Klaus Gasperi (Zwischenwasser) reagiert auf den Beitrag von Anna-Katharina Höpflinger und Daria Pezzoli-Olgiati vom 13. Januar 2024
Als Theologe und Germanist lese ich sehr gerne Ihr Feuilleton, um ein wenig auf dem Laufenden zu bleiben. Als ich vor einigen Wochen den Beitrag zum Thema „Grenzgänge – Religion und die Alpen“ las, war ich allerdings ziemlich überrascht.
Das ist natürlich ein gutes und spannendes Thema. Doch am Ende dieses längeren Textes musste ich enttäuscht feststellen, dass es sich um den eigenen Beitrag der HerausgeberInnen des Bandes handelte – also auf gut Deutsch um einen Werbebeitrag in eigener Sache. Bei Buchprojekten bin ich es allerdings gewohnt, dass neutrale Kritiker Beiträge verfassen. Ironischerweise plädierte wenige Tage später Annalena Müller für einen unabhängigen Kirchenjournalismus, insofern würde ich mir auf „feinschwarz“ ebenfalls unabhängige Berichte erwarten.
Den einleitenden Satz „Höpflinger und Olgiati geben Einblicke in das Projekt“ hatte ich jedenfalls nicht zwangsläufig als Warnhinweis „Achtung, Sie lesen einen Werbebeitrag für das Buch“ verstanden. Natürlich ist es sehr verdienstvoll, dass „feinschwarz“ NachwuchswissenschaftlerInnen ein Podium bietet, ihre Arbeit vorzustellen. Aber würde ein wissenschaftliches Forum nicht einen (kritischen), zumindest unvoreingenommenen Blick von außen erfordern?
In der Tat scheint es aktuell üblich, Selbstvorstellungen abzudrucken. Wenn es sich dabei um Berichte über akademische Veranstaltungen wie das Taylor-Swift-Symposium handelt, vermag ich das noch einigermaßen nachzuvollziehen, der Teilnehmerkreis ist klein und tagt meist hinter verschlossenen Türen. Beim Projekt „Grenzgänge“ liegt aber eine Buchpublikation vor. Feinschwarz möchte laut Wikipedia und Frau Hoyer „unabhängig von Verlagen und deren Sicht auf Leserinteressen und Marktanalysen Theologie treiben“.
Nun, dann doch bitte zuallererst unabhängig von AutorInnen, die zweifellos ihrem eigenen Werk gegenüber einen gewissen Bias aufweisen. Zumal der Beitrag von Höpflinger/ Olgiati auch inhaltlich und sprachlich merkwürdig und diskussionswürdig und recht schwach ausfällt.
Da finden sich zunächst zahllose Platitüden wie:
- „Das Bergdorf Bordo erfuhr eine Transformation …“ Anmerkung: Alle Ortschaften in den Alpen erfuhren in den letzten 50 Jahren eine sehr starke Transformation, das hat mit dem Auto und unserem Freizeitverhalten und mit unserer Wirtschaft zu tun.
- „Berge sind zugleich nützlich und gefährlich, sie werden verehrt und gefürchtet“ – Anm.: ja, das haben wir vorher auch schon gewusst.
- „Obwohl die Vielfalt an religiösen Formen in alpinen Kulturen eine zentrale Rolle spielt, ist dieses Thema wissenschaftlich wenig erforscht, was – gerade angesichts zeitgenössischer Herausforderungen – erstaunt.“
Diese wissenschaftliche(?) Feststellung erstaunt mich auch, denn in den Alpen beschäftigt man sich seit sicher 100 Jahren auch wissenschaftlich mit dem alpinen Brauchtum, das in diesem Raum meist religiös geprägt ist, ich möchte nur auf renommierte Forscher wie Hans Haid verweisen. Die Innsbrucker Universitätsbibliothek nennt zum Stichwort „Religion+Berge“ übrigens mehr als 2000 Ergebnisse, zuletzt ist im Böhlau Verlag die Publikation: Religion in den Bergen, hg. von Michael Kasper u. a. erschienen, mit 1,3 kg Gewicht und über 700 Seiten sollte sich darin eine gewisse wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema finden lassen, die vermutlich fundierter ist als die im Buch „Grenzgänge“ vorgestellten „thematischen Erkundungen und Spaziergänge“.
Klaus Gasperi (A 6835 Zwischenwasser)