Francesco Papagni (Zürich) reagiert auf den Beitrag von Annalena Müller vom 23. Januar 2025, in dem sie für einen unabhängigen Kirchenjournalismus nach dem Vorbild der öffentlich-rechtlichen Medien plädiert.
Als freier Journalist nehme ich zum Beitrag von Annalena Müller Stellung. Ich teile Müllers Befund, dass die Botschaft der katholischen Kirche ausserhalb des Kreises der Gläubigen – der allerdings mit „Blase“ unzureichend umschrieben ist, denn es handelt sich nicht um eine homogene Kleingruppe – nicht mehr gehört wird. Dies würde ich nicht nur auf Fehler der Kirche zurückführen sondern auf eine säkulare Kultur, die ein Minimum an religiöser Alphabetisierung unterschritten hat. Der ehemalige Direktor der Museen preussischer Kulturbesitz erzählte einmal, es kämen immer wieder Kunstgeschichtsstudentinnen zu ihm, um zu fragen, wieso in den Berliner Museen so viele Bilder hängen, die eine Frau mit Kind zeigen würden.
Dennoch gehört die Übersetzungsarbeit in die säkulare Gesellschaft hinein nach wie vor zu den Aufgaben kirchlicher Medienarbeit. Und natürlich stimme ich der Aussage zu, dass kirchlicher Journalismus kritisch sein muss. Entweder ist Journalismus kritisch und professionell oder er ist Hofberichterstattung.
Was das im Artikel erwähnte katholische Medienzentrum der Schweiz betrifft, für das ich u.a. arbeite, so ist dort meiner Erfahrung nach der Raum für kritischen Journalismus gegeben. Ein Modell, wie es die öffentlich-rechtlichen Medienanstalten kennen, ist für die katholische Kirche ungeeignet: Der Staat westlicher Prägung hat weltanschaulich neutral zu sein, die katholische Kirche ist jedoch eine Weltanschauungsgemeinschaft. Wer für sie tätig ist, nimmt einen Standpunkt ein. Auch Journalistinnen und Journalisten der säkularen Medien haben einen Standpunkt, legen diesen aber oft nicht offen. Wer kritisiert, hat die Frage nach dem Kriterium der Kritik zu beantworten. Eine Weltanschauungsgemeinschaft leitet dieses aus ihren Prinzipien ab. Die Alternative besteht darin, das Kriterium der Kritik aus subjektiven Präferenzen zu gewinnen. Oder eben doch aus einer Weltanschauung, die aber nicht als solche ausgewiesen wird.
In der kirchlichen Medienarbeit kann es zu Konflikten zwischen der Loyalität zur Kirche und der Informationspflicht kommen. In den säkularen Medien kommt es aber auch immer wieder zu Konflikten, z.B. zwischen Persönlichkeitsschutz und Informationspflicht. Das gehört zum Beruf.
Das Modell, das die öffentlich-rechtlichen Medien kennen, funktioniert für diese selbst weniger gut als es Annalena Müller darstellt. Das jetzige Finanzierungsmodell für das Schweizer Radio und Fernsehen wurde bei der letzten Volksabstimmung nur mit einer hauchdünnen Mehrheit gutgeheissen. Breit abgestützt sieht anders aus. Katholischer Journalismus ist notwendigerweise kritisch und notwendigerweise an die Kirche rückgebunden. Wer leitet aber die Ortskirchen? Von einem katholischen Standpunkt ist die Antwort klar: die Bischöfe. Also stehen sie, auch was Medienarbeit betrifft, in der letztinstanzlichen Verantwortung.
Francesco Papagni, Zürich
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