Martin Ott reagiert in einem Leserbrief auf Theresa Mayers Beitrag „Kenias Ringen mit der Kirche“.
Vielen Dank an Theresa Mayer, die Leserschaft von feinschwarz auf den Fall Shakahola aufmerksam gemacht zu haben. Der Freitod bzw. Mord (welcher Begriff ist eigentlich angemessener?) so vieler Menschen im Namen der Religion rührt an mehrere ungelöste Probleme in afrikanischen Gesellschaften: schwache staatliche Instanzen, die Abhängigkeit vieler Politiker von kirchlicher Unterstützung (der kenianische Präsident William Ruto ist ein „born again Christian“), das Business Modell „Unabhängige Kirchen“ und die Verführbarkeit so vieler Menschen im Namen der Religion durch selbsternannte Propheten. Aber es gibt auch ein tieferes Problem. „Without religion you would have good people doing good things and evil people doing evil things. But for good people to do evil things, that takes religion“, so die Warnung des Physikers und Nobelpreisträgers Steven Weinberg. Keine andere Weltanschauung, Ethik oder auch politische Überzeugung kann den Menschen so tief „ergreifen“ wie Religion. Um die Dialektik religiöser Ergriffenheit für den afrikanischen Kontext aufzuarbeiten – wie das Theresa Mayer fordert – bedarf es einer säkularisierten Gesellschaft, eines förderlichen und freien akademischen Umfelds, einer kompetenten Theologie und einer Streitkultur, die die Probleme beim Namen nennen kann und will. Ich fürchte, dass diese Rahmenbedingungen in Kenia – und in vielen Gesellschaften Afrikas – nicht gegeben sind.
Dr Martin Ott
Potterhanworth / UK
Beitragsbild: Tür einer informellen Kirche in Kibera, Nairobi. Foto: Kelvin Juma, Dokumentarfotograf in und aus Kibera.