Robert Seither reagiert auf den Beitrag von Christian Bauer, Nimm oh Herr die Gaben, vom 06.04.2023.
Lieber Herr Bauer,
vielen Dank für Ihre Gedanken zum Abendmahlslied „Nimm, o Herr/Gott, die Gaben, die wir bringen“! Ehrlich gesagt, wären mir die Textänderungen in der Gotteslobversion ohne Ihren Beitrag gar nicht aufgefallen. Ich habe mit diesem Lied immer das Rockmusical „Jesus Christ Superstar“ assoziiert und mich darüber gefreut, dass es eine mir lieb gewordene popkulturelle Interpretation der Passionserzählung auf diesem Weg ins katholische Gesangbuch und in die Liturgie geschafft hat.
Ihrer Kritik an einer ausschließlich auf Innerlichkeit und die transzendente Erlösung des Individuums ausgerichteten Spiritualität schließe ich mich an. Für mich bedeutet christlich glauben Nachfolge Jesu. Ihre Zuordnung der beiden Textfassungen zu den theologischen Denkformen des aktuellen Papstes gegenüber denen seines Vorgängers teile ich in ihrer, wie Sie selbst schreiben, holzschnittartigen Zuspitzung nicht. Sicher liegen zwischen Benedikt und Franziskus im wahrsten Sinn des Wortes Welten, aber ich kann bei Franziskus keine „postklerikalistische Weggefährt:innenschaft“ erkennen. Gerade seine Äußerungen bzw. die ihm untergeordneter Vertreter der Kurie zu zentralen Themen des Synodalen Wegs sprechen eine deutlich klerikale Sprache. „Synodalität“ bedeutet in vatikanischer, auch päpstlicher Diktion, etwas völlig anderes als die Emanzipation von Frauen und sexuellen Minderheiten oder die Abschaffung absolutistischer Entscheidungsstrukturen.
Neben dieser inhaltlichen Kritik möchte ich gern etwas zur Sprache Ihres Beitrags anmerken: Obwohl ich als Absolvent der Philosophisch-theologischen (Jesuiten-)Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main geübt darin bin, auch komplexere Texte zu lesen und mit ihnen zu arbeiten, verstehe ich Sie an manchen Stellen nicht oder erahne eher, was sie gemeint haben. Ein Beispiel: Der erste Abschnitt unter der Zwischenüberschrift „Perspektivische Kontingenz“, was wollen Sie damit sagen? Geht es darum, dass die folgenden Ausführungen Ihren persönlichen Standpunkt wiedergeben, die von Ihrer Lebensgeschichte und Ihren Lebensumständen geprägte Sicht der Dinge, die keinen absoluten Wahrheitsanspruch erheben? Abgesehen davon, dass das für feinschwarz-Leser:innen eine Binsenweisheit sein sollte, die man nicht eigens erwähnen muss, warum schreiben Sie das nicht in einfachen Worten? Ausdrücke wie „Perspektivische Kontingenz“ oder „Relativität ihrer biografischen und kontextuellen Gebundenheit“ bringen an dieser Stelle kein Mehr an begrifflicher Klarheit. Sie wirken auf mich irgendwie künstlich und aufgesetzt und erschweren das Verstehen des vielleicht Gemeinten.
Zwei weitere Beispiele: Für mich ist der Ausdruck „eines sazerdotalen Tempelopfers“ keine begriffliche Präzisierung, sondern eine Tautologie. Meines Wissens wurden Opfer im Tempel immer von Priestern vollzogen. Das Gleiche gilt für die „sakrifizielle Zentrierung des Opfers“. „Sakrifizium“ wird nach meinem Kenntnisstand im Deutschen allgemein mit „Opfer“ übersetzt.
Mir ist die Anstrengung des Begriffs und die Bemühung um eine präzise Sprache durchaus vertraut und wichtig. Genauso wichtig ist mir aber, meine Theologie auch für Nicht-Theolog:innen verständlich zu formulieren.
Mit freundlichen Grüßen
Robert Seither
[biografische Angaben:
Jahrgang 1957, Pastoralreferent in der Gemeindeseelsorge im Bistum Limburg]