In der römischen Schultheologie vor dem Konzil wurde feinsäuberlich zwischen einer Ecclesia docens (dem lehrenden Klerus) und einer Ecclesia audiens (den hörenden Laien) unterschieden. Das Zweite Vatikanische Konzil hat jedoch eine neue Ökonomie von kirchlichem Lehren und Hören etabliert. (Christian Bauer)
Die Offenbarungskonstitution Dei verbum, deren fünfzigster Geburtstag in diesen Tagen gefeiert wird, definiert die ganze Kirche als eine Ecclesia audiens, als eine aufmerksame Hörerin des Wortes: „Das Wort Gottes ehrfürchtig hörend… / Dei verbum religiose audiens… “ (DV 1). Das heißt in ökumenischer Entgrenzung: Auch die katholische Kirche ist creatura verbi, Kirche unter dem Wort. Dessen Hörerinnen und Hörer sind, vor aller Verkündung, alle Glieder des einen Volkes Gottes: Priester wie Laien. Vor dem Sprechen nämlich kommt das Hören – wie schon in der Benediktsregel („Höre, mein Sohn… “). Und zwar das Hören auf Gottes Wort in der Heiligen Schrift, aber auch in den „Stimmen der Gegenwart“ (vgl. GS 44). Ein theologisches Modell der Nachkonzilszeit verdient in diesem Zusammenhang besondere Beachtung: das aus der pastoralen Arbeit mit Frauengruppen stammende Konzept des „Hearing to speach“ (Nelle Morton). Dabei geht es um ein raumgebendes Zuhören, das andere zu ihrer eigenen Sprache finden lässt.
„Hearing to speach“ (Nelle Morton)
Das konziliare Lehramt ist auch in diesem Sinne ‚ganz Ohr’ – als ein lernendes Lehramt analog zu jenem Wechsel vom eingleisigen Lehren hin zum gemeinsamen Lernen („shift from teaching to learning“), der gerade als neues Paradigma der Hochschuldidaktik gehandelt wird. Ein im Hinhören auf Gottes und der Menschen Wort lernendes Lehramt anerkennt, dass es „Elemente der Heiligung und der Wahrheit“ (LG 8) auch außerhalb der Kirchenmauern, „Strahlen jener Wahrheit, die alle Menschen erleuchtet“ (NA 2) in anderen Religionen und sogar „Gnade unsichtbar in den Herzen aller Menschen guten Willens“ (GS 22) gibt.
„shift from teaching to learning“
Die Pastoralkonstitution formuliert daher eine Grundeinsicht dieses pastoral dem Außen seiner selbst mit einer lernbereiten Gottesvermutung zugewandten Lehramtes: „Die Kirche hat nicht immer zu allen einzelnen Fragen eine fertige Antwort parat.“ (GS 33). Shift from teaching to learning – das ist ein entsprechend lernbereites Lehramt in der Schule des Konzils.
Und das ist auch eine der zentralen Botschaften seiner dogmatischen Offenbarungskonstitution Dei verbum. Es hat noch eine zweite, pastorale Offenbarungskonstitution verfasst: Gaudium et spes1 – aber das wäre dann schon wieder ein anderes Konzilsjubiläum.
(Bild: http://www.bistum-passau.de/jahr-des-glaubens/ii-vatikanische-konzil)
- Dazu Christian Bauer, Zeichen der Präsenz Gottes? Gaudium et spes als zweite Offenbarungskonstitution des Konzils, in: Zeitschrift für Katholische Theologie (2014), 64-79. ↩