Am 1. Juni 2021 starb der umtriebige Missionar, weltweit gefragte Autor und Theologe Robert Schreiter kurz nach seiner Emeritierung im Alter von 73 Jahren. Seit 1974 lehrte er ungeachtet verlockender Abwerbungsversuche an der Catholic Theological Union (CTU) in Chicago. Ein Nachruf von Edmund Arens.
Schreiter wurde 1947 in Nebraska City in den USA geboren. 1967 trat er in die Missionsgesellschaft vom Kostbaren Blut ein, deren Generalrat er später jahrelang angehörte. Von 1965 bis 1969 studierte er Psychologie und Philosophie am St. Joseph’s College in Indiana. Anschliessend ging er zum Theologiestudium an die Universität Nijmegen zu Edward Schillebeekx, bei dem er 1974 mit einer Aufsehen erregenden Arbeit „Eschatology as a grammar of transformation“ mit Auszeichnung promovierte. 2001 wurde Schreiter an der CTU zum Vatican II Professor of Theology ernannt. 1995 weilte er als Gastprofessor „Theologie interkulturell“ an der Universität Frankfurt. 2001 wurde er zudem auf den Edward-Schillebeeckx-Lehrstuhl an der Universität Nijmegen berufen. Im gleichen Jahr erhielt er die theologische Ehrendoktorwürde der Universität Luzern.
Er schrieb die „Bibel“ kontextueller Theologie
Von Schreiters 27 Büchern hat vor allem ein Band weltweit für Furore gesorgt. Es geht um „Constructing Local Theologies“. Das druckfrische Buch habe ich 1985 auf der Frankfurter Buchmesse beim Verlag Orbis Books ergattert und gleich rezensiert. „Constructing“ ist sein in viele Sprachen übersetztes Meisterwerk, in dem Schreiter von einem kultursemiotischen Zugang aus die Theologie als elementar lokal verankert begreift. Er zeigt theologisches Denken als aus lokalen Gemeinschaften hervorgegangene Prozesse und mit konkreten Adressatinnen verknüpfte Botschaften und Praktiken auf. Der hernach vielfach auch in diversen Raubdrucken erschienene Band kann als Bibel kontextueller Theologie gelten.
Richtungsweisende Werke zur Theologie und Praxis der Versöhnung
Schreiter hat neben spirituell ausgerichteten Bänden, die den für den Missionar vom kostbaren Blut zentralen Gedanken einer „Precious Blood spirituality“ subtil entfalten, unter anderem richtungsweisende Werke zur Theologie und Praxis der Versöhnung vorgelegt. Eines erschien unter dem Titel „Wider die schweigende Anpassung. Versöhnungsarbeit als Auftrag und Dienst der Kirche im gesellschaftlichen Umbruch“ 1993 auf Deutsch in der Luzerner Edition Exodus.
Schreiter beschäftigte sich indes nicht nur wissenschaftlich-theologisch, sondern auch praktisch-organisatorisch mit Versöhnungsfragen, dies unter anderem als Mitarbeiter an Forschungsprojekten von CARITAS Internationalis in Rom. Versöhnung ist laut Schreiter nur möglich durch Vergebung. Den anspruchsvollen Prozess dahin, der sowohl Spiritualität als auch Strategie beinhaltet, hat er in seinem Buch „The Ministry of Reconciliation. Spirituality & Strategies“ (1998) in seinen Stufen und Ansprüchen eindrucksvoll nachgezeichnet.
Als viele den Namen Globalisierung noch kaum kannten …
13 Jahre lang war Robert Schreiter Direktor des Globalization Program der Association of Theological Schools in the U.S. and Canada. Als viele den Namen Globalisierung noch kaum kannten, hat er sich bereits Gedanken über die Konsequenzen des Globalisierungsprozesses für indigene Kulturen, für ethnische und religiöse Gemeinschaften sowie moderne Gesellschaften gemacht. Er war beileibe kein Gegner der unvermeidlichen Globalisierung, plädierte freilich vehement für eine nicht ökonomisch enggeführte Globalisierung der Menschlichkeit und Solidarität, mit der er eine „neue Katholizität“ verband. Diese hat für ihn vier Aspekte. Zum einen bringe das Nachdenken über die Ausdehnung des Glaubens über die ganze Welt eine Aufmerksamkeit für Kultur und die Frage der Unterschiede mit sich. Zweitens sei für die neue Katholizität die Verknüpfung von Globalem und Lokalem zentral. Drittens stelle sich das Problem, wie Katholizität Gleichheit, Unterschied und Pluralismus vereine. Und viertens ergebe sich daraus die Suche nach einem neuen Verständnis von Gemeinschaft. Die neue Katholizität kennzeichnet Schreiter zudem als Fülle des Glaubens, welche in weltkirchlicher Kommunikation und wechselseitigem Austausch lokal, global sowie konvivial geschehe bzw. anzustreben sei.
Prophetisches zu einem nicht eurozentrischen, nicht kolonialistischen Verständnis von Mission
Schreiter hat zudem richtungsweisende Untersuchungen über Fragen der interkulturellen Kommunikation und des interreligiösen Dialogs verfasst. Er hat sich des Weiteren mit Arbeiten zu einem nicht eurozentrischen, nicht kolonialistischen Verständnis von Mission sowie einer Spiritualität der Anerkennung der Anderen verdient gemacht.
Die Präsidentin der Catholic Theological Union, Schwester Barbara Reid (OP) hält in ihrem Nachruf prägnant fest: „Bob joined the CTU faculty in 1974 and his outstanding contributions are too numerous to list. His work on Reconciliation, in particular, was unparalleled, both in his international accompaniment of Church leaders in peacebuilding and in his teaching standing-room-only crowds of students every year.”
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Edmund Arens ist emeritierter Professor für Fundamentaltheologie an der Theologischen Fakultät der Universität Luzern.
Bild: Boston College (bc.edu)