In der Schweiz sind in der Seelsorge selbstverständlich Frauen und Männer gleichberechtigt tätig in Gemeindeleitung, Klinikseelsorge und Beerdigungen. Dennoch werden nur Männer (Priester und Diakone) zum Gottesdienst mit dem Papst in den Altarraum eingeladen. Eine Schweizer Seelsorgerin, die anonym bleiben möchte, benennt ihre Irritation – und schreibt selbst im Rollentausch einen fiktiven Brief eines Mitbruders an seine Schwestern im Glauben.
Seit Wochen rätsle ich, warum sich die geladenen Priester und Diakone nicht von sich aus dafür engagierten, dass es am 21. Juni ein gemeinsames Auftreten aller werde, die in der Schweizer Kirche Verantwortung tragen. Warum vermissen uns die Brüder in der Verantwortung nicht in ihren Reihen und rufen: „Stopp, auf dieser Einladung fehlen die Schwestern“. Oder: „Ich komme nur, wenn ich drei Frauen mit Albe finde, die vor und neben mir in der Eucharistiefeier mit dem Papst stehen.“
Damit Franziskus erleben kann, wie wir in der Schweizer Kirche gemeinsam unterwegs sind: Frauen und Männer teilen Verantwortung. Bei uns ist das sichtbar, wir haben Frauen, die Gemeinde leiten, als Spitalseelsorgerinnen arbeiten, Beerdigungen und Sonntagsgottesdienste leiten. Auch in anderen Teilen der Welt funktioniert die Kirche, weil Frauen bereit sind Aufgaben und Verantwortung zu übernehmen. Und beim Feiern mit Franziskus sollen allein die geweihten Mitbrüder in seinen Reihen stehen, die nichtgeweihten Frauen und Männer sollten sich unters Volk mischen. Was ja kein schlechter Platz ist. Aber wie fühlt sich das für die Brüder in der Verantwortung an?
Als empathiegewohnte Seelsorgerin blieb mir zuletzt nur noch der Rollentausch, um eine Antwort zu finden: Ein Rollentausch mit einem Bruder in der Verantwortung, der einen Brief an uns bewährte Theologinnen schreibt,
von Petra, im Austausch mit Regula und Felix
Liebe Schwestern im Glauben und in der Verantwortung in der Katholischen Kirche in der Schweiz,
nun habt ihr doch auch noch eine Einladung bekommen, in der Albe mitzufeiern. Bischof Felix ist ein grosszügiger Bischof. Oder zu weich dafür, den KollegInnen, also Euch, die Theologie studiert haben aber ungeweiht bleiben, zu sagen, dass es an dieser Feier doch nicht um Frauenfragen gehen kann. Ihr hättet doch mitfeiern können, auch ohne diese Extra-Einladung: Im Volk.
Findet Ihr es wirklich nötig, dass dem Papst während dieser Eucharistiefeier vermittelt wird, dass bei uns in der Schweiz auch Frauen Verantwortung tragen? Es geht doch am 21. Juni nicht um die Aufhebung der Diskriminierung von Frauen. Es geht nicht um ihre Berufungen und Begabungen. Die Schweizer Katholiken und Katholikinnen reisen doch zu dieser Feier, um seine Anstrengungen für ein menschliches Gesicht unserer Kirche zu würdigen, um Solidarität mit ihm, der so sehr angegriffen wurde, auszudrücken.
Solidarität mit Euch Kolleginnen ist ja schon auch wichtig, aber doch nicht am 21. Juni in Genf!
Dieser Papst hat am Welttreffen der Sozialen Bewegungen 2015 in Bolivien so deutlich wie keiner vor ihm gesagt, dass das Böse in den Wurzeln bekämpft werden solle. Genau: Ungerechtigkeit soll bekämpft werden. Dafür steht doch unser Papst. Und wir hinter ihm. Also bitte lasst Eure kleinlichen Hinweise auf die scheinbaren Ungerechtigkeiten gegen Frauen zuhause!
Papst Franziskus braucht unsere Solidarität im Kampf gegen das Böse. Und dass Sexismus auch böse ist, darüber müssen wir noch mehr nachdenken, das will noch gründlicher reflektiert werden, v.a. im Hinblick auf die Weltkirche. Das kommt dann gleich an zweiter oder dritter Stelle.
Und dann, dann habt Ihr wirklich meine ganze brüderliche Solidarität. Solange bin ich einfach froh, wenn Ihr weiterhin Verantwortung übernehmen könnt, da wo es zu wenige Brüder gibt.
Und bitte glaubt mir: Ich bin solidarisch mit Euch, sobald ich dazu komme und irgendwann werde ich es auch zeigen. Aber nicht am 21. Juni.
Mit herzlichem Gruss von einem dankbaren Bruder im Glauben, der diese Verwandtschaft noch nicht leben will oder kann….
Beitragsbild: Pfarreileiterin und Pfarrer beim pfarreiverbindenden Musegger Umgang in der Stadt Luzern (2013). Foto: Stan Holecek