Alexius J. Bucher, fast gleichaltrig wie Fulbert Steffensky, lässt sich von ihm zu einer eigenen Kurz-Reise durch seine religiösen Welten anregen.
Mit biblischen Worten besingt die DDR die letzten Wochen ihrer staatlichen Existenz: „Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt“. Im Gegensatz dazu intoniert die Redaktion von feinschwarz ihren cantus firmus zum Zustand der römisch-katholischen Kirche nicht grundlos oft mit Grautönen aus dem Baugewerbe: „schlichtweg ruinös“.
Ein jüngster Beitrag des 90-jährigen Fulbert Steffensky in feinschwarz überrascht. In seiner berührenden „Reise durch meine religiösen Welten“ bekennt er: „Unsere Kirche war noch nie so schön, wie sie heute ist“. Ist das ein Glaubenssatz? Oder ist das ein Erfahrungssatz? Oder „nur“ seniorale Euphorie im Blick auf ein engagiertes Leben zwischen 1933 und 2023?
Natürlich nicht! Der diagnostizierte Machtverlust der Kirche könnte diese Institution noch mehr zum Leuchten bringen. Bräuchte Kirche aber dann nicht andere Orte? Andere Feiern? Müsste Kirche konsequent von anderem reden und anderes zelebrieren? Steffensky listet die Verluste einer tridentinisch geprägten Kirche in ihrer Entwicklung hin zu einer Kirche 50 Jahre nach dem Vaticanum II. materialreich auf, teils distanziert, teils wehmütig. Das Beurteilungskriterium des Jubilars: „Der eingetretene Verlust ist ihr Gewinn“. Ein Nachweis gelingt ihm nicht immer. Steffensky tröstet sich (?) mit Nikolaus von Kues: “Die Größe einer Kirche zeigt sich darin, wie viele Gegensätze sie in sich vereinigt“. Stimmt das wirklich?
Ab und an schimmern Phantomschmerzen erlittenen Verlustes durch den Reisebericht. Am deutlichsten in einer Litanei auf der Suche nach einer Kirche, die auch noch etwas vom feierlichen Glanz früherer Epochen ausstrahlen sollte. Auch ich liebe ein patriarchales Choralamt im Kreis von Maria Laach! Ich bin seit 58 Jahren Priester. Die Gründe, die mich vor über einem halben Jahrhundert motivierten, Priester zu werden, unterscheiden sich existentiell von den Gründen, die mich veranlassten Priester zu bleiben. Studierende, Strafgefangene, Lebensmüde haben mein Gottesbild verändert. Damit hat sich auch mein Bild von der Kirche und mein Bild eines Priesters, selbstverständlich auch das Bild eines „Laien“, zentral verändert. Suche ich die gleiche Kirche wie Steffensky?
Jedenfalls habe ich die Hoffnung gestrichen, dass von der hierarchischen Spitze oder von einer liberalen Basisgemeinde mehr als gutgemeinte Insiderbemühungen erwartet werden können. Das liegt nicht am ermüdenden guten Willen, sondern an dieser Insiderverschlossenheit. Veränderung kann nur möglich werden, wenn die heilsame jesuanische Tradition sich den Sorgen und Nöten, den Freuden und Sehnsüchten, die von außen auf Kirche stoßen, aussetzt.
„Halt’s Mau!“ befiehlt Steffensky sich am Schluss seines Reiseberichts. Warum eigentlich? Sein öffentliches Maulwerk provoziert meinen Dank. Jetzt kommt der Segen: Ich wurde an meine eigene Prozession erinnert durch die Kreuzweg- und Auferstehungsstationen in, mit, durch und als Kirche. Das ehrliche Zeugnis des Christenbruders von den fluktuierenden Gründen seiner Hoffnung stärkt mein Gottvertrauen in die Zukunft.
16.07. , Prof. em. Dr. Alexius J. Bucher, Eichstätt