In seinem Leserbrief kommentiert Helmut Waltersdorfer den Beitrag von Matthias Sellmann, „Weckruf für mehr Verbindlichkeit“, vom 16.4.2019.
Der „Weckruf für mehr Verbindlichkeit“ und die dazugehörigen Repliken zeigen wieder einmal: Die Theologie und die Kirche haben die Zeichen der Zeit immer noch nicht erkannt. Schon „ewig“ wird über die „krisengeschüttelte Kirche“ geklagt, eine Diagnose, die ich und bestimmt viele andere schon nicht mehr hören können.
Der überwiegende Teil der „therapeutischen Maßnahmen“ umfasst Vorschläge zur Veränderung der Organisation, der Strukturen, Berufsbilder, Geschlechterrollen oder eben eine „systematisch organisierte Pastoral“. Sie betreffen fast ausschließlich Macht und Einfluss und oft die Bewahrung des Klerikalismus (Papst Franziskus: „Bloß kein Klerikalismus und noch etwas: Das ist eine Pest in der Kirche.“).
Was kaum in Frage gestellt wird sind die Inhalte des Glaubens, die unter anderem in Form der kirchlichen und theologischen Sprache ausgedrückt werden. Die Kirchenkrise ist eine Krise des Verständnisses der Botschaften des Glaubens. Erik Flügge drückt das sehr drastisch in seinem Buchtitel aus: „Der Jargon der Betroffenheit – wie die Kirche an ihrer Sprache verreckt“. Oder Eugen Drewermann spricht von der Notwendigkeit einer „Entrümpelung der gesamten Dogmensprache“.
Die theologische und kirchliche Sprache ist eine Binnensprache, die zum Teil veraltet ist und unhinterfragt Worte weiter verwendet, die erstarrt sind und mit der heutigen Lebensrealität nicht mehr in Einklang zu bringen sind. Nachdem die Sprache eine der wichtigsten Ausdrucksformen des Menschen ist, ist es eminent wichtig, eine neue Sprache zu finden. Dabei muss man sich auch bewusst sein, dass die Sprache laufend Veränderungen unterworfen ist. Verändert sich die Sprache nicht, wird sie für immer weniger Menschen verständlich. Einfach ausgedrückt: „Nicht der Glaube der Menschen verdunstet, sondern der, den die Kirchen predigen.“
Organisatorische Maßnahmen in Pastoral und Kirche mögen wichtig sein, haben aber bei weitem nicht die höchste Priorität. Die Antworten auf die Frage „Was heißt Glauben heute?“ in einer modernen, verständlichen Sprache müssen möglichst umgehend gefunden werden. Damit sollten sich die Theologen vorrangig beschäftigen.
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Autor: Helmut Waltersdorfer, Neuhofen an der Krems