Die Gestalt des Nikolaus gehört zu den bekanntesten Heiligen – und der Besuch des Nikolaus ist aus vielen Familien nicht wegzudenken. Veronika Schippani von der Jungschar in Wien schaut auf die Chancen, die in dieser Heiligengestalt und im Brauch des Nikolausbesuches liegen.
“Lieber, guter Nikolaus, komm doch auch in unser Haus…” – oder etwa doch nicht? Die Frage, ob der Nikolaus Kinder zuhause oder in Bildungseinrichtungen besuchen soll, beherrscht aktuell wieder einige Diskussionen und ist in vielen Medien präsent. Argumente dafür und dagegen fallen, selten geht es dabei aber konkret um den Heiligen, dessen Gedenktag wir am 6. Dezember begehen. Ist der Nikolo möglicherweise genauso zu einer inhaltsleeren Hülle verkommen, wie es manche Schokofiguren aus dem Handel sind? Ist er nur mehr zu einem Symbol geworden, um das sich die verschiedenen Lager streiten?
Begegnung kann stattfinden in Geschichten, Legenden, mit Hilfe von Liedern und persönlich
Vielleicht werden einfach die falschen Fragen gestellt. Mit der Frage, ob besucht werden soll oder nicht, ist man eigentlich mindestens schon zwei Schritte zu weit. Die beiden übersprungenen Schritte in der Entscheidungsfindung sind nämlich einerseits die Frage nach dem “Warum?” und andererseits jene nach dem “Wie?”, die sich oft direkt aus ersterer ergibt. Warum ist es wichtig, dass Kindern der Nikolaus begegnet? Begegnung kann stattfinden in Geschichten, Legenden, mit Hilfe von Liedern und persönlich – in diesem Fall natürlich vertreten durch eine/n Darsteller/in. (Schließlich ist der Heilige Nikolaus von Myra bereits über 1600 Jahre tot.) Begegnung braucht aber Überlegungen dahinter und Gestaltung – erst wenn dann das “Warum” geklärt ist, kommt das “Wie”.
Ein Blick auf die wortwörtlich sagenumwobene Gestalt des Heiligen Nikolaus lohnt sich in jedem Fall, wenn man dahinterkommen möchte, weshalb er uns auch heute noch so sehr beschäftigt. Bekannt ist, dass es sich beim Heiligen Nikolaus von Myra um einen Mann aus recht wohlhabendem Hause gehandelt hat, der um 280 n.Chr. in der heutigen Türkei geboren wurde. Einige Legenden berichten, dass er schon als Kind sehr fromm war und laut Überlieferung wurde er bereits mit 19 Jahren zum Priester geweiht und Abt eines Klosters. Außerdem verschenkte er – so erzählt es auch die wohl bekannteste Nikolauslegende, die sich rund um drei Schwestern und die fehlende Mitgift rankt – sein ererbtes Vermögen. Unweigerlich entsteht bei diesen Geschichten dann das Bild eines makellosen, ja fehlerfreien jungen Mannes. Vielleicht sind viele Menschen deshalb dazu geneigt, ihn zum Richter über gutes und tadeliges Verhalten bei Kindern zu ernennen. Aber dazu später. Damals noch üblich, wurde er zum Bischof, weil er durch die Bevölkerung von Myra etwa im Jahr 300 dazu gewählt wurde.
In all den Legenden fehlt, dass er tadelnd oder strafend aufgetreten wäre.
Als Bischof befindet er sich schließlich in einer Machtposition. Diese Macht weiß der recht junge Bischof Nikolaus auch zu nützen – für seine Mitmenschen. Immer wieder wird der Heilige Nikolaus von Myra als Person beschrieben, die einen guten Blick für die Bedürfnisse der Menschen hat, die ein gutes Leben für alle möchte. Manche Überlieferungen schildern ihn auch als leidenschaftlichen Streiter, der für seine Überzeugungen eingestanden ist. Allesamt Eigenschaften, die ihn zu dem unwahrscheinlich sympathischen Heiligen machen, der er ist. Eines jedoch fehlt in all den Legenden, die sich um die Figur des Heiligen Nikolaus ranken – Erzählungen, dass er tadelnd oder strafend aufgetreten wäre. Immer wieder sind es vor allem Kinder, denen Bischof Nikolaus geholfen haben soll. Darum ist er wohl auch ihr Schutzpatron. So kommt ihm die Aufgabe zu, auf Seiten der Kinder zu stehen und auf sie zu achten. Ganz unabhängig davon, wie sie sich benehmen, was sie tun.
Einen bedürfnisorientierten, menschlichen Heiligen aus der heutigen Türkei, dem das Wohl der Kinder am Herzen gelegen ist, feiern wir am 6. Dezember.
Einen bedürfnisorientierten, menschlichen Heiligen aus der heutigen Türkei, dem das Wohl der Kinder am Herzen gelegen ist, der bedingungslos den Kindern beisteht, den feiern wir am 6. Dezember. Mit diesem Heiligen ist Begegnung wertvoll – mit diesem Heiligen soll Kindern Begegnung möglich gemacht werden.
Das bedeutet zu allererst eine Begegnung auf Augenhöhe. Im Wortsinn aber auch im übertragenen. Das volle Bischofsornat kann gerade bei kleineren Kindern ziemlich angsteinflößend wirken – ein weites, langes Gewand, wie man es heute nur noch selten sieht, ein großer goldener Bischofsstab und die Mitra, die die Darstellerin/den Darsteller noch größer erscheinen lässt, als sie oder er ohnehin für kleine Kinder ist. Das Auftreten als Bischof ist aber durchaus wichtig, Mitra und Stab müssen mit. Immerhin ist es auch ein starkes Zeichen, dass gerade ein Bischof sich wohlwollend der Kinder annimmt.
Es ist für die besuchten Kinder auch ein besonderes Erlebnis, selbst mal die Mitra aufsetzen und “Nikolo-Sein” ausprobieren zu dürfen.
Wie so oft sind es die kleinen Details, die beachtet, echte und bereichernde Begegnung möglich machen. Viele Kinder übernehmen gerne die Aufgabe, den Bischofsstab während des Besuches festzuhalten und ein/e Nikolausdarsteller/in, die sich auf Höhe der Kinder hinsetzt oder sich zu ihnen hinunterkniet und die Mitra im Falle des Falles auch abnimmt, wirkt sofort zugänglicher. Es ist für die besuchten Kinder auch ein besonderes Erlebnis, selbst mal die Mitra aufsetzen und “Nikolo-Sein” ausprobieren zu dürfen. Die Stimme des Nikolos soll freundlich sein, natürlich und nicht verstellt. Zu jeder Zeit muss für die Kinder zweifelsohne erkennbar sein, dass es sich bei diesem hohen Besuch um jemanden handelt, der es ausschließlich gut mit ihnen meint. Das heißt, dass auch das hoffentlich freundliche Gesicht der Darstellerin/des Darstellers stets erkennbar sein soll – das bedeutet mitunter einen Verzicht auf den künstlichen Rauschebart und die Perücke.
Zu einer Begegnung auf Augenhöhe gehört auch die ehrliche Kommunikation darüber, dass es sich beim Besuch nicht um den bereits eineinhalb Jahrtausende lang toten Bischof aus Myra handelt (das wäre auch ziemlich gruselig), sondern um eine/n Darsteller/in, die oder der sich verkleidet hat, damit wir uns besonders gut an den Heiligen Nikolaus erinnern können. Deshalb ist es natürlich auch möglich, dass Frauen oder Kinder in die Rolle des Heiligen schlüpfen.
Kein Sündenregister, keine Drohbotschaft bringt Nikolaus mit.
Ein weiteres klassisches Attribut des Nikolos ist das große goldene Buch. Logisch betrachtet ist dieses große, wertvolle Buch, das ein Bischof bei sich trägt, natürlich die Bibel bzw. das Evangelium, die Frohe Botschaft. Kein Sündenregister, keine Drohbotschaft bringt Nikolaus mit. Das würde auch nicht zu ihm passen. Nikolaus steht den Kindern bei – er ist nicht Erziehungshelfer der Eltern. Das heißt nicht, dass das goldene Buch unbedingt zuhause bleiben muss, es kann auch im Rahmen der Feier gemeinsam eine Bibelgeschichte daraus gelesen werden. Oder es wird eine Nikolauslegende vorgelesen.
Die Bedürfnisse der Kinder müssen bei einem Nikolausbesuch – für den es viele gute Gründe gibt – stets im Mittelpunkt stehen, nicht immer ist ruhiges Sitzen um den Adventkranz in andächtiger Stille passend. Warum kann der Nikolaus nicht auch einmal etwas mit den Kindern spielen? Oder man jausnet gemeinsam.
Es ist in jedem Fall wichtig, dem lieben und guten Nikolaus, der dem historischen Bischof von Myra viel mehr entspricht und den Kindern positivere Erlebnisse beschert, Platz einzuräumen. Auf alle Fälle soll es den Kindern möglich sein, einen positiven Zugang zu diesem beeindruckenden Heiligen zu finden und es ist in unserer Aufgabe als Erwachsene, das möglich zu machen. Auch durch den Verzicht auf die Diskussion “ob”.
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Veronika Schippani studiert Philosophie/Psychologie und Mathematik auf Lehramt und ist erste Vorsitzende der Katholischen Jungschar Wien.
Beitragsbild: Schörkhuber, Katholische Jungschar Linz