Wahrheit unter Verschluss
Danke an Herrn Thull für seinen Aufsatz über leidensgerechte Entschädigung, den Appell an und die Rolle der Bischöfe. Ich möchte den Blick darauf noch etwas weiten und als Betroffene doch ein wenig für die UKA einstehen. Vielleicht relativiert es etwas die allgemeingültige Meinung über das interdisziplinäre Entscheidungsgremium, das meiner Ansicht nach nicht alleine für die Intransparenz verantwortlich ist.
2022 gab es laut UKA-Jahresbericht 24 Menschen, deren Antrag mit einem Betrag über 100.000 Euro beschieden wurde, von über 1800 Anträgen, die seit Gründung der UKA eingegangen waren. Diese Zahlen haben sich 2023 nach dem Kölner Urteil deutlich verändert. Und das ist wichtig, denn die finanziellen Verluste, die Betroffene im Laufe ihres (Berufs)Lebens hinnehmen müssen, belaufen sich oft durch traumafolgenbedingte Arbeitsunfähigkeit, Berufsabbrüche, Krankheiten und frühzeitige Berentung auf mehrere 100.000 Euro, die später auch in der Rentenberechnung fehlen. In diesem Betrag sind weder Schmerzensgeld noch Lebens- und Beziehungsverluste und auch nicht die Sekundärtraumatisierung von Angehörigen mitberechnet. Die Zahlungen der UKA können daher auch im höheren Bereich nur als eine erste Entlastung angesehen werden.
Ein Grundproblem bei der Berechnung der Leistungen, das sich nach nun nach den ersten Akteneinsichten für Betroffene herauskristallisiert hat, ist die nicht immer vollständige Weitergabe der Tatinhalte und Folgen durch die MB-Beauftragten der Bistümer an die UKA. Das Gremium kann aber nur aufgrund aussagekräftiger Unterlagen gerechte Entscheidungen treffen.
Es mehren sich die Beschwerden von Betroffenen, dass sie in den UKA-Akten längst nicht alle beim Bistum eingereichten Unterlagen wiedergefunden haben. Oder sie bemerkten, dass die Gespräche, die sie mit den MB-Beauftragten geführt haben, viel lapidarer und kürzer protokolliert wurden als die berichteten Taten in Wirklichkeit waren.
Die von den Bischöfen ausgesuchten Missbrauchsbeauftragten weisen vielerlei Professionen auf aber selten Traumafachkompetenz. Es ist eine bunte Mischung aus Juristen, Psychologen, Diakonen, Frauenärzten und Quereinsteigern aus vielen anderen Professionen. Die Motivation eine solche Stelle anzutreten und die Qualifikation für diese Tätigkeit sind mindestens so intransparent wie die Entscheidungsgrundlagen der UKA.
Diese Zwischenakteure des bischöflichen Anerkennungs-Systems hat bisher noch niemand richtig im Blick, außer Betroffene, die damit entsprechende Erfahrungen gemacht haben. Und deren Expertise wird nicht berücksichtigt, obwohl das ein entscheidender Faktor sein könnte, um das System zu verändern. Wenn es wirklich so gewollt wäre….
Die Ursache für die unterschiedlichen Zahlungen und Bewertungen der UKA ist also unter Umständen auch an einer ganz anderen Stelle zu suchen. Nur selten kann ein Betroffener genau verfolgen, was tatsächlich an die UKA weitergegeben wird. Allein das Kreuzchen zur Bestätigung der Plausibilität sagt noch nicht, WAS dokumentiert wurde. In meiner Funktion als Betroffenenbegleiterin habe ich bisher nur ein einziges Bistum erlebt, das dauerhaft mit vertrauenswürdigen, kompetenten und traumasensiblen Ansprechpartner:Innen arbeitet und gewissenhaft protokolliert, was Betroffene berichten. Und auch hier gilt: Die Mitarbeiter:innen können nur so gut sein, wie der Bischof, der sie auswählt.
Ich wäre oft gerne Mäuschen bei den Bischofskonferenzen zu diesem Thema, vor allem bei den nichtöffentlichen Besprechungen. Dort würden wir wahrscheinlich aufgrund der unter Verschluss gehaltenen Wahrheiten sofort alle vom Glauben abfallen. Denn wer sich näher mit den Hintergründen beschäftigen muss und diese kennt (und das sind leidvollerweise oft Betroffene) glaubt schon längst nicht mehr alles, was die RKK verkündet.
Flora-Nike Göthin
Heimkind-Würzburg.net