Karl Rahner wurde vor 120 Jahren geboren und ist vor 40 Jahren verstorben. Er war nicht nur ein Kirchenvater der Moderne, sondern auch ein geistlicher Lehrer. Als solcher begleitet er Feinschwarz.net durch die Kar- und Ostertage. Die ausgewählten Texte skizzieren eine Theologie der Erde, die eine zeitgenössisch ‚terrestrische‘ Osterspiritualität ermöglicht. Heute: Ostersonntag mit Rahner.
„Er ist auferstanden, weil er die innerste Mitte allen irdischen Seins im Tod für ewig […] erlöst hat.
Und auferstanden hat er sie behalten.
Und so ist er geblieben.
Wenn wir ihn bekennen als aufgefahren zu den Himmeln Gottes, so ist das nur ein anderes Wort dafür, […] daß kein Abgrund mehr ist zwischen Gott und der Welt.
Im namenlosen Harren aller Kreatur
Christus ist schon inmitten all der armen Dinge dieser Erde, die wir nicht lassen können, weil sie unsere Mutter ist.
Er ist im namenlosen Harren aller Kreatur, die […] harrt auf die Teilnahme an der Verklärung seines Leibes.
Er ist in der Geschichte der Erde, deren […] Gang […] mit unheimlicher Präzision auf seinen Tag zusteuert, […] an dem seine Herrlichkeit, alles verwandelnd, aus ihren eigenen Tiefen brechen wird. […]
Darum dürfen wir die Erde lieben
Darum dürfen wir Kinder dieser Erde sie lieben […].
Selbst dort noch, wo sie schrecklich ist und uns mit […] ihrer Todgeweihtheit quält.
Denn seit er in sie eingegangen ist für immer durch Tod und Auferstehung, ist ihr Jammer […] zur bloßen Prüfung unseres Glaubens an ihr innerstes Geheimnis geworden […].
Daß dies der geheime Sinn ihrer Not ist, das ist nicht unsere Erfahrung.
Wahrlich nicht!
Aber unser Glaube! […]
Für immer angenommen
Der Glaube, der die Erde lieben kann, weil sie der ‚Leib‘ des Auferstandenen ist oder wird.
Wir brauchen sie darum nicht zu lassen. […]
Denn in der Auferstehung des Herrn hat Gott gezeigt, daß er sie für immer angenommen hat.
Caro cardo salutis hat ein alter Kirchenvater in einem unübersetzbaren Wortspiel gesagt: das Fleisch ist der Angelpunkt des Heiles. […]
Seitdem gebiert die Mutter Erde nur mehr Kinder, die verwandelt werden.
Denn seine Auferstehung ist der Anfang der Auferstehung allen Fleisches.
Noch unterwegs
Eines tut freilich not, damit seine Tat […] die Seligkeit unseres Daseins werde.
Er muß auch das Grab unseres Herzens sprengen.
Er muß aus der Mitte auch unseres Wesens […] auferstehen.
Da ist er noch unterwegs.
Da ist noch Karsamstag bis zum letzten Tag […].
Und dieses Auferstehen […] ist […] seine Tat.
Aber seine Tat, die geschieht als unsere: als Tat des liebenden Glaubens, die uns hineinnimmt in den […] Aufbruch aller irdischen Wirklichkeit zu ihrer eigenen Herrlichkeit, der begonnen hat in der Auferstehung Christi.“
Karl Rahner SJ (1904-1984) war ein Jahrhunderttheologe, der die jüngere Theologiegeschichte wie kaum ein zweiter inspiriert hat (Stichwort: Anthropologische Wende). Er lehrte Theologie und Religionsphilosophie in Innsbruck, München und Münster und prägte mit seinem Denken unter anderem das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965).
Aus Karl Rahner: Glaube, der die Erde liebt. Christliche Besinnung im Alltag der Welt, Freiburg/Br. 1966, 63-68.
Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Deutschen Region der Jesuiten K.d.ö.R. München.