synodentext geht es hier gleich um die Konsequenzen für die Sendung der Kirche. Auch das eine wichtige Erkenntnis: Es geht nicht nur gegen die Frauen. Wenn deren gleiche Würde in unserer Kirche nicht endlich anerkannt wird, geht das zu Lasten der Glaubwürdigkeit der Kirche selbst. Eine überzeugende Verkündigung der Botschaft Jesu ist dann nicht möglich.
Im Synodentext folgen viele richtige Hinweise auf die Rolle der Frau in der Hl. Schrift, in der Geschichte der Kirche und in heutiger Zeit. Ist das im Jahr 2024 noch nötig? Offensichtlich, das scheint immer noch nicht bei allen angekommen zu sein. Dann die konkrete Forderung: „vollständige Umsetzung aller Möglichkeiten, die bereits im kanonischen Recht in Bezug auf die Rolle der Frau vorgesehen sind.“ Aber selbstverständlich! Dahinter verbirgt sich aber doch vor allem die klare Selbsterkenntnis: Es ist immer noch nicht alles umgesetzt, was möglich wäre. Geschweige denn, ob die Möglichkeiten des kanonischen Rechts nicht auch schon längst einer Revision bedurft hätten.
Es ist noch nicht mal umgesetzt, was möglich wäre.
In jedem anderen gesellschaftlichen Kontext würde nun ein Bekenntnis zu einer aktiven Frauenförderung folgen und wahrscheinlich auch ein Maßnahmenkatalog, wie das Ziel erreicht werden soll. Nicht nur aus der Verpflichtung heraus, dass allen Menschen – selbst Frauen! – Gerechtigkeit widerfahren sollte, sondern vor allem aus Eigennutz: Kirche braucht die Frauen, ohne sie wird sie die Frohe Botschaft nicht überzeugend verkündigen können.
Doch ab jetzt kneift die Synode: „Es gibt keine Gründe, die Frauen daran hindern sollten, Führungsrollen in der Kirche zu übernehmen.“ Damit wird die Verantwortung für Veränderung auf die Frauen abgeschoben. Sie müssen die Hindernisse überwinden. Wie wäre es denn mal mit einer proaktiven Aussage? Etwa: „Wir müssen als Kirche alles tun, um diese Hindernisse abzubauen“.
Verantwortung für Veränderung wird abgeschoben.
Es wird noch schlimmer. Der Text fährt fort: „Was vom Heiligen Geist kommt, kann nicht aufgehalten werden.“ Sehr richtig – davon sind wir als Gläubige hoffentlich alle überzeugt. Aber von denjenigen in der Kirche, die in Blick auf die Frauen den Heiligen Geist selbst am meisten aufhalten, die sich gegen jede Veränderung stemmen und für sich die Hoheit beanspruchen zu wissen, was der Heilige Geist für unsere Kirche will, ist das ein glatter Missbrauch. Ich lese das und komme zu dem Schluss:
Wenn einem die Argumente ausgehen, muss man seine eigene Meinung so mit einer höheren Autorität verknüpfen. Ja noch perfider, hier wird insinuiert: Wenn die Frauen es nicht schaffen, dann kommen ihre Anliegen wohl offensichtlich nicht vom Heiligen Geist. Aber wenn wir es schaffen, den Status quo zu halten, haben wir die „Macht mit uns“. Zirkelschluss? Selbstermächtigung? Frauenfeindlichkeit? Männerbünde? Katholische Pneumatologie? Ich hatte da in der Dogmatik-Vorlesung über den Heiligen Geist einiges anders verstanden.
„Darüber hinaus bleibt die Frage des Zuganges von Frauen zum diakonischen Amt offen“. Diese Formulierung zum sakramentalen Diakonat der Frau ist – so der Berichterstattung zu entnehmen – der Synode mühsam abgerungen worden. Soll ich mich jetzt darüber freuen, dass die Entscheidung über die Zulassung zumindest offen geblieben ist? Und das nachdem seit der Würzburger Synode (die war schon im letzten Jahrhundert) nach unzähligen theologischen Erklärungen und Initiativen sich so viele Glaubensgeschwister für dieses Anliegen eingesetzt haben? Dass sie „offen bleibt“, weil – wie an anderen Stellen zu lesen – die Zeit noch nicht reif und dass weitere Überlegungen erforderlich seien, lässt wenig Raum für Freude und Hoffnung.
Für mich ist die Zeit schon mehr als reif, ja eigentlich ist sie über die Zulassung von Frauen zum Diakonat schon hinweggegangen. Theologisch aufrichtig kann ich nur noch von einem Zugang für Frauen zu allen sakramentalen Ämtern sprechen. Als Theologin habe ich aber auch gelernt, die Kirche denkt in Jahrhunderten. Ich weiß um die Veränderung, die mit dieser Feststellung von Offenheit damit etwa seit Ordinatio sacerdotalis möglich wurde. „Und sie bewegt sich doch“ – und immerhin nicht zurück.
Die Zeit ist mehr als reif.
Strategisch weiß ich, dass man mit kleinen Schritten vorangehen muss. Als Mutter, als Frau des 21. Jahrhunderts, als jemand mit vielen Kontakten zu Frauen in der Weltkirche und den Debatten um ihre Rolle, vor allem als jemand, die möchte, dass wir alle glaubwürdige Zeug*innen der Frohen Botschaft sein können, bin ich alarmiert. Wann geht es wirklich voran? In §61 des Synodentexts folgt als nächstes Thema die Sorge um die Kinder, in §62 geht es um junge Menschen. Sehr wichtig! Damit sind auch unsere heranwachsenden Töchter und Enkelinnen gemeint. Wie soll ich denen in die Augen schauen, wenn ich ihnen erkläre, dass sie weiterhin von unserer Kirche als Menschen zweiter Klasse behandelt werden?
Und jetzt? Drehen wir es pragmatisch, strategisch um: Immerhin, die Frage des Frauendiakonats wird zumindest als „offen“ definiert und der Papst hat erlaubt, dass das Abschlussdokument veröffentlicht wird. Na, dann auf! Jetzt erwarte ich, dass alle Verantwortlichen nach ihren jeweils eigenen Möglichkeiten die Klärung der Rolle der Frau vorantreiben. Es gibt keinen Grund mehr, sich zu verstecken. Was ist Ihre Position, Herr Bischof? Wofür steht Ihr? Was tut Ihr dafür, um den Heiligen Geist nicht länger aufzuhalten? In den synodalen Beratungen wurde deutlich, dass es weltweit kraftvolle Stimmen für die Zulassung von Frauen zum Diakonat gibt, gehört Ihre auch dazu?
Es gibt keinen Grund mehr sich zu verstecken.
Kein kirchliches Amt dient einem Mann oder einer Frau persönlich, sondern der gesamten kirchlichen Gemeinschaft und ihrem Auftrag in der Welt. Nur mit Frauen als Diakoninnen kann die Kirche ihr diakonisches Profil überzeugend stärken – um der Menschen willen, die in Not sind, und als kleines Zeichen an die Frauen. Eine Kirche der Zukunft braucht die Bereitschaft von Frauen, in Ämtern, auf allen Ebenen, in allen Gremien der Kirche mitzuarbeiten und ihre Kompetenzen einzubringen. Das wird viel zu selbstverständlich jeweils vorausgesetzt. Frauen sollten ihrerseits viel klarer und entschiedener Rechenschaft von denen einfordern, auf deren Seite immer noch die letztgültige Entscheidungsmacht liegt, ob ihre Bereitschaft und ihre Berufung wirklich wahr- und aufgenommen werden. Nicht der Zugang von Frauen, sondern die Verweigerung ihres Zugangs zu allen Ämtern und Aufgaben ist begründungspflichtig.
Die Frauenfrage ist für mich eine, ja die entscheidende Probe auf das Exempel für den dringenden Bedarf an mehr Synodalität in unserer Kirche. Für die Chancen, die darin stecken, aber auch für den weiten Weg, der von den Anfängen bis zu wirkungsvollen synodalen Strukturen noch zu gehen ist. In Deutschland begann der „Synodale Weg“ schon 2019 aus Anlass des Missbrauchsskandals. Während der letzten Monate war Stillstand. Wir haben abgewartet, was die römische Synode bringen würde.
Den deutschen Synodalen Weg mit aller Kraft weitergehen.
Aus meiner Sicht hat der Prozess bei uns durch die Weltsynode an Legitimation und Rückhalt gewonnen. Seine ekklesiologische Basis wurde gestärkt und es wurde deutlich, dass es kein „deutscher Sonderweg“ ist, sondern Teil einer breiten Reformbewegung in der katholischen Weltkirche. Niemand in Deutschland kann sich mehr hinter Rom verstecken, um Entscheidungen auszuweichen. Zentrale Themen waren durchaus ähnlich. Das Ringen um Beteiligung an der bischöflichen Macht durch Beraten und Entscheiden stand jeweils im Mittelpunkt der Debatte. Wir brauchen mehr Synodalität, mehr Vielfalt in der Einheit, mehr Subsidiarität in den Entscheidungen, mehr Partizipation des „Kirchenvolkes“ bei allen Beratungen und Entscheidungen, mehr Rechenschaft, mehr Transparenz, mehr Monitoring und Evaluation. Es ist höchste Zeit, mit voller Kraft auf dem Synodalen Weg weiterzugehen.
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Dr. Claudia Lücking-Michel, Bonn, langjährige Vizepräsidentin des ZdK, Co-Leiterin des Synodalforums «Macht und Gewaltenteilung in der Kirche – Gemeinsame Teilhabe und Teilhabe am Sendungsauftrag» beim Synodalen Weg sowie Mitglied des Synodalen Ausschusses der kath. Kirche in Deutschland.
Beitragsbild: privat