Wie sieht es mit den kirchlichen Internet-Auftritten aus? An wen richten sie sich? Ute Leimgruber fragt nach dem Ziel der Homepages – und blickt kritisch auf die Präsenz von zu viel Eigenlob im Vergleich zur Beschäftigung mit aktuellen Themen. Wäre das Internet nicht eine Chance, sich intensiv mit den Zeichen der Zeit auseinanderzusetzen?
Man braucht nicht lange, um sich ein Bild zu verschaffen, was die Diözesen Deutschlands derzeit offiziell umtreibt. Schließlich haben sie alle einen mehr oder weniger professionellen Auftritt im Internet, inklusive Links zu Twitter, Facebook, Instagram und Youtube. Bei einer kurzen Reise durch die kirchliche Web-Welt bekommt die geduldige Oberste-Schlagzeilen-Leserin z.B. folgende Themen vorgesetzt: „Wer entwirft das neue Kleid für Maria? Das Aachener Gnadenbild soll ein modernes Gewand bekommen“ (katholisch.de, alle folgenden Zitate: 17.7.2018), „Jeder hat eine Berufung“ (Würzburg), „Reisetagebuch: Mit Bischof Wölki in Indien“ (Erzbistum Köln), „Kardinal Marx weiht drei Männer zu Priestern“ (Erzbistum München). Einzig das Bistum Passau thematisiert mit „Sorge um das gemeinsame Haus“ an oberster Stelle auch Probleme um Klimawandel und Schöpfungsbewahrung.
Fast keine Diözese hat auf ihrer Homepage schnell zu findende Texte zu den Themen, die seit Monaten das öffentliche Leben der Menschen in Deutschland bestimmen.
Meist findet man auf der ersten Seite der Bistümer (www.bistum-XX.de) Berichte aus den Diözesen zu Priesterversetzungen, Bischofsreisen, Jubiläen oder anderen Ereignissen aus dem Kirchenalltag, z.T. Predigten der Bischöfe oder Beiträge zu Themen wie Ehe/Familie oder (Neu-)Evangelisierung in „gottvergessener“ Zeit (Augsburg). Daneben gibt es gesellschaftspolitische oder ökologische Themen (z.T. sogar in lesenswerter Qualität) – jedoch sind sie kaum irgendwo zentral und „ganz oben“.
Fast keine Diözese hat auf ihrer Homepage schnell zu findende Texte zu den Themen, die seit Monaten das öffentliche Leben der Menschen in Deutschland bestimmen: Europa und die Krise der Demokratie, Immigration und Asyl, hate speech und fake news oder Klimawandel und ökologische Katastrophen. Immerhin sind fast überall Links zu Organisationen, die sich der Geflüchtetenhilfe oder anderen caritativen Notwendigkeiten angenommen haben; auch auf www.katholisch.de findet man gesellschaftlich relevante Themen nach schneller Suche rasch und unkompliziert.
Wen interessieren wirklich all die kircheninternen Lobeshymnen und Erfolgsgeschichten, die da auf den Eingangsseiten präsentiert werden?
Bei diesem kurzen Ausflug durchs Netz stellt sich immer drängender die Frage: Cui bono? Wem nützt dies? Ist es im Sinne der Diözesen, die sich möglichst positiv darstellen wollen? Und wer sind die Adressat*innen der Seiten? Wen interessieren wirklich all die kircheninternen Lobeshymnen und Erfolgsgeschichten, die da auf den Eingangsseiten präsentiert werden? Sind es Bistumssozialisierte, die ohnehin Bescheid wissen und die interne Sprache sprechen (wer versteht sonst den Bericht über die „Reponierung der Reliquien“)? Sind es Gläubige, die daran interessiert sind, was ihr Bischof am Wochenende gemacht hat (z.B. Paderborn)? Sind es Kirchensteuerzahlende, die wissen wollen, was mit ihrem Geld passiert? Wer ruft die Seiten der Diözesen auf und was sucht er/sie da?
Neben (unverzichtbaren) Informationen wie z.B. die Hinweise auf Veranstaltungen, Organigramme o.ä. finden sich auf den Websites ja auch Standpunkte, werden Themen platziert und damit auch priorisiert. Was ist dabei das Ziel der Homepages? Betreibt die Kirche die Homepages v.a. aus Marketinggesichtspunkten und versteht sie als „Plattformen einer vereinfachten Verkündigungspraxis“ (Beck 111)? Jeder Internetauftritt hat stets auch den Subtext: „Das interessiert uns, macht uns aus und ist so wichtig, dass wir es allen mitteilen wollen. Diese Homepage ist unsere Selbstdarstellung. So möchten wir in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden.“
Welche Rolle spielt das Leben, die Praxis der Menschen, welche Relevanz haben gesellschaftspolitische Diskurse innerhalb der kirchlichen Internetpräsenz?
Es ist allerdings nicht so eindeutig auszumachen, was hinter der Themenauswahl und ihrer Aufbereitung steckt. Und es ist oft nicht so ganz klar, ob die Kirche, die mit ihren Internetauftritten an die Öffentlichkeit geht, auch die gesellschaftliche Öffentlichkeit zu ihren Belangen zählt. Welche Rolle spielt das Leben, die Praxis der Menschen, welche Relevanz haben gesellschaftspolitische Diskurse innerhalb der kirchlichen Internetpräsenz? Anders gefragt: Sind die Pilgerfahrt des Bischofs nach Rom oder die vermeintlich rasant wachsende Gottesferne (der man die zündende Begeisterung der Christ*innen entgegen zu setzen habe) das, womit die Kirchen als allererstes wahrgenommen werden wollen? Und ist es tatsächlich das, was die Menschen auf den diözesanen Homepages suchen? Welche Rolle nehmen die Diözesen mit ihrer medialen Selbstdarstellung im Raum der öffentlichen Diskurse ein? Wo werden in der Kirche die bedrängenden Fragen der Gegenwart öffentlich diskutiert? Auf den Homepages jedenfalls nicht, oder zumindest nicht an prominenter Stelle.
Die Kirche hat ihr pastorales Wesen in allen Bereichen ihres Wirkens zu realisieren, also auch im medialen Feld der Online-Präsenz.
Die Kirche hat die Aufgabe, sich den gesellschaftlichen Themen der Menschen einer jeden Zeit zu stellen (Gaudium et Spes 4), und zwar aufrichtig und offen. Erst dann ist sie als Kirche glaubwürdig, wird sie ihrer Identität gerecht und von den Menschen als Gesprächspartnerin oder gar als Instanz der Lebens- und Glaubensunterstützung ernst genommen. Neben der offenkundigen Selbstdarstellung und der Information über die Organisation Kirche sind die diözesanen Internetauftritte Orte des kirchlichen Verkündigungs- und Bildungsauftrags. Die Kirche hat ihr pastorales Wesen in allen Bereichen ihres Wirkens zu realisieren, also auch im medialen Feld der Online-Präsenz.
Nun muss die Kirche nicht zu allem Gesellschaftspolitischen eine fertige Meinung präsentieren, oft genug können weder Theologie noch Kirche aus ihren Ressourcen eindeutige Antworten geben. Doch gerade deswegen sollten in der Kirche offene und gut begründete Diskurse geführt werden, über Themen, die vielleicht nicht immer aus dem Innersten des operativen Kirchengeschäfts, aber doch aus dem täglichen Leben der heutigen Menschen kommen. Kirchliche Internetpräsenz ist „nicht nur als Instrument zur Verbreitung eigener Einsichten und kirchlicher Positionen“ zu verstehen, sondern bietet v.a. die „Chancen, öffentliche Debatten und gesellschaftliche Entwicklungen wahrzunehmen und diese als Impulse (…) wirksam werden zu lassen“, so Wolfgang Beck in seinem Buch über „Die katholische Kirche und die Medien“ (Beck 68).
Die Internetauftritte der Kirchen könnten damit einem institutionszentrierten Kirchenverständnis ebenso entgegen wirken wie einer allzu privatistisch verstandenen Religiosität. Die Kirche kann zeigen, dass sie nicht nur um sich selbst kreist, sondern sich tatsächlich den vielzitierten „Zeichen der Zeit“ verpflichtet sieht. Das konstitutive kirchliche Anliegen, bei den Menschen und in der Welt zu sein und mit ihnen gemeinsam „im Lichte des Evangeliums“ (Gaudium et spes 4) Horizonte der Humanisierung zu eröffnen, kann sie mit den Mitteln des Mediums Internet verwirklichen.
Die Botschaft wäre: Kirche bespielt nicht nur formal die Räume des Internets, sondern sie beansprucht, auch in digitalen Medien ein relevanter Player für Mensch und Gesellschaft zu sein.
Jenseits von Binnendiskursen liegt hier die Chance für die Kirche, öffentlich und niederschwellig in einen für die Menschen ihrer Zeit relevanten Diskurs einzutreten. Neben Berichten über Internes und einer ästhetisch ansprechenden Präsentation wäre dies ein Kriterium für gute kirchliche Netzauftritte. Auf kirchlichen Homepages könnten Menschen einen Diskursstil finden und selbst pflegen, der Argumente abwägt und das spezifisch Christliche mit ins Gespräch nimmt. Kluge Dossiers und gut recherchierte Orientierungshilfen wären auch auf den Bistumsseiten wünschenswert, ebenso wie Informationen und Kommentare zu wichtigen Fragen und Themen, christliche Positionen in öffentlich hart umkämpften Debatten – jenseits von Polemik und Populismus. Die Botschaft wäre: Kirche bespielt nicht nur formal die Räume des Internets, sondern sie beansprucht, auch in digitalen Medien ein relevanter Player für Mensch und Gesellschaft mit sinnerschließendem und lebensförderndem Potential zu sein.
Zitierte Literatur: Beck, Wolfgang: Die katholische Kirche und die Medien. Einblick in ein spannungsreiches Verhältnis, Würzburg : echter 2018.
Autorin: Ute Leimgruber, Dr.in theol. habil., Professorin für Pastoraltheologie an der Universität Regensburg (Professurvertretung); Mitglied der Schriftleitung der „Lebendigen Seelsorge“
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