Mechthild Leise reagiert mit ihrem Leserinnenbrief auf Hannah Zieglers Beitrag „Gebet, das verletzt.“
H. Ziegler beschreibt in ihrem Beitrag die Erfahrungen vieler Missbrauchsbetroffener. Zu danken ist ihr auch für den Hinweis (an zumindestens einer Stelle), dass es verschiedene Formen von Missbrauch gibt: Für Menschen, die – wie ich – sexuelle Gewalt gemeinsam mit spirituellem Missbrauch erlebt haben … Denn es kann und darf nicht sein, dass – analog zur Sprech- und Handlungsweise der Bischöfe – ein „Ranking“ verschiedener Betroffenengruppen etabliert wird. Für alle Formen von Missbrauch gilt, was H. Ziegler und auch ich persönlich erfahren haben: Menschen, die in kirchlichen Kontexten Gewalt erlebt haben, werden durch kirchliche Veranstaltung und durch die insbesondere von Bischöfen verwendete Sprache schnell zu den ‚Anderen‘, die nicht zu dieser Kirche gehören, sondern irgendwo außerhalb verortet werden. An vielen Veranstaltungen und Orten werden sie nicht mitgedacht, gar durch Sprache ausgeschlossen.
Auch wenn es nach meiner Erfahrung kaum möglich seien wird, eine „triggerfreie“ Liturgie zu gestalten, so gibt es doch Grenzen:
- (Ziegler): Am 18. November findet der „Gebetstag für Betroffene sexuellen Missbrauchs“ der Deutschen Bischofskonferenz statt. Eine merkwürdige Veranstaltung: Da betet die Täterinstitution für die Opfer.
Opfer, die wie in meinem Fall und zugleich immer dann, wenn es „nur“ um spirituellen Machtmissbrauch geht, nicht als Opfer anerkannt werden.
Opfer, die nie gefragt wurden, ob sie das so eigentlich möchten; ob sie das ertragen können.
- Bei meinen Versuchen, den erfahrenen Missbrauch aufzuklären, ist eine mittlerweile umfangreiche Korrespondenz mit verschiedenen Bischöfen entstanden. Hier fallen Formulierungen auf, die teils eine (vermutlich selbst geglaubte) „Ohnmacht“ bzw. „Ratlosigkeit“ behaupten, zum Teil einfach übergriffig sind. Denn wie soll ein Betroffener, der aufgrund seiner Geschichte nicht mehr beten will / kann, sich mit einem Bischof „im Gebet“ verbunden fühlen?
Anonyme, aber reale Beispiele:
Gerne schließe ich Sie in mein Gebet mit ein …
Ich selbst werde Sie gerne in das Gebet bei der Feier der Eucharistie einschließen.
Alles, was Sie sagen, ist betrüblich und beunruhigend …
Wenn ich bezüglich des komplexen Inhalts auch ratlos bin …
… kann ich zur Beschleunigung nichts beitragen und zu diesen Punkten nichts Konkretes ausführen …
… vertraue ich auf die bewegende Kraft aus der Höhe, den Heiligen Geist …
Ich wünsche Ihnen Gottes Trost, Beistand und Segen …
Im Gebet verbunden …
Mechthild Leise, München
Beitragsbild: Christoph Bauer