Das Hochfest Mariä Empfängnis ist innerhalb der katholischen Kirche etwas Besonderes. Es feiert eine normalerweise nicht mögliche Begebenheit. In deutschsprachigen katholischen Gottesdiensten und noch einmal mehr in Österreich erreicht diese Besonderheit in diesem Jahr einen selten erreichten Höhepunkt. Mit ebenfalls normalerweise nicht möglichen Konsequenzen. Von Elisabeth Birnbaum
Mariä Empfängnis – ein besonderes Geschehen
Dass Jesus von seiner Mutter auf besondere Weise, nämlich ohne Zutun eines Mannes, empfangen wurde, gehört zum christlichen Basisglauben. Doch Mariä Empfängnis ist bekanntlich nicht ein Fest im Sinne eines Genitivus subjectivus, sondern eines Genitivus objectivus. Soll heißen: Nicht Maria empfängt hier, sondern sie wird von ihrer Mutter empfangen, und zwar „unbefleckt“, ohne den Makel der Erbsünde. Die Besonderheit dabei ist, dass an dieser Empfängnis ansonsten nichts Besonderes ist. Maria hat einen menschlichen Vater und eine menschliche Mutter und wird von diesen auf ganz und gar normalem Wege gezeugt und empfangen. Und dennoch ist sie frei von der Erbsünde, die sonst allen menschlich gezeugten und empfangenen Menschen anhaftet.
Besonders in der Liturgie des Kirchenjahres
Die liturgische Feier mitten im Advent führt häufig zur Verwechslung. Denn in Vorbereitung auf das Weihnachtsfest liegt es nahe, unwillkürlich an das Schwangerwerden Marias zu denken, statt an das Schwangerwerden ihrer Mutter. Noch dazu, wo das Evangelium von der Verkündigung des Engels an Maria spricht. Doch das Hochfest ist auch innerhalb der Liturgie des Advents etwas Besonderes. Das zeigt sich schon daran, dass es sich vom Vorbereitungs- ja Bußcharakter des Advents abhebt. Die liturgische Farbe ist nicht wie an den Adventsonntagen violett, sondern weiß, und das Gloria, das in der Adventzeit sogar zu „Gaudete“ entfällt, wird am 8. Dezember gesungen.
Besonders im Umgang mit der revidierten Einheitsübersetzung
In deutschsprachigen Ländern ist das Fest ab heuer noch aus einem anderen Grund besonders. Letztes Jahr wurde die revidierte Einheitsübersetzung in die Lektionare eingeführt. Seither erklingen sämtliche Lesungen der katholischen Leseordnung in dieser revidierten Fassung. Doch ab heuer wird die erste Lesung des 8. Dezembers wieder in der alten Einheitsübersetzung zu Gehör gebracht. Warum?
Kurz gesagt: Weil in der neuen Fassung in der ersten Lesung, Genesis 3 (die Folgen des sogenannten Sündenfalls) Adam fehlt. Adam aber ist für das Fest Mariä Empfängnis unverzichtbar. Denn die Lesungstexte des Marienfestes stellen einen Zusammenhang her zwischen dem sogenannten Sündenfall und dem Heilsgeschehen, das mit Maria in Gang gesetzt wurde. Das geschieht über die Adam-Christus-Typologie, die bei Paulus anzutreffen ist: Wie mit Adam der Tod aller Menschen gekommen ist, so kam mit Christus die Erlösung aus dem Tod, betont der Apostel (z.B. im ersten Korintherbrief, Kapitel 15). Später wurde das weitergedacht: Eva ist die (Jung-)Frau, die denjenigen zur Sünde verführt hat, durch den der Tod aller Menschen gekommen ist. Und Maria ist die (Jung-)Frau, die denjenigen geboren hat, durch den die Erlösung der Menschen aus dem Tod kam.
Denn wie in Adam alle sterben, so werden alle in Christus lebendig gemacht
(1 Kor 15,22)
Da nun die revidierte Einheitsübersetzung gerade diese Perikope sehr genau übersetzt und „ha adam“ korrekterweise mit „der Mensch“ statt mit „Adam“ wiedergibt, fehlt Adam. Die skizzierte Adam-Christus-Typologie würde dann aber nicht mehr deutlich werden. So haben sich die Verantwortlichen dazu entschieden, auf ihre approbierte Fassung zu verzichten und bei diesem Text ausnahmsweise auf die alte Fassung inklusive Adam zurückzugreifen.
Gefeiert zwischen besonderen Sonntagen
Heuer ist das Fest noch einmal mehr besonders, fällt der 8. Dezember doch auf einen Sonntag. In solchen Fällen entscheidet ein ausgeklügeltes System, welcher Anlass begangen werden soll: das Hochfest oder der Sonntag. Der andere Anlass wird, je nach Bedeutung, entweder verschoben oder ersatzlos gestrichen. So wie beim Kartenspiel das As den König sticht, „sticht“ normalerweise ein Hochfest einen gewöhnlichen Sonntag. Letzterer würde ersatzlos gestrichen. Doch Adventsonntage sind keine gewöhnlichen Sonntage und „stechen“ daher sogar Hochfeste. Hochfeste werden jedoch nicht gestrichen, sondern verschoben. Das Marienfest müsste demnach dem Adventsonntag weichen und an einem benachbarten Tag gefeiert werden. Und so geschieht es auch – zumindest in Deutschland.
Besonderheiten in Österreich …
Doch Österreich ist anders. Denn „Mariä Empfängnis“ hat hier eine ganz eigene und besondere Geschichte. Es wurde zwar nicht dort erfunden, aber erfuhr dennoch eine besondere Behandlung. Erstmals gefeiert wurde das Fest durch Papst Sixtus IV im Jahr 1477 in Rom. Weltweite Verbreitung erfuhr es erst 1708. In Österreich jedoch bestimmte Kaiser Ferdinand III das Fest bereits 61 Jahre zuvor zum Feiertag. Als die Schweden im dreißigjährigen Krieg bis Wien vordrangen, inszenierte er eine große Prozession mit dem Bild der Jungfrau Maria. Und da die Schweden die Belagerung aufgaben – wieder eine normalerweise nicht mögliche Begebenheit – wurde Maria zur Schutzheiligen Österreichs und der 8. Dezember ein unverschiebbarer Feiertag, der bis heute, unterbrochen nur von der NS-Zeit, begangen wird.
… und ihre Folgen
… außerdem soll der Charakter der Adventzeit in Hinweisen und in der Predigt zum Ausdruck kommen
(Direktorium der Erzdiözese Wien, S. 48)
Dadurch muss das katholische Österreich jedoch heuer „Mariä Empfängnis“ mit seiner speziellen Leseordnung und den zweiten Advent mit einer anderen speziellen Leseordnung gleichzeitig feiern – eine liturgisch eigentlich nicht mögliche Kumulation von Feierinhalten. Im Direktorium der ED Wien versucht man das so zu lösen: „In der Messfeier ist die 2. Lesung vom 2. Adventsonntag zu nehmen; außerdem soll der Charakter der Adventzeit in Hinweisen und in der Predigt zum Ausdruck kommen, ebenso in den Fürbitten, die mit dem Tagesgebet des 2. Adventsonntags zu beschließen sind.“
Im Klartext: Die erste Lesung und der Antwortpsalm sind auf das Marienfest zugeschnitten. Die zweite Lesung wechselt zum Adventsonntag und das Evangelium kehrt wieder zum Marienfest zurück. Die Predigt wiederum soll auf den Adventsonntag eingehen und damit auf Texte aus den Büchern Jesaja und Matthäus, die gar nicht verlesen wurden. Sie und andere Hinweise sollen zudem am besten gleichzeitig auf die Vorgeschichte der Geburt Marias und auf die bevorstehende Geburt Jesu blicken. Und das ohne die oben erwähnte Verwechslung des Feierinhaltes von Mariä Empfängnis zu begünstigen.
Wie die Lösungen in den einzelnen Pfarren aussehen werden, bleibt abzuwarten. Und Muße genug darüber nachzudenken gibt es glücklicherweise. Denn obwohl in Österreich seit 1995 trotz des gesetzlichen Feiertages die Geschäfte offen haben dürfen: Diesmal, am Sonntag, bleiben die Geschäfte geschlossen. Sonntag sticht Feiertag. Und auch das ist eine normalerweise nicht mögliche Besonderheit.
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Elisabeth Birnbaum ist Direktorin des Österreichischen Katholischen Bibelwerks und seit Juni 2018 Mitglied der Redaktion von Feinschwarz.
Bildnachweis: Mariensäule in Wien, Am Hof; ©Wikimedia Commons
Weblinks:
Direktorium der Diözese Trier, S. 37; https://www.bistum-trier.de/fileadmin/user_upload/Direktorium_BistumTrier_2019_2020.pdf, abgerufen am 2. 12. 2019.
Direktorium der Erzdiözese Wien, S. 48; https://www.erzdioezese-wien.at/dl/oullJKJNmlmNJqx4kOJK/dir__2019_20_gesamt_v1_5_web.pdf; abgerufen am 2. 12. 2019.
Liborius Lumma, Das Hochfest Mariä Erwählung im liturgischen Kalender
(Anmerkungen zu einer heortologisch-rubrizistischen Lex Austriaca); https://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/texte/1012.html