Der 2. Februar wird als Mariä Lichtmess oder Fest Darstellung des Herrn bezeichnet. Bert Groen (Graz) zeichnet die Entwicklung des Festgeheimnisses nach und skizziert mögliche aktuelle theologische Zugänge.
Die Darstellung des Herrn ist den meisten nur als ein kleines Fest im Kirchenjahr bekannt. Zwischen Weihnachten und Epiphanie auf der einen und der Vierzigtagezeit und Ostern auf der anderen Seite fällt es wenig auf. Trotzdem handelt es sich um ein wichtiges Fest im Epiphanie-Zyklus. Zudem sind die Worte Simeons „Nun lässt du, Herr, deinen Knecht in Frieden scheiden…“ ein wesentlicher Teil des abendlichen Stundengebets, genauer: der Komplet im römischen Ritus, der Vesper im byzantinischen.
Spät in Jerusalem entstanden
Das Fest ist erst spät entstanden. Die Christenheit der ersten drei Jahrhunderte feierte es – soviel wir wissen – nicht. Es entstand in Jerusalem. Die dortige Liturgie hat vor allem im vierten und fünften Jahrhundert aufgrund der zahlreichen Pilgerreisen und der Entstehung von Feiern zum Gedächtnis an historische Ereignisse aus dem Leben Jesu die Entwicklung der Feste im Jahreskreis in der Gesamtkirche erheblich beeinflusst. In Rom wurde es vermutlich erst um die Mitte des siebten Jahrhunderts oder kurz danach eingeführt; vom Anfang an gehörte eine Lichterprozession dazu. Von Rom breitete sich das Fest über Westeuropa aus.
Segnung und die Prozession wurden sogar die Hauptmerkmale des Festes
Ein neues Element am Ende des neunten und Anfang des zehnten Jahrhunderts ist das Segnen der Kerzen. Im Hoch- und Spätmittelalter legten die Gläubigen großen Wert auf dieses Ritual. Man war der Ansicht, dass die gesegneten Kerzen den Teufel und alle Übel fortjagten und dass durch das Kerzenlicht höllische Mächte verschwinden und Gewitter aufhören würden. Außerdem dienten die sich in eine Flamme verwandelnden Wachskerzen als Symbol für die eucharistische Transsubstantiation. Die Segnung und die Prozession wurden sogar die Hauptmerkmale des Festes. Daher wurde es – neben den Bezeichnungen ‚Reinigung der Jungfrau Maria‘ und (mit dem griechischen Namen Hypapantē) ‚Begegnung des Herrn‘ – auch Mariä Lichtmess genannt. Auf dem Lande galt das Fest oft als das Ende der Weihnachtszeit, in der man sich Zeit genommen hatte, die Nachbarn und Angehörigen zu besuchen. Dienstboten wechselten an dem Tag ihre Stellen.
Des Weiteren ist es erwähnenswert, dass – in Anlehnung an die Reinigung Marias nach der Geburt Jesu – in großen Teilen Mittel- und Westeuropas vierzig Tage nach der Geburt eines Kindes erstmals wieder der Kirchgang praktiziert wurde. Vor allem im Spätmittelalter handelte es sich um ein beliebtes Ritual, an dem die Wöchnerin, Angehörige und Freunde teilnahmen. Im zwanzigsten Jahrhundert erlosch der Kirchgang dennoch allmählich im katholischen Westen, weil er ein isolierter Ritus geworden war, der immer mehr als eine Erniedrigung der Frau empfunden wurde. Stattdessen empfiehlt sich heute ein ‚Muttersegen‘ oder ‚Elternsegen; die Lukaserzählung über die Darstellung des Herrn (Lk 2, 22-38) ist oft ein Element davon.
Von einem Marienfest zu einem Herrenfest
Die im Zug des Zweiten Vatikanums initiierte Liturgiereform revidierte das Fest und änderte seinen Namen in ‚Darstellung des Herrn‘ (In Præsentatione Domini). Die neue Einheitsübersetzung verwendet ‚darstellen‘ gegenüber ‚dem Herrn weihen‘ (EÜ 1980), wogegen beispielsweise im Italienischen und im Englischen als Name das vielleicht stimmigere Presentazione del Signore bzw. Presentation of the Lord begegnet. Jedenfalls wurde es von einem Marienfest zu einem Herrenfest, was es auch ursprünglich war. Bezeichnend sind heute noch immer Prozession und (eine jetzt schlichte) Kerzensegnung. In einigen evangelischen Kirchen wird ebenfalls der Darstellung des Herrn am 2. Februar gedacht. In der orthodoxen Kirche und den mit Rom unierten Ostkirchen des byzantinischen Ritus heißt das Fest ‚Begegnung unseres Herrn und Gottes und Erlösers Jesus Christus‘. Es gehört zum Zyklus der Zwölf Feste (die Hauptfeste im liturgischen Jahr), aber im Vergleich zum Weihnachts- und zum Epiphaniefest wird es nur wenig gefeiert.
Feier der Erscheinung des Lichtes Christi
Zum Schluss möchte ich vier Elemente der Theologie des Festes hervorheben:
1. Epiphanie und Erleuchtung
Ein erstes Element ist das Gedächtnis der Darstellung im Tempel als historisches Ereignis im Leben Jesu, in dem Maria und Josef sich der Tora unterwerfen. Zudem wird, wie in den übrigen Feiern des Epiphanie-Zyklus, auch im Darstellungsfest gefeiert, dass Gott sich in Jesus den anderen Menschen offenbart und dass Jesus Licht für die Welt ist. Diese Feier schließt ja nicht zufällig den genannten Kreis ab. Das Licht strahlt, wodurch die Menschen, die es annehmen, erleuchtet werden. Sowohl die römische Liturgie als auch die byzantinische akzentuieren dies.
Ein Schlüsselwort in beiden Traditionssträngen ist ‚heute‘. Das Fest ist nicht nur eine Feier zum Gedächtnis an frühere Ereignisse, sondern es bezweckt auch, dass wir diese Ereignisse aufs Neue erleben und Teilnehmer/innen an ihnen werden. Das liturgische ‚heute‘ schließt Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ein.
Im Darstellungsfest leuchtet also eine Grunddimension der Liturgie auf: Feier der Erscheinung des Lichtes Christi, wie auch an Weihnachten des Kommens des Lichtes in die Welt gedacht wird, das Fest der Verklärung des Herrn am 6. August das Strahlen des Lichtes des Herrn in die Mitte rückt und in Emmaus den Jüngern die Augen aufgehen und sie den Herrn erkennen.
Die Liturgie nach der Liturgie
2. Begegnung zwischen Gott und Mensch
Das Darstellungsfest ist Gedenken der Begegnung zwischen Gott, Quelle des Lichtes, und den Menschen. Sowohl die katholische als auch die orthodoxe Liturgie akzentuieren den Aspekt der Begegnung und betonen, dass Jesus Christus, wie er bei seiner Darstellung Simeon und Anna und in ihnen dem Volk Israel und den Völkern begegnet, auch uns heute entgegenkommt. Es geschieht übrigens nicht nur Begegnung zwischen Christus und den Teilnehmenden, sondern auch zwischen diesen untereinander.
Begegnung zwischen Gott und Mensch findet nicht nur im Gottesdienst statt. Es gibt auch die Liturgie nach der Liturgie. In der Entlassung werden die Teilnehmenden zur Hilfe an den Nächsten und zur Linderung der Nöte in der Welt aufgefordert, zur Begegnung mit anderen Menschen und dazu, selbst für andere ein Sakrament der Liebe Gottes zu werden.
Reinigung befähigt die Kirche, Freude und Hoffnung für Menschen in ihren Nöten zu sein.
3. Reinigung
Diese Begegnung schließt auch den Aspekt der Reinigung ein, wie dieses vor allem die byzantinische, die westliche mittelalterliche und die tridentinisch-römische Liturgie betonen. Dabei geht es auch um die ‚Begradigung‘ von individuellen und kollektiven Irrwegen, welche die Gläubigen vom Weg zu Gott und den Nächsten wegführen. Nach der Konzilskonstitution Lumen Gentium ist die Kirche auch eine ecclesia semper purificanda, die ständig nach Buße und Erneuerung strebt. Reinigung befähigt die Kirche, Freude und Hoffnung (Gaudium et Spes) für Menschen in ihren Nöten zu sein.
Die Reinigung Mariens nach vierzigtägiger Unreinheit der Geburt wegen – aufgrund des beim Geburtsvorgang geflossenen Blutes – ist ebenso wie die Darstellung Jesu als Erstgeborener Teil der Lukasgeschichte und hat im orthodoxen Osten wie im katholischen Westen den Ritus des Kirchgangs der Mutter gewordenen Frau gefördert. Zugleich sind die unterschiedlichen historischen Phasen dieses Rituals sowie die wechselnden Bedeutungen, die ihm in beiden Kirchen beigemessen wurden, ein gutes Beispiel dafür, dass die Liturgie geschichtlichen Prozessen unterliegt.
Es ist unbedingt Vorsicht vor jeglichen Ablösungstheorien geboten
4. Kontinuität zwischen dem Alten und dem Neuen Bund
Die Erscheinung des Herrn bezeugt die Kontinuität zwischen dem Alten und dem Neuen Bund. Die Offenbarung an Israel wird im Epiphanie-Zyklus nicht aufgehoben, sondern auf die Völkerwelt hin erweitert und liturgisch verdichtet. Der Gott Israels erschien seinem Volk und den Völkern, erscheint der Welt in Jesus und manifestiert sich weiterhin heute. In nicht wenigen liturgischen Texten, vor allem im byzantinischen Ritus, findet sich die Gegenüberstellung des Alten und des Neuen Bundes sowie die Ablösung des in Simeon und Anna und in den Toravorschriften symbolisierten Alten Bundes durch den Sohn Gottes. Es ist unbedingt Vorsicht vor jeglichen Ablösungstheorien geboten, die Israel und seine Schriften zum historischen Vorspiel für das Kommen Jesu degradieren und somit die Kontinuität des Erscheinens Gottes in der ganzen Schrift missachten. Das Kind in den Armen des alten Simeon und die Lobpreisung der Prophetin Hanna sind immer wieder eine Begegnung von Vergangenheit und Zukunft, die durch die Treue Gottes zu der Synagoge und der Kirche umfangen ist.
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Basilius J. Bert Groen (1953 geboren in den Niederlanden) ist Univ-.Prof. i.R. fuer Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie an der Uni Graz. Er ist Gastprofessor am Pontificio Istituto Orientale in Rom.
Beitragsbild: Hagios Nikolaos Tis Stegis (Zypern) – Foto: Johann Pock