„Mein Herabsteigen aus den klerikalen Höhen machte mich freier.“ Ein persönlicher Leserbrief von Albert Pichler zum Beitrag von Norbert Lüdecke über die Synodale Komplizenschaft.
Ich danke Ihnen sehr für diese klaren Worte.
Ich möchte dazu einige Erfahrungen aus meiner seelsorglichen Tätigkeit einbringen. Sie bestätigen ihre Kritik. Ich war selber in unterschiedlichen Ausprägungen Teil des kirchlichen Systems. Zuerst 20 Jahre als Priester in der Pfarrseelsorge. Hineingeschickt mit der uns zugesagten Weihevollmacht. Beladen mit der hochspiritualisierten zölibatären Lebensform, die dann zur Berufungsplage wurde. So kam für mich der unausweichliche Schritt, mich „laisieren“ zu lassen.
Doch dazwischen noch eine Sternstunde meines Priesterseins:
Bei einem Mitbrüdertreffen an einem wunderschönen Wintertag stellte uns der damalige Generalvikar die Frage: „Woher lebst du dein Christsein? Aus der Priesterweihe oder aus der Taufe?“
Von da an ging in mir und in meiner Art der Seelsorge eine Wandlung vor sich. Ja, die Taufe brachte mich auf den Boden und zu einem neuen Miteinander mit den vielen Mitarbeite:innen in meinem pastoralen Umfeld.
Mein Herabsteigen aus den klerikalen Höhen machte mich freier und ließ mich mutig werden, den Schritt in den Laienstand zu wagen.
Das war mit etlichen Schikanen der Hierarchie verbunden. Dennoch brannte das Feuer des Evangeliums weiter in mir. Und so fand ich etliche Jahre danach einen Platz als Pastoralassistent. Jetzt war ich oft dem von ihnen beschriebenen „Standesdünkel von Priestern ausgesetzt“, wie es heute immer wieder Frauen und Männer erleben.
Dennoch fand ich immer wieder „Lücken“, wo ich meiner Berufung aus der Taufe entsprechend meiner Leidenschaft für das Evangelium nachgehen konnte.
Zur Verkündigung des Evangeliums braucht es keine Priester und Bischöfe!
Wer aus der Taufe und der Christusverbundenheit lebt ist fähig, das Evangelium zu verkünden.
Das Festhalten der Kirche am „Weihesystem“ mit allen verbundenen „Dünkeln“ verhindert das Christsein.
Solange die überhöhte Weihetheologie mit dem Hinweis auf den „character indelibilis“ fortgesetzt wird, fehlt die Wertschätzung für die allen gemeinsame Berufung aus der Taufe. Da braucht es kein oben und unten. Nötig ist die Orientierung an der Nacktheit des Evangeliums.
Mag. Dr. theol Albert Pichler, Jg. 1951