Urs Winter, Luzern, betont die Bedeutung der Differenzierungsleistungen beim Verständnis von „Zeichen der Zeit“, wie sie im Beitrag von Daniel Kosch erbracht werden.
Lieber Daniel
Ich tauche eben aus der Lektüre von „Homo Deus“ des israelischen Historikers Yuval Noah Hariri auf. Nicht zuletzt basierend auf einer instrumentellen Auslegung des biblischen Herrschaftsauftrags unternimmt der Autor einen Parforceritt durch die Menschheitsgeschichte seit der Sesshaftwerdung und entwirft dabei spannende und gedankenscharfe, doch auch kulturpessimistische, ja beklemmende Perspektiven für eine „Geschichte von Morgen“, so der Untertitel. Darin mutiert der „homo sapiens“ zum „homo deus“, indem er im 21. Jahrhundert versuchen wird, Unsterblichkeit, Glück und göttliche Macht zu erlangen.
Hariris Umgang mit der Bibel – und andern historischen Stoffen – ist salopp und selektiv. Spätestens wenn Hariri bemerkt, dass im Techno-Humanismus – wie er den neuesten Entwicklungsschritt nennt – nur eine kleine Elite vom Bewusstsein eines „homo deus“ träumen darf, während der Rest zunehmend zum „homo nutzlos“ verkommt, müsste man ihn zurückverweisen zur biblischen Schöpfungsgeschichte. Das dort verwendete Bild von der Gottebenbildlichkeit des Menschen widerspricht in fundamentaler Weise dem von Hariri prognostizierten Übermenschen und der damit verbundenen Selektion.
Notwendige Differenzierung finde ich nun, ohne direkte Anspielung auf Hariris Buch, in Deinem Plädoyer, die „Zeichen der Zeit“ in der Kirche wesentlich theologisch zu erkennen und zu gewichten, und dies auch heute durchaus zuerst mit „gaudium et spes“. Vielen Dank!
Urs Winter, Luzern