Albert Koolen setzt sich mit dem Beitrag “Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. ein brillanter Jahrhunderttheologe, wenn er das Reich Gottes verteufelt?“ und dem Leserbrief von Stephan Raabe auseinander.
Als lediglich gelegentlicher Leser von feinschwarz.net drängt es mich doch, einen Kommentar zu Urs Eigenmanns Analyse der Reich-Gottes-Theologie Benedikts und des Leserbriefs von Stephan Raabe zu schreiben:
Wie eigentlich theologisch bekannt, knüpft die Reich-Gottes-Verkündigung Jesu an den Tag JHWH in Verbindung mit den Visionen im Deutero- und Trito-Jesaja an, also das Reich kommt nicht in einem Nu, sondern es beginnt und entwickelt sich. Daher hat die Theologie den eschatologischen Vorbehalt zur Beschreibung dieses Sachverhaltes stets betont. Das Reich Gottes ist einerseits real in der Welt da und andererseits immer noch im Kommen. Ernst Bloch hat dies säkular-philosophisch mit dem andauernden Überschuss des Möglichen in der Geschichte beschrieben. Die Reich-Gottes-Verkündigung ist also eng mit der tatkräftigen Hoffnung auf seine Verwirklichung und dem Feststellen seiner schon bestehenden Realität verbunden.
Im Blick auf Benedikts Theologie und seine Kirchenleitung ist offensichtlich, dass es für ihn keine Verwirklichung des Gottesreiches in der realen Wirklichkeit gab. Seine und die Kraft seines Vorgängers erschöpften sich kirchengeschichtlich im Beitrag zur Überwindung des real-existierenden Sozialismus Ende der 80er und 90er Jahre des vorherigen Jahrhunderts. Und bei Benedikt zusätzlich in der Abwehrhaltung gegen alles „Weltliche“ durch eine Spiritualisierung des Glaubens und einer Re-Evangelisierung im Gewand des 19. Jahrhunderts.
Es bleibt daher zu hoffen, dass nach dem 45-jährigen innerkirchlichen Stillstand (und Rückschritt), neue Kräfte im Dialog mit der Welt des 21.Jahrhunderts in der größten weltweiten Glaubensgemeinschaft wachsen werden. Und dass vor allem das Gemeinsame (und nicht das Trennende) des Ringens für weitere Verwirklichung des Gottesreiches auf dieser Erde in den Mittelpunkt der Verkündigung der Kirche gestellt wird. Notwendig wäre dies angesichts der die Existenz der Menschheit bedrohenden Krisen allemal.
Und dass es vor allem wieder eine Theologie geben möge, die den Namen wieder verdient und nicht das Wiederholen der Bewahrung einer Unveränderbarkeit zum ausschließlichen Thema hat. Nicht zuletzt auch im theologischen Verhältnis zu anderen Glaubensgemeinschaften Weltanschauungen bis hin zum reflektierten Nihilismus.
Ob allerdings die kleine Franziskus-Fraktion im Vatikan, die ja jetzt freier handeln könnte, dazu willens und in der Lage ist, stelle ich allein wegen der angegriffenen Gesundheit des 84jährigen Pontifex zumindest in Frage. Aber Geist weht ja bekanntlich wo immer sie will.
Albert Koolen, Krefeld