Egbert Ballhorn fand in der verlorenen ersten Strophe des Hymnus eine Erinnerung an die Verbundenheit mit Israel in der Erwartung. Thomas Breuer sieht Ambrosius damit zu freundlich dargestellt und erinnert an dessen Intervention gegen den Wiederaufbau einer Synagoge.
Ballhorns geradezu hymnische Würdigung des Ambrosius-Hymnus kann nicht unwidersprochen bleiben. Der Mailänder Bischof erscheint bei ihm als politisch und theologisch korrekter Kirchenlehrer, der nicht nur den Weg aus der Verbohrtheit nationaler Egoismen weist, sondern auch Israel-sensibel die Völker „Seite an Seite“ mit Gottes ersterwähltem Volk beten lässt.
Als Beleg dient dem Dortmunder Alttestamentler die später in Vergessenheit geratene erste Strophe des Hymnus: „Es spricht für Ambrosius, dass er seinen Ausgang wörtlich bei der Schrift nimmt (Ps 80!).“ – Einspruch, Euer Ehren! Denn der Hymnendichter greift zwar die Worte des Psalms auf, identifiziert aber den auf den Cherubim thronenden „König Israels“ (d.i. Gott) mit Jesus Christus. Damit haben wir einen typischen Fall von theologischer Enteignung und Enterbung des Judentums durch das Christentum vorliegen.
Ambrosius: Nur wer christlich an Gott glaubt, glaubt wirklich an Gott.
Für Ambrosius ist klar: Nur wer christlich an Gott glaubt, glaubt wirklich an Gott. Beleg?
Als im Jahre 388 im mesopotamischen Kallinikon im Zuge eines vom dortigen Bischof initiierten Pogroms die dortige Synagoge geplündert und niedergebrannt worden war und Kaiser Theodosius die Bestrafung der Schuldigen sowie den Wiederaufbau des zerstörten jüdischen Gotteshauses verfügt hatte, schritt Ambrosius ein. In seiner zunächst schriftlichen, dann auch mündlichen (Predigt!) Intervention nannte der Mailänder Bischof die Synagoge einen „Ort des Unglaubens“, eine „Heimstatt der Gottlosigkeit“, einen „Schlupfwinkel des Wahnsinns, der von Gott selbst verdammt worden ist“. Ein Wiederaufbau der Synagoge komme selbstredend nicht in Frage, denn dieser würde einen Triumph der ungläubigen Juden über die fromme Kirche bedeuten. Dem christlichen Kaiser blieb letztlich nichts anderes übrig als sich seinem Bischof zu beugen.
„Seite an Seite mit Israel“ zu beten, kam also für Ambrosius nicht in Frage. Dieser steht vielmehr für einen unduldsamen, Gewalt legitimierenden und das Recht verhöhnenden Antijudaismus. Er wurde mit seinem theologischen Imperialismus tatsächlich in gewisser Weise zu einem Lehrer der Kirche. Weisheit vermag ich hierin indes nicht zu erkennen.
—
Dr. Thomas Breuer, Akademischer Oberrat am Bereich Evangelische Theologie / Religionspädagogik der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg